Meine Herren,
(oder ist noch Weibsvolk anwesend?)
: Die CD-Preise sind im Vergleich zu sonstigen alltäglichen Produktion echt stabil geblieben. Nur ihr Wert ist in den Köpfen der Menschen völlig zusammengebrochen... Das ist aber wohl leider eine irreversible Entwicklung.
Dieses Thema ist viel zu interessant, um es einfach in der Versenkung verschwinden zu lassen. Es wurden ja auch bereits ein paar spannende Aspekte angesprochen, und ich möchte das gern mal durch ein paar allenfalls leidlich sortierte Gedanken meinerseits ergänzen.
Zunächst einmal kann ich den Ärger der Musikschaffenden sehr gut verstehen. Ich verdiene mir meine Brötchen zwar nicht mit Musik, aber in meiner Branche ist das andere Standbein des hier angesprochenen Phänomens zuhause. Denn wilde Kopiererei und mangelndes Unrechtsbewusstsein gibt es nicht bei den Produkten der Musikindustrie, sondern auch bei der Sofware.
Als ich noch nahezu ausschließlich mit dem Herstellen von Software den Lebensunterhalt meiner Familie erwirtschaften musste, hat es mir immer ein massives Störgefühl verursacht, wenn ich mal wieder mitbekommen habe, wie gedankenlos die Leute raubkopierte Programme eingesetzt haben.
Insofern kann ich mich also sehr gut in die Gefühlslage derjenigen hineinversetzen, die mit Musik ihre Brötchen verdienen.
Andererseits mögen alle Musikschaffenden, die das hier lesen und den einen oder anderen Gedanken auch der anderen Posts aus diesem Thread vielleicht verurteilen wollen, einfach mal im Kopf eine kleine Inventur ihrer Computerprogramme machen und wer dann ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Als Erstes möchte ich - auch wenn viele Juristen mich dann für blöd halten werden - mal einen Unterschied machen zwischen der ethischen und juristischen Seite. Es gibt nämlich meines Erachtens viele Dinge, die juristisch sauber sind und dennoch ethisch nicht in Ordnung, und andere Dinge, die zwar illegal sind, aber ethisch vollkommen okay. Das hat natürlich auch was damit zu tun, daß die ethische Einschätzung einer Sachlage eine höchst individuelle Angelegenheit ist, währenddie Rechtsprechung im Idealfall ein Standard ist, auf den man sich innerhalb einer Volksgruppe irgendwie geeinigt hat.
So ist das Kopieren einer selbstgekauften CD für einen Freund oder Bekannten meines Erachtens moralisch in Ordnung und auch vom Recht auf Privatkopie gedeckt (solange dabei kein wirksamer Kopierschutz umgangen wird - zum Thema Kopierschutz schreibe ich unten noch was).
Wenn dieser Freund nun diese CD in MP3 umwandelt und die entstandenen Dateien einem weiteren Freund weitergibt? Das wird möglicherweise juristisch grenzwertig, keine Ahnung aber ist es moralisch in Ordnung? Wie oben bereits angesprochen, sind Moral und Ethik individuelle Sachen; ich vertrete hier nur meine eigene Meinung. Und meine persönliche Einschätzung orientiert sich immer ein bißchen an dem möglichen wirtschaftlichen Schaden.
Nehmen wir mal einen Extremfall: den bereits von Hans angesprochenen notorischen Raffke, der sich mit der Größe seiner MP3-Sammlung brüstet. Nun ja, wer mehr MP3s auf seiner Platte hat als er in seinem Leben jemals hören wird und sogar Dinge sammelt, die er überhaupt nicht mag, nur um des Sammelns willen, der mag zwar einen Schaden haben, richtet aber imho kaum einen an. Denn er hätte sich die Platten ja wohl kaum alle gekauft.
Durch die Sammlung selbst entsteht also kein wirtschaftlicher Schaden. Der tritt erst ein, wenn unser fiktiver Sammler beginnt, als Multiplikator zu arbeiten und womöglich Dinge zum Download anbietet.
In dem Moment, wo jemand einen illegalen Download als Alternative zum Erwerb der CD einsetzt, entsteht tatsächlich ein Schaden. Und der ist imho so hoch wie die Menge der CDs, die nicht gekauft worden, nicht aber so hoch wie der Ladenpreis der heruntergeladenen CDs.
Das hört sich vielleicht widersinnig an, erscheint mir persönlich aber folgerichtig, wenn man bedenkt, daß viele Downloads nur zu dem Zweck des Probehörens erfolgen. Wenn ich bedenke, wieviel Kohle in meinem LP-/CD-Regal gebunden ist an Platten, die ich nur auf Verdacht gekauft habe und die mir dann im Nachhinein überhaupt nicht gefallen haben, dann werde ich ganz wehmütig. Da wäre ich um die Möglichkeit des Probehörens froh gewesen (die es heute ja vielfach gibt), und wenn jemand vor diesem Hintergrund eine CD illegal herunterlädt, sie anhört, scheiße findet und dann wieder löscht, dann finde ich persönlich das ethisch vertretbar.
Apropos "heute", da hat sich ja sehr vieles geändert, und auf viele dieser Änderungen wird von der Musikindustrie überhaupt nicht oder nur sehr behäbig reagiert. Und manchmal auch falsch. Ich höre zB fast nur noch MP3, mein "Autoradio" spielt MP3-CDs ab, mein Computer sowieso. Wenn ich eine neue CD kaufe, kommt die zuerst in den PC, wird dort in MP3 umgewandet und wandert dann ins CD-Regal, wo sie vielleicht lange nicht mehr hervorgeholt wird.
Über eine legale, vernünftig funktionierende Download-Möglichkeit würde ich mich sehr freuen, und die Umwelt wahrscheinlich auch. Inzwischen tut sich da ja auch was, nicht zuletzt dank iTunes.
In vielen Fällen wurde das aber genau kontraproduktiv gehandhabt: statt einer brauchbaren legalen Download-Methode kommen "kopiergeschützte" CDs raus, wobei dieser Kopierschutz in den meisten Fällen darin besteht, daß die CDs nicht mehr der technischen Spezifikation für Audio-CDs entsprechen und es daher eine Frage des Zufalls ist, ob sie auf standardkonformen Abspielgeräten überhaupt laufen.
So einen Mist kaufe ich nicht, zumal es ja auch keine legale technische Möglichkeit gibt, die Musik in MP3 umzuwandeln, damit ich sie überall hören kann. Und ich bin da ja kein Einzelfall, das handhaben viele so. Diese ganze Kopierschutz-Geschichte ist also imho vollkommen nach hinten losgegangen, und inzwischen ist das ja auch schon von der Musikindustrie bemerkt worden.
Die Frage, die jeder sich beantworten muss, ist folgende: sind Sachen, die es nicht wert sind, gehört zu werden, es denn wert, auf der Festplatte Speicherplatz zu brauchen? Und wenn etwas so gut ist, daß man seine kostbare - unwiederbringliche - Zeit dafür opfert, es zu hören, sollte es einem nicht auch das - ersetzbare - Geld wert sein, es zu kaufen?
Und noch gleich eine Frage für jeden zum Nachdenken hinterher: kann man sich ernsthaft als "Fan" einer Gruppe verstehen, und sie gleichzeitig um ihren Platten-Ertrag bescheißen?
Wort zum Sonntag, Ende.
Keep rockin'
Friedlieb