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Neu in der AS-Börse: [Biete] Positive Grid -Spark 40 19.5.24

Demnächst: CORDUROY bei Musik am Fluss, Blauer Steg, Frankfurt Rödelheim am Samstag, den 25. Mai 2024, gegen 18:00 Uhr.

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Mein persönliches Waterloo

Tachtach,

eben war es wieder soweit. Ich musste ein Instrument im Shop
antesten. Ich habe gehört, daß manche Leute sowas gerne
machen oder sogar zum Zeitvertreib. Für mich ist es der wahre Horror!
Quasi nackt und schutzlos auf einem Höckerchen, aus der
ungewohnten Froschperspektive auf die Gürtelschnallen der
Umherstehenden - anscheinend GASlos glücklichen Instrumenten-
besitzer - glotzend, von denen zu allem Überfluß der eine
oder andere mit der Kaffeetasse in der Hand auf das arme
Würmchen runterstiert, das da so hilflos das Instrument
seiner zukünftigen Begierde umfingert, während er gerade
mit dem Saiten- oder Plektrumkauf (wie feige!!) beschäftigt ist.
Ahnend, daß ausgerechnet in dieser Stunde die Elite der
regionalen Profimusiker in diesem schäbigen Schuppen - wo doch sonst immer nur die Schülerbands der Quinta an ihrer Libido feilt - versammelt ist, greifen die noch klammen und
eigentartigerweise klebrigen Finger an die störrischen
neuen Saiten und entlocken die ersten Töne. Abgesehen
davon, daß der krötige Verstärker reichlich laut ist
(hätte man DIESEN testen wollen, hätte er garantiert laff
und schlapp geklungen!), will die noch gestern im Proberaum
druckvoll und akzentuierte Cold-Sweat-Basslinie nicht
wirklich gelingen. Um weiteren vermeintlichen Blicken zu
entgehen, widmet sich der Probierende lieber dem Allgemein-
Zustand des Instruments. In diesem Moment fällt einem aber
nicht mehr ein, was man eigentlich untersuchen wollte und
vom Überprüfen auf Deadspots nimmt man dann auch Abstand -
aus purer Angst davor, daß die anwesenden Koryphäen mutmaßen
könnten, daß das chromatische Auf- und Abjagen der Saiten den
höchsten Punkt des Könnens markiert.
Was also tun: Man stellt sichtlich angezickt den Bass in den
Hängeständer zurück (natürlich nicht ohne mit der Kopfplatte
die Rauhfaser zu rasieren, was einem auch nur dann passiert)
und murmelt etwas von: "Nicht übel, aber eigentlich auch nicht
besser als mein jetziger. Ruf mich an, wenn Du was Gutes
reinbekommst" Was selbstverständlich nie passieren wird
(der Anruf).

Wenn also einer von Euch mal von einem ehemaligen Bordell
hört, das jetzt einen Musicshop beherbergt, maile er mich
bitte an.
Wegen der Separees.

Gruss, Ralf


Re: Mein persönliches Waterloo

Hi Felix,
Du mußt jetzt tapfer sein: Die Band Cold Sweat kenn ich nicht.
Bin aber auch (leider) nicht aus dem Emsland.
Ich meinte das Stück "Cold Sweat" von James Brown bzw.
später von Maceo Parker.
Aber mit so einem Namen muss man ja berühmt und reich
werden ;-)

Gruss, Ralf


: : Cold-Sweat-Basslinie
:
: Waswaswaswaswaswaaaas? Cold Sweat? DIE nord-deutschen Cold Sweat? Aus'm Emsland?? Soweit ham' die's doch gebracht??
: Oder doch nicht die?
:
: Sach um Himmels willen bitte bescheid!!
:
: Gruß
: Felix


Re: Mein persönliches Waterloo

Hi Ralf,

: Für mich ist es der wahre Horror!

Hihi, du hasts da sehr schön beschrieben, was ich manchmal auch in solchen Situationen fühle. Aber ich versuch dagegen anzugehen und das kritische Beäugen der Anderen als deren Problem zu sehen. Manchmal sogar mit leidlichem Erfolg...

Keep rockin'
Friedlieb

Wichtig is

(Adi Preißler, Fußballtrainer - in unserer Branche Platz = Bühne, oder Studio ...)

Will sagen - was Du im Musikladen spielst, hat mit dem, was Du unter anderen Bedingungen spielen kannst (und auch spielst, da wette ich drauf), u.U. nichts zu tun. Zählt auch nicht. Höchstens für dich selbst.

Kann ich Dir im übrigen alles gut nachfühlen - bei Gitarristen kommt noch das Höher-Schneller-Weiter-Syndrom dazu - als müssten sie ausgerechnet bei der Gelegenheit mal wieder zeigen, wer den längsten hat. Und wer dann kein Alpha-Gen in sich trägt, hat erst mal Probleme.

Es gibt eben Raub- und Fluchttiere (Hasen z.B.) mit Tarnmechanismen - die bis zur Lähmung führen können, wenn weder Kampf noch Flucht möglich sind oder subjektiv so erscheinen - psychosomatisch gesteuert über Endorphine, körpereigene Opiate - alles blockiert, betäubt, verwirrt, es ist alles plötzlich so gnadenlos LAUT und DIREKT, das Herz klopft, nichts fällt einem mehr ein, die Finger klamm usw ... wie das Kaninchen vor der Schlange (bzw. als Frosch auf dem Seziertisch vor dem Musikladenbesitzer). Unter diesen gibt es auch noch Spezis, die einen ganz freundlich anlächeln und sich innerlich dabei kaputtlachen, weil man so einen Schrott spielt ... aber er will ja etwas verkaufen ... also lächelt er den Kretin an). Und ein einzelner Beobachter kann höllischer sein als ein Mob von 1000 Tanzwütigen vor der Bühne ...

Voyeur meets Exhibitionist mit ausgefahrenen Ellebogen (alle Regler auf 10) oder Schüchternen. Die zweiten sind mir persönlich ja lieber, weil sich hinter der Schüchternheit meist etwas Schützenswertes verbirgt, bei den anderen ist immer gleich alles so offensichtlich und platt, entsprechend uninteressant (für Frauen gilt dasselbe).

