Was passiert, wenn sich ein Amerikaner in den Proberaum verirrt?


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Beitrag von Martin vom September 29. 2011 um 22:05:36:

Hallo liebe Gemeinde!

In dieser Woche findet in meiner Klasse ein Native Speaker Projekt statt. Das bedeutet, dass zwei Amerikaner den "Unterricht" mit meinen Schülern machen.

Einer der beiden (Chris) hat mal in einer Punkband gesungen, und als er hörte, dass ich auch Musik mache, war er sofort Feuer und Flamme und wollte unbedingt eine Session machen (Yeah man, Music was part of my life, I miss this since five Years).

Okay, wir verabredeten uns also auf 20 Uhr, ich sollte ihn in seiner Pension abholen, wo ich auch pünktlich erschienen bin. Aber kein Chris dort. Kommt eine SMS (Hey man, I´m not at home, pick me up in downtown at the Cafe Mix).

Okay, ich schicke ihm SMS, dass ich in fünf Minuten vor der Kneipe stehe (wo man aber nicht parken kann...). Nach einer weiteren SMS, um ihm zu sagen, dass ich nun vor der Tür stehe, kommt er kurz raus und sagt mir: Hey Martin, please wait for a moment, I have to clean up my things inside (sprich, noch einige tausend Kneipengespräche und volle Biere austrinken).

Und unglaublich, eine weitere Viertelstunde später sind wir auf dem Weg zum Proberaum. Gut, die anderen warten schon einige Zeit, aber Chris ist da souverän: Hey man, I make Music for all my live, and everybody is late, allways!

Dort angekommen, wird sich aber erst einmal amerikanisch begrüßt, sprich, fast jeder erzählt seine Lebensgeschichte, dabei kann man auch prima innerhalb kürzester Zeit noch ein paar Biere trinken.

Ich hatte ihm zwar gesagt dass wir nur bis 22 Uhr Musikmachen können wegen der Nachbarn, aber... egal... Inzwischen merke ich, Amerikaner ticken da einfach anders, far more relaxed. Immerhin schreibt sich Chris die Lebensgeschichte unseres Bassisten gleich auf seinem Block auf, und als wir um 21.30 Uhr in den Proberaum kommen, haben wir glatt noch 30 Minuten, um daraus einen Song zu machen. Das geht auch ganz einfach, weil die Jungs netterweise einfach gleich jeden Riff dankbar annehmen, ohne die sonst üblichen Diskussionen (great man, you play fantastic, man, awsome!).

Um 22 Uhr müssen wir aufhören, haben aber etwas Rohmaterial auf dem Rechner. Zeit für noch einige Biere. Ich erinnere Chris daran, dass am nächsten morgen einige anstrengende Schüler aus meiner Klasse auf ihn warten, aber...

erst braucht Chris noch ein Bier und ein paar Zigaretten vor der Tür. Hey Martin, I don´t have to work the next Week, what do you think about making a CD, we could do 20 Songs in a few days!

Inzwischen ist es nach 23 Uhr, ich weise dezent darauf hin, dass ich gerne nach Hause möchte, und Chris ist auch einsichtig (Yeah man, that´s not a problem, just let me get another bier an we´ll go. Auch das dauert ein wenig, als wir um 23.45 Uhr wirklich gehen wollen, und uns auch schon ein Stück weit Richtung Auto bewegen, fällt ihm ein: Hey Guys, Stop, wait a minute, I can´t go without taking a photogragh from us! Let´s go back in the Rehearselroom, there´s better light.

Bei dieser Gelegenheit fällt Chris auf, dass man für ein gemeinsames Foto einen Selbstauslöser braucht. Hey, I baught this camera today, I,ve read it in the manual, it must be there! (beim Versuch, seine Kamera einzustellen, fällt mir auf, dass er sie verkehrt herum hält und daher etwas irritiert über die Anordnung der Knöpfe ist...).

Inzwischen ist es nach Mitternacht, wir wollen alle nach Hause, Hans holt seinen Sohn von oben, um von uns ein Foto zu machen.

Und dann, dann endlich (sagte ich, das Chris bereits seit nachmittags um 16 Uhr in dem Cafe Mix saß...) bringe ich Chris nach hause, und kurz vor seiner Pension (etwas außerhalb der Stadt) sagt er: Please, wait a minute! Can you bring me back downtown, I can not sleep anyway, you know?

Ich frage ihn skeptisch, ob er sicher ist, fahre ihn also zurück in die Stadt (nachdem ich noch einmal nachgefragt habe, ob er sicher ist, den Weg zurück zu finden). Er ist sicher, und er ist noch über viel mehr Dinge sicher: Hey man, what do think about, I could move to your Region, I have a Job offer, we could build a Band and play Concerts! Genau, Chris, sehr gute Idee, ich weiß, wir sind alle fantastic, awsome, unbelievable, the greatest musicians on earth, wir haben den besten Sound, wir sind so nett, unser Proberaum ist der beste Platz auf Erden,...

Als ich im Bett liege, stelle ich mir vor, was ich morgen mit meinen Schülern anstelle, falls Chris nicht morgens um 8 in der Schule auftauchen sollte...

Aber hey, this is not a Problem, am nächsten Morgen steht Chris mit bester Laune im Lehrerzimmer.

Fazit:

Amerikaner sind irgendwie anders, sehr lustig, allerdings auch durchaus anstrengend.

Und so hat es geklungen, was wir in den 30 Minuten fabriziert haben. Ich habe es heute allerdings noch etwas zusammengeschnitten (gekürzt) und ein paar kleine Overdubs draufgespielt.

Gruß Martin




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