(Gitarre) Martin restaurieren


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Beitrag von Manuel vom Oktober 12. 2000 um 12:32:38:

Tach allerseits

Angefangen hat die Geschichte damit, dass ich kürzlich eine Martin 000-28 Auditorium geschenkt bekommmen hab. Dem Aussehen nach musste sie mindestens 120 Jahre alt sein, der Lack krakelig oder gleich komplet runtergespielt, die Saitenlage da mit 010 Mädchensaiten bespannt nicht abklärbar, der Gesamteindruck .... na ja...

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, oder zumindest wartet man bis der Schenkende um die Ecke gebogen ist. Kurzer Blick in die Site von Martin, SerienNr eingegeben, und dann als Resultat Baujahr 1990. Seltsam?! Nur 10 Jahre?!

Also ab damit zum befreundeten Gitarrenbauer und dann das ernüchternde Urteil. Die Gitarre war mal hochglanzlackiert (wie praktisch alle Martins), der Lack wurde jedoch reichlich laienhaft mit Benzinlauge runtergeholt worunter z.t. das Binding aber zum Glück keine Leimfugen gelitten haben. Anschliessend mindestens so Laienhaft mit Schellack wieder "eingeschmiert". Wähhk...!!!

Bevor sich jetzt die gesamte community hier über den "Schwachkopf" aufregt der das ganze verbrochen hat; der Mensch macht seit über 20 Jahren professionel Musik, hat regelmässige und gut besuchte Tourneen und rund 10 CD's auf dem schweizer Markt, die sich ganz leidlich verkaufen. Das soll kein Freibrief für das Verhunzen von Gitarren sein, aber man muss ihm zugestehen, dass er als arbeitender Musiker mit seinen Klampfen machen darf war er für richtig hält. Ausserdem ist ein sehr netter Zeitgenosse.

Zusammen mit dem Gitarrenbauer haben wir dann die folgende Vorgehensweise beschlossen, d.h. eigentlich hat er beschlossen und ich hab artig und dankbar genickt.

Erstens abschleifen, zweitens ausbessern, drittens mit Hartöl versiegeln. Das ganze schreibt sich so locker, sollte mich allerdings in der Folge die letzten drei Wochen beschäftigen.

Abschleifen:
Erstmal alles abschrauben was nicht drangehört, Mechaniken, Gurtknöpfe etc. Anschliessend IN HOLZFASERRICHTUNG zuerst mit 120'er, dann immer feiner bis und mit 600'er den ganzen Siff runterholen. Vorsicht bei der Fichtendecke, beim Schleifen öffnet man die Zellstruktur, daher nicht zuviel Druck sonst verliert das Holz an Substanz. Für schwer zugänglich Orte wie Hals/Korpus-übergang empfiehlt sich ein Trick: Schmale Streifen Schleifpapier zwischen Holz und Daumen einklemmen und dann unter dem Daumen durchziehen. Man vermeidet dadurch Schleifspuren und kommt auch in die Ecken rein. Oder ganz kleine Schleifblöcke aus Plexiglas, z.b. für die Kante beim Steg/Korpus-übergang.

Wenn die ersten groben Schichten runter sind sieht man auch die Stellen besser die auszubessern sind. Bei mir waren das div. kleinere bis mittlere Löcher die von verschiedenen Gurtpinpositionen stammten. Die Löcher hab ich vorsichtig aufgebohrt und mit einem passenden Dübel verschlossen, anschliessend sauber verschliffen.
Die Sattelkerben waren zu tief. Den Sattel mit einem sauberen Hammerschlag rausgenommen, ein Stückchen Furnier drunter und wieder eingesetzt. Ein zwei Tropfen Weissleim reichen vollkommen, auf KEINEN FALL Zweikomponenten oder Sekundenkleber.
Die Bundierung war noch ok, sie wurde nur wo nötig ein bisschen angeschliffen und poliert.

Zum Schluss nochmal mit Wasser anfeuchten (ich sagte ANFEUCHTEN, nicht ERTRÄNKEN) und trocknen lassen. Einzelne verbliebene Holfzfasern stellen sich dabei auf und lassen sich nun mit Stahlwollen abschleifen. Wenn man anschliessend das Holz mit Reinbenzin abreibt, sieht man beim Abtrocken die letzten Schleifspuren. Auch die lassen sich noch entfernen. Merke; alles was jetzt noch Zutage kommt sieht man auch beim fertig lackierten resp. geölten Objekt.