Diejenigen, die einen anschauen, sind übrigens oft gar nicht so sehr mit dem Spielenden beschäftigt wie der mit sich selbst (gilt auch für Auftritte) - aber dessen Paranoia erzeugt diesen Eindruck. Die anderen kennen auch nicht unbedingt die Diskrepanz zwischen dem, was Du gerade spielst, und eigentlich spielen KÖNNTEST, das weißt nur Du, also entspannen ... warum in den Hirnen Sterblicher etwas gelten wollen ... ;-)))

So eine Angst und Scheu, sich frei zu bewegen und zu zeigen, kann sinnvoll sein, weil sie einen schützt (wie den Hasen vor dem Fuchs), irgendwann ist sie aber auch neurotisch und verhindernd, wenn man sich gar nicht mehr aus dem Gebüsch traut (bzw. Separée).

Was hilft? Eine Portion fettes Ego mit Größenwahn? Lieber nicht, woher auch nehmen.

Mir hilft es in solchen Situationen (im Musikladen oder auf den Bühnen dieser Welt), die Außenwelt auszublenden - oder besser noch andersrum, positiv: Mich völlig auf mein eigenes Gefühl zu konzentrieren - also auf meinen Ausdruck und nicht auf den Eindruck, den ich möglicherweise machen könnte, also mich als Ego zu vergessen, mich selbst dafür wichtiger zu nehmen. Und zum Testen muß ich nicht virtuos spielen, da reichen oft drei Akkorde oder was Einfaches. Sollen die anderen doch denken was sie wollen, ich weiß es besser ...

Und - vielleicht immer wieder hingehen, genau das tun, wovor man Angst hat, bis es erträglich oder normal wird (meine zweite Musikladen-Phobie hat damit zu tun, mich schuldig zu fühlen, nichts gekauft zu haben - aber ich arbeite daran, auch in solchen Fällen den Laden entspannt zu verlassen ...). Ansonsten .. der einzige mir bekannte Musikladen mit Separées ist "Art of Sound" in Kölle am Rhing. Aber selbst das schützt einen nicht vor der Paranoia, 100%ig schalldicht ist so was auch nicht, irgendwann muß man raus wie aus der Peep-Show-Zelle, und alle wissen: DU WARST DAS ALSO. Besser am eigenen Problem arbeiten als nach den optimalen Bedingungen suchen (ach ja, Mail-Order gibt´s noch - da hört zuhause nur der Nachbar mit).

Zwischen Exhibitionisten und Revierängstlern gibt es übrigens auch noch Leute, die offensichtlich wenig Probleme damit haben, in der Öffentlichkeit "in sich zu ruhen". Vor kurzem begegnete mir einmal so ein Mittvierziger - mit Aktentasche, Scheitel links, wie das Klischee eines Postbeamten mit Weste und Ärmelschonern, Brille auch.

Und der ging zu dem langhaarigen Verkäufer (VoKuHiLa-Frisur, Röhrenjeans, Stiefel etc., Schilddrüsenüberfunktion, Abteilung Speed-Metal) und meinte ganz trocken, er spiele schon länger einen Marshall DSL und suche was Heißeres - innerlich war ich schon gespannt (der VoKuHiLa eher nicht), was so einer damit anfangen würde, aber hallo - der stellte seine Aktentasche ab, stöpselte in einen 5150 ein und spielte einfach vor sich hin, ganz in sich selbst versunken, souverän, mit einem natürlichen "Selbstberechtigungsgefühl", ohne auf Publikum zu achten, weder zu laut noch zu leise, und SAUGUT! Wer hätte das gedacht. Beneidenswert, aber Neid ist sowieso Blödsinn bzw. sinnlos.

Cheers, Harvey

p.s.: Wenn Du noch weißt, was ein Quintaner ist, bist Du entweder nicht mehr ganz jung oder in einem katholischen Internat aufgewachsen ... mußt Du aber nicht verraten, als Hase ...

NP: Waterloo (Black Sweden)



Re: Wichtig is

eigentlich hatte ich keine Zeit zu lesen...aber ich hab mich "festgebissen" an deinem Text...bis meine Kollegen mich antippten und mir sagten, daß mein Telefon bimmelt ;-)

Klasse, wie du das beschreibst. Ich hab auch immernoch so meine Probleme, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Dieses Lampenfieber...das klopfen meines Herzens bis zum Hals...die Angst, das alles was man sagen wollte fort ist...man in ein schwarzes Loch fällt...usw.
Ich helfe mir immer damit, auf dieses Gefühl nicht zu achten...dieses Gefühl nicht zu stark werden lassen, damit es einen nicht übermannt...einfach locker bleiben.
Hoffentlich hilft es mir morgen, da muß ich wiedermal eine Schulung durchführen.

Wie helft ihr euch in diesen Situationen liebe Aussensaiterinnen und Aussensaiter? :-)

hzl. Saidy

Re: Wichtig is

Wie helft ihr euch in diesen Situationen liebe Aussensaiterinnen und Aussensaiter? :

Manchmal, aber mit zunehmendem Alter seltener (die Mittvierzig sind nicht mehr soo weit wech) beschleicht mich vor "Präsentationssituationen" auf der Bühne oder sonstwo auch ein gewisses Unwohlsein.
Vor anstehenden Gigs (so häufig sind die nicht), erinnere ich mich immer an vergangene Prüfungen, Podiumsdiskussionen, Konzerte, Blues-Jams und Aussensaiter-Sessions (was entgegen anderslautender Gerüchte doch nicht ganz dasselbe ist), die nach Überwindung der Beklommenheit dann doch immer gut gelaufen sind. Natürlich war nicht alles top, aber wer ist schon perfekt?
Die Zuhörer sicherlich auch nicht, die sind nämlich gekommen um etwas von Dir zu hören, was sie in der Regel nicht so gut kennen oder können. Es wird schon nicht Eric Clapton im Auditorium sitzen und wenn doch: Kann der etwa >i Triangel-Solo aus dem Ärmel schütteln? Nee, kanner nich...

Keep triangling,

Juergen

Re: Wichtig is

Hi Saidy,

: eigentlich hatte ich keine Zeit zu lesen...aber ich hab mich "festgebissen"

ging mir ähnlich. Eigentlich fast immer, wenn Dr. Harvey Freud uns mit in die Tiefen der menschlichen Seele nimmt. :-)

: Hoffentlich hilft es mir morgen, da muß ich wiedermal eine Schulung durchführen.

Dann mal gut schul!

