(Amps) Mein kleines Axe-Fx-Review


[ verfasste Antworten ] [ Ganzer Thread ] [ Aussensaiter-Forum ]

Beitrag von Friedlieb vom Mai 08. 2008 um 22:36:23:

Hallo zusammen,

vor einigen Wochen wurde mir von G66 ein Testexemplar des Axe-Fx zur Verfügung gestellt. Dieses ist weitgereist und schon etwas lädiert, so daß es nicht mehr für den Verkauf geeignet ist, aber das hat mich nicht gestört.

Ich habe das Gerät inzwischen auf etlichen Proben gespielt und auch viele Stunden damit gearbeitet. Am Wochenende vor der Session hatte ich den ersten Gig mit dem Teil und daher kann ich nun auf genügend Praxis zurückgreifen, um einen fundierten Bericht zu verfassen.

Vorweg möchte ich nochmal daran erinnern, daß ich mit Jacques Isler und G66 in einer Geschäftsbeziehung stehe und daher befangen bin. Nicht daß noch jemand denkt, ich wäre hier objektiv oder so.

Ich schreibe kein "komplettes" Review, sondern nur ein paar Eindrücke. Wer sich für den Axe-Fx interessiert, hat eh schon alle Reviews gelesen, und wer sich nicht dafür interessiert, der wird auch das hier nicht lesen. Demnach erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ja noch nicht einmal Anspruch auf Anspruch.

Dieser Beitrag steht unter der Kategorie "Amps", weil das für mein ganz persönliches Nutzungsprofil der primäre Einsatz ist. Es hätte aber auch unter "Effekte" oder "Technik" stehen können.

So, und jetzt geht es endlich los.


Kleine einleitende Zusammenfassung: Das Gerät klingt fantastisch. Es ist fantastisch zu bedienen. Und ich habe kein Amp-GAS mehr, und kein Effekt-GAS mehr.

Wo fange ich an? Am Besten den beiden Dingen, die mich am Meisten beeindruckt haben, als ich begonnen habe, mich mit dem Konzept des Teils zu beschäftigen. Das war, noch bevor ich es das erste Mal gehört habe.

Das ist zum einen der Ansatz "Digital kann so gut sein, wenn es endlich mal einer richtig macht". Mit dieser Geschichte fängt nämlich das Handbuch an. Daß die Digitaltechnik und das Modeling unter Gitarristen so verrufen sind, weil viele Hersteller beim Herstellen zu sehr auf den Preis achten und daher billige, wenig leistungsfähige Prozessoren verwenden, was sich natürlich ungünstig auf die Genauigkeit des Modeling und damit den Klang auswirkt.

Und dann die Matrix. Ja. Eine Matrix von 12 * 4 "Einbauplätzen" bildet die Grundlage eines jeden Patches im Axe-Fx. Man kann sich das als virtuelles Effekt-Board vorstellen, bei dem in jeden der 48 "Einbauplätze" ein Modul reingetan werden kann. Ein solches Modul kann zB eine Amp-Simulation sein, oder ein Chorus, ein Hall, ein Wah-Wah, eine Boxensimulation, ein Equalizer oder was auch immer. Die Module werden mit virtuellen Patchkabeln verbunden, wobei jeweils nur benachbarte Module verbunden werden können, und der Signalfluss ist normalerweise immer von links (Eingang) nach rechts (Ausgang).
Bis auf die Amps sind alle Module in Stereo, so daß das Gerät intern bis zu 8 Kanäle gleichzeitig verarbeitet (die 4 "Zeilen" der Matrix * 2). Am Ende wird das Ganze dann wieder auf Stereo runtergemischt, oder auf Mono, wenn man will.
Das Gerät hat einen "Vorrat" von Modulen, der je Modultyp begrenzt ist. So gibt es beispielsweise "nur" 2 Amps, die gleichzeitig in einem Patch zum Einsatz kommen können, 2 normale Delays, 2 Multi-Delays, 2 grafische, 2 parametrische Equalizer und so weiter. Ist eigentlich alles dabei, was man so braucht.
Und wenn man dieses virtuelle Effektbrett zusammengesteckt hat und alles so ist, wie man es will, dann kann man das in einem der 384 Speicherplätze ablegen und jederzeit wieder abrufen.

