(Konzert gewesen ist) Kain und P:lot und Mia und Silbermond


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Beitrag von Friedlieb vom Juni 20. 2005 um 21:18:49:

Guten Tag. Gestern war ich dort:



Und davon möchte ich euch jetzt einmal berichten.

Das Umfeld war klasse, der Hessentag ist ja eine riesige mehrwöchige Veranstaltung mit unzähligen Events, und all das war höchst professionell und routiniert umgesetzt, da stimmte einfach alles. Nun gut, sie hätten nicht nur mit C-Rohren die überhitzten Leute vor der Bühne nässen sollen, was übrigens eine Wohltat war, sie hätten auch mit den zahlreich rumfliegenden Hubschraubern ein wenig Essen abwerfen können - aber ein bißchen Kritik ist ja immer.

Ich hätte ja hinten im gemütlichen Teil bleiben können und mich an den zahlreich vorhandenen Imbißstände jedweder Geschmacksrichtung rundfressen können. Aber Juergen fehlte, der ist nämlich mein liebster Begleiter für sowas. Außerdem wollte Töchterlein ganz nach vorn an die Bühne. Also nach vorn an die Bühne. Da waren zwar noch ein paar andere Leute, aber das machte nichs. Auf dem Fleckchen Wiese, den ich in einem Anflug von schamloser Übertreibung manchmal heimlich meinen "Platz" genannt habe, stand jedenfalls außer mir sonst niemand. Meistens.

Zuerst kam mit Kain eine gleich doppelte Überraschung. Denn sie waren nicht angekündigt. Und sie waren richtig klasse. Bereits während des kurzen Soundchecks (der sich ein wenig mit dem "Einlaß" überschnitten hatte) probierte der Sänger die Heo-Heo-Freddy-Mercury-Nummer mit den Leuten und es funktionierte. Als er dann noch Wasser spendete, hatte er gewonnen. War wirklich sehr heiß gestern.
Die spielten also schönen frischen knackigen Rock, gute deutsche Texte, erinnerte ein bißchen an Selig. Leider durften sie nur eine gute halbe Stunde spielen, Zugabe war nicht drin, das mit der Zugabe ging übrigens allen Bands außer dem Top Act so.

Nach einer sehr kurzen Umbaupause (das Drumset blieb stehen) kamen dann P:lot auf die Bühne. Keine Ahnung, warum das i ein Doppelpunkt ist. Vielleicht weil es in den 70ern schonmal eine Band namens Pilot gab. Die übrigens damals von Alan Parsons produziert wurde und sogar ein paar Hits wie "January" und "Ohoho it's Magic" hatten. Ich mochte "Canada". Hab ich nie auf CD gefunden, schade. Aber zurück zu den mit dem Doppelpunkt. Die hatten es echt schwer. Irgendwie wollten alle Mia und Silbermond hören und keiner hatte Bock auf noch ne Vorband. Die Musik war etwas schwerer, ein wenig zu laut, eigentlich ganz gut, in einer Kneipe hätte ich die gern gehört. Viele Effekte, leicht in Richtung Kuhla Shaker, auch mal Sequencer dabei, für drei Leute haben die eine erstaunliche Klangfülle - manchmal hart am Rande der Überfüllung - erzeugt. Die würde ich gerne nochmal irgendwo in Ruhe hören. In Weilburg kamen sie nicht an. Natürlich hatten sie es schwer an dieser Stelle im Programm, und es war auch nicht ihr Publikum. Nur verhaltener Applaus, lediglich die Ansage "dies ist unser letztes Stück" wurde bejubelt. Menschen können so grausam sein. Pech, sowas passiert.
Irgendwann nachher hab ich auf dem Gelände kurz mit den Jungs von Kain darüber gesprochen, die hatte ich zufällig getroffen. Die hatten ein ähnliches Mitgefühl mit P:lot, fanden aber auch, daß die Reihenfolge besser umgekehrt gewesen wäre. Aber sie hatten erst eine Woche zuvor das Angebot bekommen, da zu spielen, unter der Bedingung, daß sie als erste spielen. Und wer würde sich eine solche Kulisse entgehen lassen wollen?



Dann kamen Mia. Die kannte ich ja nun schon aus dem Radio, aber wie das oft so ist, aus den Popsongs im Radio wird live oft richtiger Rock. Entweder es ist Retorte und bleibt es live, dann kann ich dem oft nichts abgewinnen. Oder es rockt plötzlich. So auch hier. Nicht ganz meine Baustelle, aber hat mir gut gefallen.
Die Texte finde ich besonders erwähnenswert, und auch die Ansagen - ich wußte gar nicht, daß Mia politisch sein können. Aber unverkrampft politisch, nicht dieses staubig-zentralkommiteehafte, was mich schon bei etlichen "politischen" Bands abgestoßen hat.

Über Silbermond hatte ich ja vor einem Jahr schonmal was geschrieben. Ich hatte da ja auch eine gewisse Skepsis, die Hanky damals so schön ausgedrückt hat: "... wenn eine Band in diesem Alter durch den grössten Boulevard-Sender seit über einem halben Jahr regelmässig bis in den jetzigen Erfolg hinein gefeatured wird, wenn die Mitglieder aussehen, wie aus dem Versace-Katalog gepellt, wenn jede Single gehyped wird wie der Messias himself, ja dann wird der Alex schonmal skeptisch".

Nunja, man kann ja gut sein und trotzdem gehyped werden. :-) Und diese Band ist wirklich gut. Die Stories, die so erzählt werden, daß sie sich jahrelang als kleine Live-Band den Arsch abgespielt haben, bis sie irgendwann "entdeckt" wurden, die könnten echt stimmen. So klingt es jedenfalls Live. Deutlich rockiger als die Stücke, die man so aus dem Radio kennt. Eine absolut tighte Rhytmusgruppe, groovt wie Sau, ein Bass-Solo mit Slappen und Tappen und soviel Funk im Ton, wie ich es lange nicht mehr gehört habe. Blindes Zusammenspiel beim Improvisieren. Spaß am Rock. Hat mir echt gut gefallen.

Man hat der Band schon angesehen, daß sie selbst mächtig beeindruckt sind, vor welcher Kulisse sie da plötzlich spielen. Daß sie selbst irgendwie erstaunt sind, wie sie da plötzlich hingekommen sind. (Und wer von uns hat schon einen eigenen treu ergebenen Gitarren-Roadie, der doppelt so alt ist wie man selbst?) Und ja, sie werden gehyped. Und ja, sie haben Glück gehabt. Aber ich denke, daß sie es verdient haben. Viele Bands sind ebenso gut oder besser und werden nicht so hochgepusht. Keine Frage. Und viele Vollidioten, allen voran die Zombie-Elaborate aus den diversen Casting-Shows, werden völlig ohne jeden substanziellen musikalischen Grund in den Himmel gelobt. Aber es gibt auch ein paar Bands, die gut sind, hart arbeiten und es dann aus irgendwelchen glücklichen Umständen heraus schaffen, nach oben getragen zu werden. Von wem und aus welchem Interesse, und welche Mechanismen da mitspielen, will ich überhaupt nicht hinterfragen. Ich weiß nur: diese Band hat tierisch gerockt. Und es hat mich unheimlich gefreut, daß es sowas noch gibt. Guten Rock und Erfolg.

Wollte das nur gesagt haben.

Keep rockin'
Friedlieb




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