: Wie helft ihr euch in diesen Situationen liebe Aussensaiterinnen und Aussensaiter? :-)

Ich kann mich noch gut an meine erste Schulung erinnern. Ich war im dritten Semester oder so, umd ein Kumpel hatte mich gefragt, ob ich nicht seine Nachfolge für einen VHS-Kurs "Textverarbeitung mit Word" (für DOS) antreten wollte. Nun, "ich war jung und brauchte das Geld" und so hab ich dann zugesagt. Ich hatte zwar vorher schonmal mit Leuten zusammengehockt, die weniger davon wußten als ich und hatte ihnen was erklärt, aber noch nie vor einer solch großen Menschenansammlung als Mittelpunkt gesprochen (außer in der Schule vor der Klasse oder im Studium, aber da ist man ja einer unter Gleichen).

Mann, war ich aufgeregt. Am Tag vorher hab ich überlegt, was mir alles zustoßen könnte, um der Schulung zu entgehen. Ob ich mir vielleicht einen Arm brechen könnte oder sowas - bloß um da nicht hingehen zu müssen. Schließlich bin ich dann super-nervös und viel zu früh da aufgeschlagen, hab mir da so das feindliche Volk angesehen, hab mir schließlich einen Ruck gegeben und hab den Kampf aufgenommen, und mit zittriger Stimme losgelegt.

Aber schon im Verlauf des ersten Abends bin ich immer ruhiger geworden. Die Leute waren auch aufgeregt, ich wußte ein paar Sachen, konnte viele der Fragen beantworten und es lief halt. In den folgenden Wochen (der Kurs ging über ein Vierteljahr, immer Dienstag abends) hab ich mir Konzepte zurechtgelegt, wie man bestimmte Dinge anschaulich erklärt, hab immer mehr versucht, mich in die Köpfe der Leute reinzuversetzen und vier Millionen pädagogische Fehler gemacht - wobei ich aber immer versucht habe, daraus zu lernen und jeden Fehler nur einmal zu machen.

Und was soll ich Dir sagen, die mir gelegentlich unterstellte Eigenschaft, bestimmte Sachverhalte anschaulich erklären zu können, wurzelt in dieser Zeit. Ich hab immer weniger Angst vor Schulungen gehabt, hab ein paar Jahre lang solche Kurse gegeben, dann auch mal 2 Jahre lang abends an so ner Abend-Fachschule angehende IHK-Wirtschaftsinformatiker unterrichtet, Software-Engineering sowie Unix und C, und all das klappte immer besser.

Die Aufregung bin ich losgeworden, weil ich mich auf die Aufgabe konzentriert habe, ich habe immer versucht, um das Begreifen der Leute zu kämpfen, um jeden Einzelnen, und das zu transferierende Wissen jeweils in die Köpfe zu kriegen. Und damit ist mein Gehirn regelmäßig auch heute noch so ausgelastet, daß keine Zeit bleibt, um an die Aufregung zu denken. Außerdem kommt natürlich die Routine dazu, das Ruheposter des fundierten Fachwissens. Dabei muß man nicht alles wissen, aber ein bißchen aus dem Vollen schöpfen kann nicht schaden.

Irgendwann macht das dann überhaupt nix mehr, vor einer größeren Menschenansammlung das Maul aufzutun. Genieß einfach die Vorstellung, im Mittelpunkt zu stehen, für einen Moment die Gestalt zu sein, zu der alle aufschauen. Und verwende das dabei entstehende Adrenalin zur Betäubung Deiner Angst.

Die ersten Erfahrungen als Volkshochschul-Word-Onkel waren also in gewisser Weise Gold wert für mich, und im Nachhinein war es doch gut so, daß ich mir nicht ein Bein gebrochen habe vor dem ersten Mal.

Noch ein paar Tipps:

- Sei ganz Du selbst. Sei ehrlich, versuch nicht, den Leute irgendwas vorzumachen. Locker bleiben. Niemand wird Dir den Kopf abreißen. Je ehrlicher Du auftrittst, um so symphatischer kommst Du bei den Leuten an.

- Wenn Du was nicht weißt, steh dazu. Niemand kann alles wissen. Die Leute verzeihen Wissenslücken innerhalb von Millisekunden, werden sich aber noch wochenlang an Situationen erinnern, in denen der Dozent verzweifelt versucht hat, sein Unwissen irgendwie zu verbergen.

- Bereite Dich fachlich vor. Überleg Dir, welche Probleme Du selbst hattest, als Du zum erstenmal mit dem Thema konfrontiert wurdest (auch wenn es schon ein paar Jahre her ist) und versuch Dir vorzustellen, welche Hürden die Teilnehmer zu überspringen haben werden.

- Pirsch Dich an. Fall nicht gleich mit der vollständigen Information ins Haus. Es ist leichter, zuerst ein grob vereinfachtes Bild in die Köpfe zu kriegen und erst später mit der ganzen Wahrheit rauszurücken ("in Wirklichkeit ist nämlich alles gaaanz anders") als die ganze Komplexität des Themas im ersten Anlauf vermitteln zu wollen.

- Erlaube Dir kurze, witzige Anmerkungen, wenn es Dir passend erscheint. Humor ist der Schlüssel zur Seele des Menschen, hat Mark Twain glaub ich gesagt. Merk Dir möglichst die Namen und sprich die Leute damit an. Das erfreut sie und macht sie offen für das, was Du sagst. Der Name ist der Schlüssel zur Seele des Menschen, hat auch Mark Twain gesagt, glaub ich. Bring die Leute auf Deine Seite, knack sie, zeig ihnen, daß Du auch ein Mensch bist. Um so leichter bekommst Du die Informationen in sie rein.

- Denk einfach dran, daß 400 Aussensaiter jetzt an Dich denken und schöpfe aus diesem Quell der Psycho-Power. :-)

Keep rockin'
Friedlieb

Kribbel krabbel...

Aufregung - Panik - Lampenfieber?

Am besten ist wohl austreichend zu trainieren (=Üben), weil dann kann man das was man vortragen will aus dem FF - und das hilft doch sehr.

Für Musikgeschäfte gilt der einfache Trick, nur das zu spielen, was man schon gut kann und nicht den neuesten Lick zu üben, den man gerade aus dem Harmanoy Central geholt hat.
Außer es läuft gut, dann sollte man schon probieren, ob das Neue eventuell auf der Gitarre/Amp/Effekt... die man gerade anschmachtet vielleicht besser geht - weil manchmal behindert einen ungeeignete Equipage auch sehr.

Und Selbstvertrauen!!!! Zuschauer sind meist immer dabei, wenn man Musik macht. Dazu machen wir sie ja. Odrrrrr.

GruSS CB

Re: Wichtig is

Hi Harvey,

: Und ein einzelner Beobachter kann höllischer sein als ein Mob von 1000 Tanzwütigen vor der Bühne ...