Wenn man das Konzept einmal kapiert hat, ist das Arbeiten damit sehr leicht, und die Bedienung des Geräts ist wirklich einfach, wenn man berücksichtigt, was es alles kann. So sind die Parameter der einzelnen Module auf mehrere Menüseiten verteilt, wobei die erste Seite immer die "üblichen" Parameter enthält (also das, was andere Modeler überhaupt nur bieten). Auf der ersten Menüseite des Amp-Moduls wählt man zB das Amp-Modell und hat dann noch Regler für Drive, Bass, Mid, Treble, Master Volume und ggf. einen Bright Switch.
Wem das genügt (mir zB meistens), der belässt es dabei und gut is'. Nur wenn man wirklich will, kann man auf den weiteren Menüseiten dann in die Eingeweide des Amps einsteigen und dann Dämpfung, Abstimmung der Tonregler, Lastfestigkeit des Ausgangsübertragers etc. einstellen, mithin alles Dinge, die normalerweise beim Design eines Amps festgelegt werden und danach nur noch mit dem Lötkolben geändert werden können. Hier geht der Axe-Fx also über das hinaus, was die herkömmliche Technik bietet, und öffnet dadurch neue Welten.


Wie bedient sich das live? Total leicht, wenn man erstmal alles eingestellt hat. Ich hab so ein altes Midi-Mate aus der Bucht, damit kann ich Patches abrufen und je Patch dann einzelne Effektblöcke ein- oder ausschalten, also zB zum Solo einen Verzerrer dazuschalten oder einen Lautstärkeboost, ein Delay etc. Das Umschalten geht rasend schnell und unhörbar; wenn ich einen Akkord anschlage und zeitgleich dazu einen neuen Patch per Fußdruck abrufe, kommt der neue Patch genauf auf den Punkt.


Und wie klingt es? Ich bin begeistert. Ich habe alle meine "Grundsounds", die ich so brauche, und bei Bedarf all die Effekte dazu, die ich will, und alles in hervorragender Qualität.
Mit dem Reussenzehn habe ich früher oft Komplimente für meinen Gitarrensound bekommen. Seit ich in einer Band mit einem weiteren Gitarristen spiele, hat das aufgehört, weil es halt ein bißchen zugematscht wird/wurde. Beim Axe-Fx-Premiere-Gig Ende April gab es zum ersten Mal, seit ich in dieser Band bin, wieder Komplimente für meinen Sound. :-) Ich habe einen 50 W 1x12er Atomic auf der Bühne gehabt, als Monitor, und bin ansonsten direkt in die PA gegangen. Der Sound war voll und präsent und mächtig und hat das Publikum förmlich in Gitarrensound geduscht. Hach.

Und a propos Grundsound: nachdem ich das Gerät gut genug kannte, habe ich mich an das Projekt "Den Sound des Reussenzehn kopieren" gewagt. Den Reu mit Box neben den Axe-Fx mit Atomic gestellt und beides abwechselnd gespielt. Und dann ging es erstaunlich schnell: Plexi, Equalizer, ein bisschen abgestimmt, hier gedreht, da gefeilt, und jetzt habe ich einen authentischen Reu-Sound im Axe-Fx, der nicht vom Original zu unterscheiden ist. Hat nur ne Stunde gedauert. Auf der Eifel-Session werde ich mal versuchen, Muelrichs Koch-Sound zu kopieren, der stand mir gut, fand ich. :-)


Für wen ist es geeignet? Auf jeden Fall für Sound-Freaks, Nerds, Tweaker. Aber auch für Leute, die einfach nur einen sehr guten, vielseitigen Sound haben wollen und bereit sind, sich einzuarbeiten. Für Recording ist es spitze. Ich behaupte, in ein, zwei Jahren werden die Teile ein Muss für Studiobesitzer sein.
Es gibt aber auch für den Live-Betrieb vielfältige Anschlussmöglichkeiten. So kann man es zB als reines Effektgerät in der Effekt-Loop eines Amps benutzen. Man kann es auch so verkabeln, daß man zusätzlich wahlweise die Vorstufe des eigenen Amps verwendet oder auch eine das Amp-Simulationen. Geht so gut wie alles. Und ersetzt ohne Scheiß ein kühlschrankgroßes Rack mit allem pipapo.