Eine Superfeine Oberfläche bekommt das ganze wenn man zum Abschluss anstatt Schleifpapier oder Stahlwolle eine Abziehklinge nimmt. Braucht allerdings eine gewisse Übung und eine nagelneue Klinge. Verkannten ist hier absolut verboten. Sehr gut eignet sich ein Klinge für die Übergänge zum Binding, das anschliessend wie neu aussieht

Resultat: eine arschglatte Holzoberfläche die nur darauf wartet das wir sie ......

Ölen:
Ich hab mich für Hartöl entschieden, Schellack ist was für Wahnsinnige (braucht tierisch Übung) und lackieren geht nur mit Spritzkabine und reichlich Fachwissen.

Die Oberfläche sollte absolut sauber und fettfrei sein, daher zuerst das Ganze mit Reinbenzin abwaschen. Das Öl das ich benutzt habe, ist irgend ein sehr harzhaltiges Zeugs dass mein Kumpel aus den Staaten importiert, falls Interesse besteht kann ich mich bei Ihm erkundigen wie es heisst. Es trocknet sehr schnell aus, d.h ich hab immer nur sehr kleine Bereiche mit einem FUSELFREIEN Lappen eingerieben und gleich anschliessend mit einem zweiten trockenen Lappen das Überschüssige wieder entfernt. Die ersten zwei Schichten hab ich jedesmal nach dem Trocknen mit feinster Stahlwatte (0000) und OHNE DRUCK wieder abgeschliffen.

In einem Fachbuch vom amerikanischen Gitarrenbauerverband (oder so) wurde beschrieben wie man bis zu 30 Schichten von dem Zeug aufträgt, zwei pro Tag. Ich habs bei 10 Schichten belassen, eine pro Tag, ich geh schliesslich noch arbeiten.
Der Trick war die richtige Menge Öl pro Arbeitsgang zu erwischen. Zu wenig und es trägt nicht, zuviel und es klebt für die nächsten drei Monate und bekommt glänzende und matte Stellen gleichzeitig.

Irgendwann kommt der Augenblick wo man fertig ist. Resultat ist eine deckende Seidenmattglänzende Oberfläche, ein bisschen wie Schelllack.
Poliert hab ich mit Muskelschmalz und einem Schotischen Wollsocken. Die unbehandelte Wolle von diesen Socken soll sich günstig auf das Hartöl auswirken (kein Witz). Wichtig ist der richtige Zeitpunkt, die Oberfläche sollte trocken sein aber auch noch nicht völlig ausgehärtet. Wenn man zu früh anfängt ribbelt man die Oberfläche wieder auf, zu spät holt man sich Muskelkater ohne wirkliches Resultat.

Jetzt war der Zeitpunkt für Sattelabrichten, den ich ja mit Furnier unterlegt habe, ausserdem wollte ich 012 aufziehen. Als Anhaltspunkt nehm ich für diesen Job einen dünnen flexiblen Malerspachtel aus Blech. Den leg ich auf den Hals und schieb ihn bis direkt an den Sattel. Einerseits schleif und säge ich nicht aus versehen ins Griffbrett, zweitens gibt der mir die ideale Tiefe der Sattelkerben an, nämlich Bundhöhe plus einen halben mm (die Dicke des Spachtel).
Als Gurtpins habe ich mich für Schaller Straplocks entschieden, die hab ich überall drauf.
Ich finde jede Gitarre verdient ihren eigene Gurt, in diesem Fall einer von Levin in Schlangenlederimitation; wenn schon Cowboy-Gitarre dann auch richtig :-)

Tja und wie klingts? Nicht so voluminös wie erwartet, ist halt doch keine Dreadnaught. Sehr schön ist die Balance der einzelnen Saiten. Ausserdem ist sie sehr leicht und dadurch zusammen mit dem eingebauten Pickup eine prima live Gitarre. Die 000-28 ist im Grunde dieses Clapton Sondermodell, nur halt ohne Clapton.

Ok, ich glaub soviel hab ich das ganze letzte Jahr nicht geschrieben. Ich hoffe es ein bisschen Spass gemacht.

Gruss, Manuel



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