Stimmt: auf der Bühne habe ich solche Probleme überhaupt nicht. Ich glaube, die Situation und das Fehlen der Mitspieler ist da entscheidend.
:
: Mir hilft es in solchen Situationen (im Musikladen oder auf den Bühnen dieser Welt), die Außenwelt auszublenden - oder besser noch andersrum, positiv: Mich völlig auf mein eigenes Gefühl zu konzentrieren - also auf meinen Ausdruck und nicht auf den Eindruck, den ich möglicherweise machen könnte, also mich als Ego zu vergessen, mich selbst dafür wichtiger zu nehmen. Und zum Testen muß ich nicht virtuos spielen, da reichen oft drei Akkorde oder was Einfaches. Sollen die anderen doch denken was sie wollen, ich weiß es besser ...

Ja, eine gewisse "Arsch geleckt"-Einstellung müßte ich mir
wirklich mal zulegen.
:
: Und - vielleicht immer wieder hingehen, genau das tun, wovor man Angst hat, bis es erträglich oder normal wird (meine zweite Musikladen-Phobie hat damit zu tun, mich schuldig zu fühlen, nichts gekauft zu haben - aber ich arbeite daran, auch in solchen Fällen den Laden entspannt zu verlassen ...)

Ansatzweise, nur bei wirklich kompetenter und intensiver, netter Beratung. Aber ein paar Saiten und Kabel kann man
ja immer gebrauchen...
:
: Zwischen Exhibitionisten und Revierängstlern gibt es übrigens auch noch Leute, die offensichtlich wenig Probleme damit haben, in der Öffentlichkeit "in sich zu ruhen". Vor kurzem begegnete mir einmal so ein Mittvierziger - mit Aktentasche, Scheitel links, wie das Klischee eines Postbeamten mit Weste und Ärmelschonern, Brille auch.
:
Nette Story, habe ich ähnlich auch mal erlebt.
Vor tausend Jahren hat mal Charly Antolini eine Sonor-Show
in einem Musikladen durchgeführt. War reichlich gut und zum
Abschluß ist er mit der Snare bewaffnet nach vorne gekommen
und hat eine 5-minütige Mühle durchgezogen, die ungefähr
bei 350 bpm endete. Das Publikum - überwiegend bestehend aus
coolen, kräftigen Nietengürtel-Drummern brach in Begeisterungs-
stürme aus, bis C.A. sagte, er hätte sich leider 2x verspielt
und sich ein dürres hutzeliges Männchen mit schütterem Fell auf dem Haupt meldete und sagte: "Jaaaa, im 245sten und 381sten Takt warst Du kurz draußen..." Das mußte ca. bei
250 bpms gewesen sein. Westernsaloon-Situation als Charly nickte.

:
: Cheers, Harvey

Auch cheers, Ralf
:
: p.s.: Wenn Du noch weißt, was ein Quintaner ist, bist Du entweder nicht mehr ganz jung oder in einem katholischen Internat aufgewachsen ... mußt Du aber nicht verraten, als Hase ...
:
Katholisches Internet mitnichten, humanistisches Jungengymnasium. Baujahr 63.
Chinesisches Sternzeichen: Na? Hase!


Re: Wichtig is

Hi Harvey,

ja, es ist wirklich so, man lauert schon auf Beiträge von Harvey, um mal wieder etwas über die eigene Psyche zu erfahren.

Im Grunde beruhen alle der beschriebenen Ängste doch darauf, dass man vermutet, alle anderen sind VIEL besser als man selbst bzw. sie würden erwarten, man wäre besser oder ebenbürtig.
Und ich denke, die eigenen Mutmaßungen haben nix mit dem zu tun, was wirklich in den Köpfen der andren vorgeht. Wer hat denn schon im Laden ein Schild umhängen, auf dem steht: Ich spiele schon seit 10 Jahren Gitarre!
Vielleicht denken die ja auch: Nicht schlecht fürn Anfang (ohne Herablassung).

: Es gibt eben Raub- und Fluchttiere (Hasen z.B.) mit Tarnmechanismen - die bis zur Lähmung führen können,

Das Opossum kann sich ja vollendet totstellen - allerdings ist diese Technik beim Gitarrentesten recht ungeeignet ;-)
Ansonsten kann ich mich noch sehr gut dran erinnern, wie ich früher bei etwas größeren Langstreckenläufen die Sache überstand, indem ich mir die ganze Zeit überlegte, wie ich glaubhaft ne Verletzung vortäuschen kann, um aufgeben zu können ;-) Auf die Art und Weise bin ich immer durchs Ziel gekommen.

:oder Schüchternen. Die zweiten sind mir persönlich ja lieber, weil sich hinter der Schüchternheit meist etwas Schützenswertes verbirgt, bei den anderen ist immer gleich alles so offensichtlich...

Das ist doch dann auch n guter Trick, mit solchen Situationen, wie Saidy sie beschrieb, klarzukommen -
wenn man von vornherein klar macht, dass man eben auch nicht allwissend ist und gerne den Rat der anderen annimmt, eigentlich so tut als würde man das alles zum ersten Mal machen - dann können die doch nur positiv überrascht sein.
(Übrigens muß ich das auch noch üben - hab mir vor nicht all zu langer Zeit die Leitung eines Workshops entgehen lassen, weil mir alleine von der Vorstellung, einer Truppe noch nie gesehener, wissbegieriger Leute was zu erzählen, schlecht wurde.)

: Was hilft? Eine Portion fettes Ego mit Größenwahn?

Wie wärs mit ner gesunden Portion Ego ohne Größenwahn? :-)

:Beneidenswert, aber Neid ist sowieso Blödsinn bzw. sinnlos.

Nein, ich glaube nicht. Neid in Maßen! soll sehr produktiv wirken.

Habe ich hier jetzt was Neues gesagt? Nein!
Wie auch, wenn Harvey schon dran war :-)))

Trotzdem: selbstbewußte Grüße :-)

Carline

Re: Wichtig is

schon wieder festgebissen *schmunzel*


: Mann, war ich aufgeregt. Am Tag vorher hab ich überlegt, :was mir alles zustoßen könnte, um der Schulung zu entgehen. :Ob ich mir vielleicht einen Arm brechen könnte oder sowas - :bloß um da nicht hingehen zu müssen.