Und wer auf der Suche nach Gitarrensound und Effekten in Referenzqualität ist, der sollte es zumindest mal ausprobieren.


Wer sollte die Finger davon lassen? Naja, Matthias zum Beispiel. ;-) Man muß akzeptieren, daß es sich um ein Rack-Gerät handelt. Man braucht eine gewisse Bereitschaft, sich auf das Teil einzulassen und in Bedienung und Konzept einzuarbeiten.
Wer in dem Bewusstsein lebt, dass nur Röhren und Analogtechnik ihn glücklich machen können, der möge sich diesen Glauben erhalten und vom Axe-Fx Abstand nehmen. Es *sind* nunmal keine Röhren drin.

Reine Gitarre-Kabel-Amp-Leute, die nicht mehr brauchen, brauchen auch kein Axe-Fx. Und wer bei der Bedienung von Geräten mit mehr als drei Knöpfen überfordert ist, sollte es sich auch verkneifen.
Wer glaubt, dass man mit einem technischen Gerät auf Knopfdruck so klingen kann wie sein Held, der soll das weiterglauben und sich an einem der Modeler-Hersteller wenden, die genau diesen Glauben als Grundlage ihres Marketings verwenden, und glücklich dabei werden.
Das Ding ist kein Spielzeug, sondern ein Werkzeug, dessen Bedienung mit Arbeit verbunden ist.
Im Moment braucht man auch Geduld und Stehvermögen, weil die Geräte noch nicht in Stückzahlen verfügbar sind und es eine ziemlich große Warteliste gibt.


Bei mir hat das Gerät dafür gesorgt, daß ich nun etwa eine Stunde täglich Gitarre spiele, das was vorher viel weniger. Wohlgemerkt, ich meine Gitarre spielen, nicht an Knöpfen drehen. Das mache ich auch, manchmal, am Anfang mehr, aber es ist tatsächlich so, daß man zwei Minuten irgendeinen Sound einstellt und dann ne halbe Stunde am Stück spielt, weil der Sound so geil ist.

Hier endet mein Axe-Fx-Bericht. Bestimmt habe ich das Wichtigste vergessen. Wer spezifische Fragen hat, möge fragen. Jetzt kommt nur noch ein kleiner Nachsatz.


Zum Schutz des Geräts habe ich mir ein altes Rack-Case von SKB ersteigert, und da passte noch was rein. Da habe ich also 50 Euro ausgegeben für eine Errungenschaft, die man gar nicht genug preisen kann: eine Rack-Schublade.
Eine solche Schublade ist so etwas wie ein Materie-Transmitter. Man tut zuhause Dinge rein, die man beim Gig parat haben will, oder im Proberaum. Dann macht man sie zu und denkt nicht mehr dran. Später auf der Bühne macht man die Schublade auf und dann strahlen einen genau diese Dinge an, als wäre nichts gewesen. Großartig. Oder man schmeißt im Proberaum ein paar Zettel oder CDs in die Schublade und wenn man sie später zuhause aufmacht, findet man diese Sachen vor. So geil.
So eine Schublade allein wäre Grund genug, auf Rackbetrieb umzusteigen. Was auch immer irgendwann nach dem Axe-Fx kommen mag, auf die Schublade werde ich wohl nie mehr verzichten wollen.


Keep rockin'
Friedlieb


verfasste Antworten:



Dieser Beitrag ist älter als 3 Monate und kann nicht mehr beantwortet werden.