Re: (Gitarre) Die Gitarre, der Daumenpick und ich. - Teil V


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Beitrag von jacQui vom Januar 15. 2001 um 23:05:17:

Als Antwort zu: Re: (Gitarre) Die Gitarre, der Daumenpick und ich. - Teil IV geschrieben von jacQui am Januar 10. 2001 um 07:05:15:

Mittwoch früh, was für eine kranke Uhrzeit.

Normalerweise ging sie ja um die Zeit meistens erst zu Bett, aber wegen diverser Termine mußte sie ihren nächtlichen Biorhythmus öfter mal auf den Kopf stellen.

Sie ging in's Arbeitszimmer, machte das Licht an und hatte das Gefühl, daß sie sämtliche Gitarren ein wenig mürrisch anglotzten und mit ihren Saiten und Metallteilen böse funkelten.

Sie schob das auf ihre Müdigkeit, machte ihren PC an und schnappte sich vorsichtig Betty.

Betty gab beim in-die-Hand-nehmen fast sowas wie einen seufzenden Ton von sich, der vom leichten Berühren der tiefen E-Seite, ganz tief aus ihrem Bauch, zu kommen schien.

Ihre Besitzerin seufzte auch und quetschte lustlos einige Tonleitern raus.

Dunkel, ganz dunkel kletterten alte Erinnerungen in ihr müde vernebeltes Hirn.. das war doch wie..
Oh ja, sie haßte das.

Tonleitern. Tönchen üben hier, Tönchen üben da.

Das war wie damals in der Schule, in allen Sprachen.
Grammatik.

Sie haßte es, Grammatik zu lernen.
Sie tat es auch nie.

Sprachlich 1, Grammatik 6, danke, setzen.

Grausam, dachte sie sich.
Tonleiterübungen sind so schlimm wie Grammatik.

Langweilig.

Wieso kann man nicht einfach so ein Ding in die Hand nehmen und drauf losspielen..
Um zu singen, mußte sie ja auch nie Tonleitern üben.
Naja... sie schüttelte unwirsch ihre Haare, stellte Betty wieder ab, kratzte sich ausgiebig am Hinterkopf und gähnte lange.

Ihr Freund kam in's Zimmer und machte auch seinen PC an.
Sie stand auf, um ihm einen Kaffee/Mocca zu kochen, während er sich eine Zigarette drehte.

Ohne Kaffee und Zigaretten am Morgen war er noch ungenießbarer als sonst.

Als sie zurückkam, spielte ihr Freund auf Betty, der das auch anscheinend gefiel.
Betty's Besitzerin wurde gleichzeitig neidisch (weil ihr Freund spielen konnte) und eifersüchtig (weil er auffällig oft mit Betty und nicht mit einer seiner Gitarren spielte), und sagte ihm, er soll sich eine seiner Gitarren nehmen, sie wolle üben.

Er übergab ihr Betty achselzuckend, nahm sich eine kleine Akustikgitarre und spielte irgendwelche Blues-Akkorde. Dann sagte er zu ihr, sie solle zu seinen Akkorden eine Melodie dazuspielen, mit Hilfe der Töne, die sie auf der Blues-Tonleiter gelernt hatte.

Also spielte sie ihren ersten Blues..
Mehr schlecht als recht, oft erwischte sie irgendwelche Halbtöne oder so, was sich mit den Akkorden ihres Freundes (die sich irgendwie "ganz", nicht "halb" anhörten) biss. Ab und zu spielte er dann auch "halbe" Akkorde, so daß diese sich wieder mit ihren "ganzen" Tönen bissen, aber, immerhin, für einige Minuten spielte sie sowas wie Blues, und fand das ganz witzig, wenn auch nicht befriedigend oder künstlerisch anspruchsvoll.

Danach übte sie ihre 60 Samba Pa Ti-Töne, dann nochmal die langweiligen Blues- und C-Dur-Tonleitern, zupfte ein paar Mal hintereinander diesen 08/15-Status Quo-Riff und legte Betty dann wieder etwas frustriert beiseite.

Sie frug sich, ob das allen am Anfang so ging.

Ob alle zu kurze Finger hatten, so daß sie manchmal nicht nahe genug an die Bünde herankamen, und die Saite dann schnarzte, oder ob alle am Anfang nur so entsetzlich langsam spielen konnten, oder ob ihre Finger vielleicht schon Gicht hatten, oder ob sie einfach zu doof war, oder oder oder...

Am Abend klimperte sie noch ein wenig auf Betty herum, aber es sollte fast 3 Tage, bis zum Samstag, dauern, bis sie Betty wieder in die Hand nahm... sie schob es auf die viele Arbeit und irgendwelche anderen Dinge, die erledigt werden mußten, aber tief in ihrem Inneren wußte sie, daß es am Frust liegen mußte...

Betty indes wurde vom Freund der Gitarrenanfängerin jeden Tag (auch mehrmals) bespielt, und fast kam es ihrer traurig dreinschauenden Besitzerin so vor, als würde Betty sie verlegen, aber auch tröstend anschauen..

ENDE Teil V





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