Friedlieb, das kann ich voll nachvollziehen...mir ging es so, als ich meine erste Anfrage vor dem Abgeordnetenhaus meiner Heimatstadt stellte... und spürte, wie die Presse, das Fernsehen und der Rundfunk auf mich schauten...oh Gott war ich aufgeregt...ich hab mir auch vorher sonstwas für Ausreden ausgedacht...bin aber dann doch vors Mikro...glaub mir, ich konnte danach eine halbe Stunde keinen Buchstaben schreiben, weil ich so gezittert habe :-)


:
: Irgendwann macht das dann überhaupt nix mehr, vor einer :größeren Menschenansammlung das Maul aufzutun. Genieß :einfach die Vorstellung, im Mittelpunkt zu stehen, für :einen Moment die Gestalt zu sein, zu der alle aufschauen. :Und verwende das dabei entstehende Adrenalin zur Betäubung :Deiner Angst.

schöner Satz!


: - Sei ganz Du selbst. Sei ehrlich, versuch nicht, den :Leute irgendwas vorzumachen. Locker bleiben. Niemand wird :Dir den Kopf abreißen. Je ehrlicher Du auftrittst, um so :symphatischer kommst Du bei den Leuten an.

Schulungen geben ist für mich nicht neu...diesmal bin ich so aufgeregt, weil ich mich nicht genug vorbereitet habe. Ich hab einfach Schiß :-)
Dabei bin ich selbst dran Schuld an dieser Situation. Ich wurde vor etlichen Wochen von meinem Auftraggeber gebeten, doch mal wieder eine Schulung zu machen. Ok sagte ich nach langem betteln meines Chefs. Damit er Ruhe gab, hab ich mir ein Pille Palle Thema ausgedacht (Telefontraining) und ihm damals den morgigen Termin angegeben. Ich rechnete aber mit keiner Silbe damit, daß sich Irgendjemand dafür interessiert! Die Leute, für die diese Schulung sein soll, sind alle in der IT-Branche selbstständig tätig und haben keine Zeit, ihre Freizeit für so ein billiges Thema zu opfern....dachte ich!
Nun rief mich gestern die Frau meines Chefs an und fragte ob ich diese Schulung machen werde...sie würde gern dran teilnehmen. Da fiel mir wieder dieser Termin ein :-(
und es stellte sich bei einer Nachfrage heraus, das sich etliche Leute angemeldet haben. Mir klappte die Kinnlade runter...ich war baff. Ich dachte, was für Erwartung haben die Leute von diesem Kurs usw.
Nur gut, das ich dieses Training hier in Berlin schon mal gegeben habe vor einem Jahr und die Unterlagen dazu noch auf meinem Rechner liegen. Hach...manchmal ist es gut zu faul zu sein, die Festplatte zu putzen :-)
Nachher fahr ich heim und dann gehts an die Vorbereitung.
Ich bin zwar aufgeregt, aber freuen tu ich mich auch :-)


: - Pirsch Dich an.

Mach ich...10.00 Uhr fängt die Pirsch in Dresden an...:-)

:
: - Erlaube Dir kurze, witzige Anmerkungen, wenn es Dir passend erscheint. Humor ist der Schlüssel zur Seele des Menschen, hat Mark Twain glaub ich gesagt. Merk Dir möglichst die Namen und sprich die Leute damit an. Das erfreut sie und macht sie offen für das, was Du sagst. Der Name ist der Schlüssel zur Seele des Menschen, hat auch Mark Twain gesagt, glaub ich. Bring die Leute auf Deine Seite, knack sie, zeig ihnen, daß Du auch ein Mensch bist. Um so leichter bekommst Du die Informationen in sie rein.


das ist ganz wichtig...dieses Thema nimmt einen ganz großen Teil meiner Schulung ein!

:
: - Denk einfach dran, daß 400 Aussensaiter jetzt an Dich denken und schöpfe aus diesem Quell der Psycho-Power. :-)

Oh, das werde ich :-)
Danke für deine aufbauenden Worte!

schönes Wochenende
hzl. Saidy




The Flow ...

Die Kampf-/Flucht-/Totstell-Reaktion gibt es ja im Tierreich genau so wie bei uns - nur werden die physiologischen Mechanismen beim Menschen eben - zivilisatorisch verkleidet - auch durch soziale Mechanismen aktiviert. In einer subjektiv als bedrohlich empfundenen Situation wird u.a. Adrenalin ausgeschüttet, das den Organismus in Alarmbereitschaft versetzt - schnellerer Puls, höherer Blutdruck, der Sympathikus wird aktiviert (der Teil des autonomen Nervensystems, der für die "Aktivitätsfunktionen" zuständig ist) , und parallel wird alles, was in Ruhe abläuft (gesteuert über den Vagus, z.B. die Verdauung) stillgelegt.

Wenn diese körperliche Erregung dann nicht abreagiert werden kann, die Energie sozusagen nicht adäquat "verbraucht" und in Aktion umgesetzt wird, entsteht eben diese innere Erregung (analog dem Kaninchen vor der Schlange, das jede Sekunde mit dem tödlichen Biß rechnet), die sich bis zu totalen Panikattacken mit Herzjagen, Todesangst, Übelkeit usw. steigern kann - manche fallen auch in Ohnmacht, um durch Ausschalten des Bewusstseins der Situation zu entgehen.

Im Tierreich gibt es ja u.a. Raub- , Herden- und Beutetiere, und beim Menschen schon auch entsprechende Naturelle (hat meist mit Vorerfahrungen in der intra-uterinen Zeit zu tun), natürlich differenzierter. Und wenn Du jetzt Angst vor einer Menschenmenge hast, vor der Du frei sprechen mußt (keine Flucht möglich, zumindest keine sozial so leicht abkzeptierte), läuft physiologisch eben das beschriebene Muster ab - und dann ist der Kopf nicht mehr frei, weil Dich das Stammhirn und die entsprechenden alten Instinkte hormonell und über das Nervensystem "im Griff" haben. Du bist sozusagen "außer Dir" oder völlig reduziert auf ein Nervenbündel.

Andererseits gibt es ja auch die Zustände, über die z.B. der Psychologe Csikszentmihalyi geforscht hat und die er mit "Flow" bezeichnet - dem "Fließen", wo man völlig selbstvergessen, ohne an Raum und Zeit zu denken, in einer Tätigkeit so vollständig aufgeht, daß man völlig glücklich und "eins" mit diesem Tun wird - egal ob beim Sprechen, Musikmachen, Malen, Schreiben, Bügeln, Kloputzen, Motorradreparieren, Meditieren, Programmieren, Sex, oder was auch immer. Schon ein kurzer Gedanke wie "Oh wie toll ich doch, was ich da gerade mache" kann einen sofort aus diesem Fließen wieder herausholen - d.h. in dem Zustand sind Subjekt und Objekt, der Tätige und das Tun eins - alles fließt mühelos. Und obwohl man dabei sozusagen "ich-vergessen" ist, hat man die Situation meisterhaft unter Kontrolle, und die Reaktionen auf die Anforderungen der Aufgabe sind optimal, reibungslos und angemessen. Die reine Freude am Tun selbst. Der Beifall kommt später - oder auch nicht, was einem dann schon nicht mehr so wichtig ist.

