(Live Review) O-feindt / Rose Tattoo / HH-Markthalle


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Beitrag von bO²gie vom Juni 01. 2002 um 01:21:13:

Hi ho -

was ein Tag und noch besser, was eine Nacht. Wie ja einige wissen schieb' ich nicht nur bei CBATFOW das Röhrchen über die Gitarre sondern auch beim hamburger Rockistentrio Ohrendeindt. In letzter Zeit waren wir mit O-feindt nicht gerade vom Glück verfolgt. Die CD Produktion schleppt sich nun schon das zweite Jahr vor sich hin, es hapert noch am Endmix, und Gigs mit einer Kapelle Richtung Gleichstrom/Wechselstrom mit deutschen Texten sind auch eher Mangelware. Nun ergab sich die Möglichkeit in Hamburg Local Support für Rose Tattoo zu spielen und wir haben latürnich begeistert zugesagt. Wermutstropfen in der Vorsuppe: Bühne 20.00 (aber immerhin eine Stunde Zeit). In der Markthalle bedeuted das normalerweise vor 50 eintröpfelnden gelangweilten Bierholern zu spielen um dann um 21.00 genervt von der Bühne gebrummelt zu werden, damit man endlich den Paltz für den Hauptgang freigibt...

Ok, anfangs sah auch alles scheiße aus. Der Weg zum Proberaum (normalerweise 15 Minuten Autobahn) gestaltete sich als Kampf um jeden Quadratzentimeter Straße. Das Radio verkündete freundliche 30 km Stau. Nach 2 Stunden endlich am Proberaum, danach lustige Stauschau in Richtung Hamburg Centrum.18.30 endlich in der MaHa, da rollten auch gerade die Tatts ihre Anlage rein. Also, Aussicht auf Soundcheck eher neblig. Zum Glück waren die Jungs superschnell. D.h. von den Tatts niemand da zum Check, das übernahmen 2 Roadies. Schwupps unsere Anlage aufgebaut, schneller Line Check, super Mann am Monitor, ein Kumpel von uns am FOH der uns schon öfters gemischt hat und 2 Minuten vor Tür auf fertig. Um 20.00 die Ansage: "Laßt euch noch ein paar Minuten Zeit, ihr sollt ja auch Publikum haben". Um 20.15 war die MaHa schon gut gefüllt. Ca. 500-600 Zuschauer. Große Überraschung. Wir also auf die Bühne und unseren besten Gig seit langem hingelegt. Überraschung Nummero II: Das Publikum mochte uns. Erste 2-3 Reihen echtes Abgerocke und danach bis in die tiefe des Saals noch gut Bewegung. Da störte es dann auch nicht das mir bei einem Titel der Gitarrengurt abriß (und weil so clever mit Gaffa geflickt auch erst nach dem Titel wieder dranging). Und auch der Verlust meines Snarling Dog Boosters, der plötzlich nur noch Brutzeln und Grunzen von sich gab' war da zu verknusen. Gegen Ende des Gigs wurde die Luft schon reichlich dünn im Saal. Mitsingen war bei mir Kettenraucher nicht mehr und einen halben Liter Mineralwasser über dem Schädel brachte auch wenig Linderung (dafür machte die Bastardocaster ihren Freischwimmer). Der Saal war brechend voll und wir wurden mit einem mehr als wohlwollenden Applaus verabschiedet.

Also, Anlage schnell in den Fahrstuhl neben der Bühne um dann in Ruhe die Mannen um Angry Anderson und Pete Wells zu genießen. Die Jungs waren alle etwas grippegeschwächt aber relaxed und sehr nett. Die nette Stimmung sollte erst im laufe des Abends auf der Bühne etwas kippen. Die Bassanlage gab langsam ihren Geist auf und der Bassist kompensierte seinen Ärger mit eine Flasche Hochprozentigen. Pete Wells wie immer bewegungslos schob eine grandiose Messingröhre, der Drummer war nach 5 Minuten von einem Schweißsee mit Fluttendenz umgeben und der zweite Gitarrist wirkte mit seinem knallbunten Hawaiihemd und zwei nicht weniger bunten Steve Vai Ibanüssen etwas deplaziert (spielte dafür aber ein stoisches Rhytmusbrett vom allerfeinsten). Und dann Angry. Der laufende tättowierte Meter. Ähnlich wie Lemmy ein Urgestein des harten Rocks. Kompromißlos grunzt und schreit er die Botschaft des dreckigen Rock'n'Rolls ins Volk. Das sich wiederum immer und immerwieder mit lautstarken "Annnnngry, Annnnngry..." Fußballchören bedankt. Nach 2 Stücken gibt's keine Luft mehr in der Markhalle. Ca. 800 schwitzende gröhlende Leiber gegen einen Haufen lauter Australier. Natürlich spielten die Tatts alle ihre Hits. Von "Nice Boys don't play Rock'n'Roll" über "Fast Eddie and the Butcher" bis zu "Rock'n'Roll Outlaw". Und immer am Rande des Wahnsinns: Angry Anderson. Mehrere male wärend der Show fällt er einfach um. Wärend "Rock'n'Roll Outlaw" wird dann langsam jedem klar das das keine Showeinlage ist. Deutliche Nervösität hinter der Bühne. Angry lehnt nur noch am (brüllend lauten) Sidefill, nicht mehr fähig sich selbst zu halten. Die Band spielt einen kurzen Instrumentalpart und leitet dann nahtlos zum nächsten Song über. Anderson versucht sich am Mikrophonständer nach vorn zu hangeln. Brüllt, grunzt, gurgelt .... wärend er langsam im rechten Winkel über dem Mikrophoneständer zusammensackt und kopfüber über selbigen auf eben diesen kahlen Kopf fällt. Rock'n'Roll bis zum Umfallen und das ohne Netz und doppelten Boden. Kopfschüttelnde Sanitäter, besorgte Blicke der Crew, Angry schafft es nicht mehr bis zur Backstage Tür. Trotzdem geht die Band noch einmal für eine Zugabe auf die Bühne. Danach bricht Angry vor der Backstage Tür zusammen. Das erste was er nach wiedererwachen verlangt ist Hochprozentiges. Wasser scheint er zu verabscheuen. Hinter der Bühne meinte jemand das man normalerweise mit der Bronchitis keine 2 Minuten gerade auf den Beinen stehen kann. Angry schaffte es fast 1,5 Stunden brüllen, grunzend, schreiend ... bis zum Kollaps. Und das bei Bullenhitze und Null Luft im Saal....

Boah, selten ein solches Lehrstück in Sachen Rock'n'Roll bis zum Erbrechen erlebt. Jede Todebleikapelle hätte an diesem Abend neben den Tatts wie ein Kirchenchor zur Konfirmation ausgesehen.

Am Abend zuvor saß ich noch mit dem Tourleiter der ersten Deutschlandtour von Rose Tattoo zusammen. Er fragte ganz erstaunt wie die die letzten 20 Jahre überlebt hätten. Schon damals waren die Tatts nicht die Jüngsten und trotzdem ging pro Mann und Nase auf der Bühne pro Show eine Kiste Bier weg....

slide on ...
bO²gie

NP: ein leichtes Pfeifen in beiden Ohren...



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