Moin Thomas
Aber über die Anstrengung der Einhaltung von Formalismen eben nicht das Wesentliche aus den Augen verlieren.
Da bin ich ganz bei Dir. Und nicht nur, wenn es um Musik geht. Perfektionismus geht mir doch ein wenig auf den Keks. Also, man soll natürlich die nötige Sorgfalt an den Tag legen, bei allem, was man tut, aber dieses Streben nach Perfektion, alles noch glatter machen, noch schärfer, noch genauer w.a.i., da bleibt bei mir der Spaß auf der Strecke. Ich kann aber auch verstehen, dass das genau das ist, was viele Leute als Ansporn nehmen und daraus ihren Spaß ziehen, klar.
Aber mal als doofes Beispiel: ich schaue mir zum Beispiel gerne alte Autos an, alte Gitarren, ich habe einen Faible für alte Technik. Diese Dinge sehen in meinen Augen einfach sehr oft klasse aus. Warum? Weil eben nicht alles auf den 1/100 mm genau gemacht werden konnte und alles ein wenig unperfekt, dafür aber auch - ja, Phrase - "organischer" wirkt auf mich.
Ich kann einem alten Porsche mit handgedengelter Karrosserie mehr abgewinnen, als einem modernen High Tech Gerät, einem alten Tonbandgerät mehr als einem modernen Mehrspurrecorder, einer eingesunkenen Nitrolackierung merh, als einer spiegeglatten Poly Lackierung. Natürlich ist das eine rein optische Sache, der Nutzen steht hier für mich außen vor. Ich gebe das gerne zu, ich bin ein sehr optischer Mensch, wenn es um Dinge geht.
Sie müssen mein Herz ansprechen.
Und in der Musik geht es mir darum, Gefühl zu finden, oder wiederzugeben, einen Moment. Ich finde oft Livesachen gut, die einfach eine Granatenstimmung für mich haben und dabei oft technisch nicht der Knaller sind, weder vom Spiel, noch vom Sound her.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen, natürlich habe ich auch einen Anspruch, was Sound und Technik angeht bei mir selbst, den ich nie erfüllen werde, aber ich weiß, wann für mich gut ist. Man kann immer alles noch glatter und präziser machen, aber da bleibt oft die Emotion auf der Strecke, m.M.n.. Das soll jetzt keine Ausrede für Unzulänglichkeiten sein, aber, wenn ich mir so manche Aufnahme von Freunden anhöre, die da wirklich großes Kino abgeliefert haben, was Sound angeht und Arrangement, so berührt mich das doch seltenst, da es einfach zu perfekt, zu fremd meiner/der Lebenswirklichkeit ist. Leben ist nicht perfekt, Musik sollte es für mich auch nicht sein.
Und so höre ich immer gerne Sachen, bei denen im Hintergrund der Tontechniker durch den Raum latscht, eine Gitarre auf dem Oberschenkel knarzt, der Sänger zu heftig einatmet vor dem Singen, oder ein Ton zu früh abstirbt beim Barré Gebolze, ich mag das, so will ich das bei mir auch, bzw. würde keine grauen Haare kriegen, wenn das auf meinen Aufnahmen wäre (ist es ja :-)).
Optimalerweise schreibe ich den Song, finde den dann gerade im Moment RICHTIG gut und nehme den dann sofort auf, genau mit diesem Gefühl, das wäre das Optimum. Geht leider nicht, da ich nicht Tag und Nacht eine Aufnahmemöglichkeit vor der Tür habe.
Und bei den von Dir genannten Formalismen, ob die immer so objektiv messbar sind in der Musik, das wage ich zu bezweifeln, 3 Experten, 5 Meinungen, das ist ja nun auch das Spannende an Musik.
(und ja: Was immer das auch ist, "Wahrheit")
Eine subjektiv in einem bestimmten Moment wahrgenommene Tatsache :-)
Mein Gott, was schreibe ich hier wieder so viel, ich sollte mir ein Leben kaufen, oder so :-)
Alles Gute!
Jonas