Kennt jeder, bestimmt, Du auch. Musiker haben das, wenn "es" aus oder in ihnen spielt, nicht mehr der Fritz Müller-Sowieso an der Oberfläche, und das meine ich mit "das Ego vergessen".

Nur- wie kommt man in diesen Zustand?

Friedlieb hat es ja schon beschrieben - Konzentration auf die "Sache" bzw. das Tun, d.h. sich nicht selbst beobachten, sondern der Tätigkeit selbstvergessen hingeben, in diesem Sinne "sich nicht wichtig nehmen".

Ein bisschen Druck ist eigentlich gar nicht schlecht - so wie beim Sprinter, der eine gewisse Erregung braucht, um die Leistung zu bringen. Zu viel Erregung lähmt, zu wenig ist Langeweile, man fühlt sich nicht gefordert. .


Die Situation entkrampfen - bei solchen Schulungen wollen ja die Leute was von Dir lernen, die kommen nicht, um Dich zu schlachten. Wenn Du nervös bist und Dich unter Druck fühlst, kannst Du das denen ja z.B. einfach so sagen - vielleicht mit Humor - das wird die Situation entkrampfen. Wenn Du ganz offen und menschlich bist, öffnen sich die anderen auch - es sei denn, da sitzen nur völlig "coole" Linkashirnakrobaten - und denen gegenüber darfst Du Dich dann zur Belohnung auch überlegen fühlen, wenn sie Dir einen Korb geben und Dich abfahren lassen - denn Du hast immerhin etwas seelisch gewagt und sie nicht.

Den Druck machst Du Dir ja im übrigen nur selbst - die anderen sind eher gespannt auf Dich und freuen sich, Dich zu sehen.

Du hast das ja auch schon öfter gemacht - und es hat doch geklappt, oder? Es wird wieder klappen, jedes Mal besser.

Wenn man es auf eine ganz einfache Formel reduzieren will, steckt hinter dem Lampenfieber (dem von der lähmenden Sorte) immer irgendeine Art von Angst vor Liebesentzug oder dem Alleingelassenwerden, letztlich vor dem Sterben.

Tja, und im Anfangsbeispiel von der verklemmten Situation im Musikladen ist es im Prinzip dasselbe - im fremden Revier bei jemandem, der einen bewertet (oder von dem man meint , daß er es tut), als hinge davon das Leben ab.

Beim nächsten Mal, wenn ich bei so was nicht gut drauf bin, halte ich da mal einen kleinen Vortrag über die Hypophyse, zur Entspannung meiner selbst und zur Verwunderung der Beteiligten ... oder die kapieren gar nix und sagen nur: "Shut up´n play!", womit sie dann auch wieder recht hätten, darum geht´s ja im Endeffekt ;-))).

Du kannst das !

Alles Gute, Harvey


Re: Mein persönliches Waterloo

Tja, so ein persönliches Waterloo hatte ich auch mal:

Ich sitze im Session Musik in Waldorf und teste 'nen Mesa Boogie an.
Als ich nach einiger Zeit beseelten Spiels wieder nach oben schaue, sehe ich dass hinter mir Luther Allison steht und zuhört. Ein weiterer Blick zeigt mir, dass die komplette Luther Allison Band im Laden versammelt ist, wohl um das Equipment für den Abend zusammenzusuchen (ist das üblich?).
Ihr glaubt gar nicht, wie schnell ich fertig war mit testen...!
Ich hab dann Luther aus gebührendem Abstand noch eine halbe Stunde beim "Fendertesten" zugehört und mich dann getrollt.

Nächstes mal setze ich mich mit dem Gesicht zur Tür ;-)

Gruß

Karsten

Re: The Flow ... kann gefährlich sein

: Andererseits gibt es ja auch die Zustände, über die z.B. der Psychologe Csikszentmihalyi geforscht hat und die er mit "Flow" bezeichnet - dem "Fließen", wo man völlig selbstvergessen, ohne an Raum und Zeit zu denken, in einer Tätigkeit so vollständig aufgeht, daß man völlig glücklich und "eins" mit diesem Tun wird - egal ob beim Sprechen, Musikmachen, Malen, Schreiben, Bügeln, Kloputzen, Motorradreparieren, Meditieren, Programmieren, Sex, oder was auch immer. Schon ein kurzer Gedanke wie "Oh wie toll ich doch, was ich da gerade mache" kann einen sofort aus diesem Fließen wieder herausholen - d.h. in dem Zustand sind Subjekt und Objekt, der Tätige und das Tun eins - alles fließt mühelos. Und obwohl man dabei sozusagen "ich-vergessen" ist, hat man die Situation meisterhaft unter Kontrolle, und die Reaktionen auf die Anforderungen der Aufgabe sind optimal, reibungslos und angemessen. Die reine Freude am Tun selbst. Der Beifall kommt später - oder auch nicht, was einem dann schon nicht mehr so wichtig ist.
:
: Kennt jeder, bestimmt, Du auch. Musiker haben das, wenn "es" aus oder in ihnen spielt, nicht mehr der Fritz Müller-Sowieso an der Oberfläche, und das meine ich mit "das Ego vergessen".

Ich habe mal einen Bericht über den "Flow" im Zusammenhang
mit Motorradfahren gelesen. Dort ging es aber auch um die
Gefahren des Flows. Dadurch, daß Dein Über-Ich Deine Geschicke
lenkt und Du Dich selbst in einer Art Rauschzustand befindest,
lassen Deine Kontrollfunktionen und Gefahrsensoren nach.
Übersetzt ins Musizieren würde das ja heißen, daß Deine
Finger wie irrsinnig über Brett gleiten und Du gar nicht
merkst, daß Deine Band schon dreimal den Schlußakkord
einleiten wollte.


Gruss, Ralf

Meiner nicht ;-))

Ich meine keinen ekstatischen Rauschzustand, bei dem Du Die Kontrolle verlierst.

Es gibt ja z.B. beim Langstreckenlaufen nach einiger Zeit - so etwa nach 50 Minuten, hängt vom Trainingszustand ab - einen deutlichen Endorphinschub - man spürt Schmerzen nicht mehr so, meint "zu fliegen", die Bewegungsabläufe erscheinen reibungslos, die Atmung beruhigt sich, alles bewegt sich in Harmonie, ohne großen Kraftaufwand.

Wenn man das forciert, kann man damit eine Zeit lang auch über die normale Belastungsgrenze gehen, was sich irgendwann rächt, weil der Akku leer ist. Aus dem Grund verausgaben sich z.B. erfahrene Tour-de-France-Fahrer an den Tagen, wo sie meinen, Bäume ausreißen zu können, nie völlig - der Endorphinschub macht eine Zeit lang euphorisch und unempfindlich gegen die wahren Leistungsgrenzen.

Was Du da beim Motorradfahren beschreibst, hört sich für mich auch eher nach Rauschzustand an als totaler Einheit von Mensch und Maschine - nach einem Adrenalin-Kick, vielleicht durch die Kombination von Krach, Tempo und Todesnähe.

Das meine ich aber nicht mit dem "Flow", sondern einen Zustand, bei dem man ohne störende Emotionen (etwa Angst, Wut) oder Gedanken (über Vergangenheit oder Zukünftiges) völlig eins mit seiner Tätigkeit in der Gegenwart ist, wo alles reibungslos und mit minimalem Energieaufwand schwingt, wie automatisiert. Beim Gitarrespielen z.B. wäre das ein Spiel ohne Verkrampfung, wo man nicht "kämpft", wo die Melodien einfach so fließen, als wäre das Instrument ein Teil des Körpers selbst, wo man sich dem jeweiligen Moment mit dem ganzen Gefühl hingibt, ohne z.B. an die schwierige Stelle in Takt 38 zu denken, die man erst gestern vermasselt hat ... und prompt gleich wieder ... ;-)))

Und das gibt´s auch beim Musikmachen in einer Band - wo man plötzlich das Gefühl hat, daß die Beteiligten "zu einem Organismus" werden, alles groovt. Dabei nimmt man sich selbst aber genauso wahr wie die anderen, das ist ein hellwacher Zustand. Der Gitarrist, der von seinen Bandkumpels nichts mehr mitkriegt, der ist eher so in seinem privaten Hormonrausch gefangen, würde ich sagen (das geht auch mit einer halben Flasche Whisk(e)y).

Cheers, Harvey











Re: Meiner könnte... :-(

: Was Du da beim Motorradfahren beschreibst, hört sich für mich auch eher nach Rauschzustand an als totaler Einheit von Mensch und Maschine - nach einem Adrenalin-Kick, vielleicht durch die Kombination von Krach, Tempo und Todesnähe.
:
Kick nicht, es ging genau darum: Einheit von Mensch und
Maschine. Richtig drin sein, nicht draufsitzen.
Ist genauso beim guten Reitern zu beobachten.
Nur das dieser Flow im Straßenverkehr eben auch eine
Beschränkung der objektiven Wahrnehmung von Gefahr
in sich trägt. Das heißt zum Beispiel: Es läuft alles
irrsinnig gut, Du fährst auf einer Paßstraße und
schwebst nur so durch die Kurven. Muß nicht mal rasant
sein. Nur daß sich irgendwann Dein Gespür dafür verabschiedet,
daß hinter der nächsten Kurve ein überbreiter Holztransporter
tuckern könnte.
Aber glücklicherweise gibts sowas ja auf der Bühne
und im Proberaum nicht :-)

Schönes Wochenende,
Ralf

Re: Meiner nicht ;-))

Hi Harvey,

: Das meine ich aber nicht mit dem "Flow", sondern einen Zustand, bei dem man ohne störende Emotionen (etwa Angst, Wut) oder Gedanken (über Vergangenheit oder Zukünftiges) völlig eins mit seiner Tätigkeit in der Gegenwart ist, wo alles reibungslos und mit minimalem Energieaufwand schwingt, wie automatisiert.

Diesen Zustand des Fließens kenne ich vom Programmieren. Und ich habe es faszinierenderweise schon fließen genannt, bevor ich heute morgen aus Deinem Posting den unaussprechlichen Namen des klugen Herrn erfahren habe, der diesen Zustand so trefflich erforscht hat.

Und in diesem Zustand ist man ungefähr 400% produktiver, bloß daß man dann halt irgendwann auf die Uhr guckt und es ist sehr sehr viel später als man dachte...

Keep flowing
Fließlieb (Csikszentmihalyi-Wochen)

Re: Mein persönliches Waterloo

:
: Und..., hat er dich für den Abend engagiert? :-)
:

Nee, hätte ich auch gar keine Lust drauf gehabt. Ich hab ihn nämlich eine Woche zuvor erst auf der Bühne gesehen und war total enttäuscht. Besseres ABI-Band-Niveau, mehr nicht.
Da würde ich doch lieber bei seinem Sohn Bernard vorbeischauen, der hat's echt drauf!

Gruß

Karsten

Re: Mein persönliches Waterloo

Hi Karsten,

: Als ich nach einiger Zeit beseelten Spiels wieder nach oben schaue, sehe ich dass hinter mir Luther Allison steht und zuhört.

Das ist doch eigentlich okay. Es zeigt, daß Du in Ruhe ("beseelt") getestet hast, und offenbar in dieser Zeit auch Deine Umwelt nur bedingt wahrgenommen hast. Demnach warst Du dem von Ralf beschriebenen Stress ("was soll ich bloß spielen?") überhaupt nicht ausgesetzt. Ist doch eigentlich egal, was danach passiert ist.

Aber wir Musiker sind schon komisch. In so Equipment-Test-Situationen fühlen wir uns beobachtet, möchten uns am liebsten in ein Mauseloch verkriechen und überhaupt nicht, daß uns jemand hört. Und auf der Bühne haben wir dann Panik, daß wir überhört werden könnten. Oder auf ner Session, wo es dann immer noch lauter sein muß, damit die anderen auch ja wahrnehmen, wie man gerade brilliert. Seltsam. Beim nächsten mal dann im Gitarrenladen brillieren. ;-)

Keep rockin'
Friedlieb

Re: Meiner nicht ;-))


: Das meine ich aber nicht mit dem "Flow", sondern einen Zustand, bei dem man ohne störende Emotionen (etwa Angst, Wut) oder Gedanken (über Vergangenheit oder Zukünftiges) völlig eins mit seiner Tätigkeit in der Gegenwart ist, wo alles reibungslos und mit minimalem Energieaufwand schwingt, wie automatisiert.

Bliebe nun nur noch die Frage: Wie erreiche ich diesen Zustand??? Meinst Du, man kann das auch ohne aufwendiges autogenes Training?
Ich kenne diese innere völlige Zufriedenheit eigentlich nur als sehr kurze Momente, jedenfall was die Arbeit oder andere zu verrichtende Tätigkeiten anbelangt.
Viel zu schnell schaltet sich der Geist dazwischen und lenkt einen von der eben noch empfundenen Glücksseeligkeit ab. Oder die hunderttausend zu erledigenden Kleinigkeiten lassen es erst gar nicht zu, sich in einen solchen wünschenswerten Zustand fallen zu lassen.

Ich meine, wenn das so leicht wäre, wie es sich anhört, sollte es keine Drogenprobleme geben, oder?

Ich trinke jetzt trotzdem noch n Glas Rotwein, damit die Arbeit (bis ich das dann anders schaffe) ganz leicht und in völligem Einklang mit mir selbst, von der Hand geht.
Morgen werde ich dann sicher mit Entsetzen auf das gucken, was ich nun gleich anrichte ;-)))

Auf Euer Wohl!!!
Carline

Re: Meiner nicht ;-))

Diesen Zustand des Fließens kenne ich vom Programmieren. Und ich habe es faszinierenderweise schon fließen genannt, bevor ich heute morgen aus Deinem Posting den unaussprechlichen Namen des klugen Herrn erfahren habe, der diesen Zustand so trefflich erforscht hat.

Da warst Du wohl der Zeit voraus ;-)).

Der Csik (der Name ist ungarisch, außerdem lebt er in Chicago, und wie die Amis DAS aussprechen, weiß ich auch nicht) hat den "Flow" ja nicht "erfunden", sondern untersucht, was Menschen verschiedenster Couleur im Handeln (nicht im passiven Rezipieren) glücklich sein läßt, und das hat offensichtlich mit Gegenwärtigkeit, (Selbst-)Hingabe und Konzentration zu tun.

Hier ein kleiner Link zu dem Thema, als Wochenendlektüre.

Steht auch was über Programmierer und das Zeitgefühl drin, und die Kritik fehlt auch nicht.

Ist bestimmt auch nicht die endgültige Theorie zum Thema Glücksgefühle, aber ich kann vieles darin für mich selbst gut nachempfinden.

Keep groovin´, Harvey




Re: The Flow ...


: ich berichte dann am Montag :-)

ja, und nun ist Montag :-)

Wie war's nun?
Am Freitag setzte ich mich bis ca. 22.00 Uhr an den Küchentisch und bereitete meine Unterlagen vor....sprach noch mal alles laut vor mich hin und ging zufrieden ins Bettchen. Nur schlafen konnte ich nicht so richtig vor Aufregung :-)
Am nächsten Morgen am Frühstückstisch war ich schon ruhiger. Mein Mann winkte noch lieb als ich losfuhr und als ich in Dresden ankam, warteten schon die ersten Leute.
Es gab zwei Räume dort. Ein Computerkabinet und einen Pausenraum. Im Computerraum hätte ich vorn stehen müssen...das wollte ich nicht. Also entschied ich mich für den Pausenraum. Ich stellte genügend Stühle um einen großen Tisch und breitete meine Unterlagen darauf aus.
Die Leute nahmen Platz und ich fing punkt 10.00 Uhr mit der Schulung an. Ich wollte erst mal wissen mit wem ichs zu tun hatte und machte gleich am Anfang eine sehr humorvolle Übung zum Kennenlernen. Da schmolz das Eis bei mir und den Leuten....und die weiteren paar Stunden haben richtig Spaß gemacht...beiden Seiten. Die Zeit verging wie im Fluge. Als Schluß war, wollten die Beschulten wissen, wann das nächste Training stadtfindet. :-)

Am Freitag, als ich die Unterlagen fertig machte, dachte ich so, wenn es Leute gibt, die sich wirklich dafür interessieren, dann darf ich dieses Thema nicht als Pille Palle sehen sondern muß eine interessante Schulung gestalten mit vielen Übungen und Beispielen.

Dank eurer Hilfe und guten Ratschläge hab ich meine Nervosität doch schnell im Griff gehabt :-)

danke nochmal dafür
hzl. Saidy

Re: Meiner könnte... :-(

: Das heißt zum Beispiel: Es läuft alles
: irrsinnig gut, Du fährst auf einer Paßstraße und
: schwebst nur so durch die Kurven. Muß nicht mal rasant
: sein. Nur daß sich irgendwann Dein Gespür dafür verabschiedet,
: daß hinter der nächsten Kurve ein überbreiter Holztransporter
: tuckern könnte.

Gott sei Dank ist man ja nicht allein unterwegs. Gelegentliches herbrennen anderer Mopeds (bzw. Abwehr desselben) bringt die Konzentration immer wieder zurück. Ich hab's ja schon immer gewußt, daß die, die mitten in den schönsten Kurven "parken", gefährlich leben.
SCNR

HanZZ




: Aber glücklicherweise gibts sowas ja auf der Bühne
: und im Proberaum nicht :-)
:
: Schönes Wochenende,
: Ralf


Re: Wichtig is

Hallo Friedlieb,

etwas verspätet will ich Dir einmal aus vollem Herzen zustimmen und noch ein bißchen Senf meinerseits zugeben.
Gestern war ich ja auch in der Situation, daß ich vor lauter Anatomen auf deren Tagung einen Vortrag halten durfte/ mußte. Die Situation ist mir daher noch sehr gegenwärtig :-) Zum Glück ist es gut gelaufen...

Zwei Aspekte noch dazu:
- Man sollte sich nicht zu sehr zum Erfolg verdammen. Gib Dir die Erlaubnis, auch mal zu versagen. Wenn man die Situation so etwas entspannter angeht und nicht auf Biegen und Brechen alles richtig machen will, klappt es erstaunlicherweise auch viel leichter.
- Versuche, die Aufregung zu nutzen. Ein gewisser Adrenalinschub ist unvermeidlich, in solchen Situationen ist man nun mal aufgeregt. Und das ist ganz gut so, wenn man nicht ein bißchen aufgeregt ist, wird es für die Zuhörer auch langweilig. Ich versuche also immer, die Energie, die ich durch die Aufregung zusäzlich bekomme, zu nutzen.

Johannes