Aussensaiter-Forum - Beitrag 108579 von Friedlieb

(Technik) Über das Einschwingen einer Gitarre


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Beitrag von Friedlieb vom Oktober 22. 2005 um 21:03:39:

Guten Abend, ihr Lieben,

nun endlich ist es an der Zeit, euch über etwas zu berichten, was sich im Sommer ereignet hat. Ich deutete es damals bereits zart an.

Meine Hamer wurde von Emil eingeschwungen. Oder entdämpft. Von Spannungen befreit, die das freie Schwingen behindern. Wie auch immer man es nennen will. Es ist etwas Technisches, nichts Esoterisches. Wer hier im Archiv sucht, wird reichlich Beiträge dazu finden, so daß ich mir die grundsätzlichen Erläuterungen spare. Hier kommt mein Senf dazu.


Emil automatisiert ja sozusagen den Vorgang des "Einspielens" eines Instruments, der sich sonst über Jahre hinwegzieht, und erreicht dabei in wenigen Tagen eine Effizienz, für die es bei "normalem" Spiel wohl Jahrzehnte braucht. Er gibt dabei eine definierte Menge an phyikalischer Schwingungsenergie in das Instrument und mißt die Stärke der dabei entstehenden Schwingungen. Und das mit verschiedenen Frequenzen.
Es ist klar, daß die Ausgangsenergie niemals die Eingangsenergie übersteigen kann, sonst wäre es ja ein Perpetuum Mobile und kein Musikinstrument. :-) Das Delta zwischen beiden Größen ist die Dämpfung des Instruments. Im Laufe des Prozesses wird die aus einer bestimmten Menge Eingangsenergie resultierende Ausgangsenergie größer, die Dämpfung nimmt also ab. Sie wird niemals 0, klar.
Diese Dämpfung ist nun je nach Instrument bei jeder Frequenz unterschiedlich. Nun kümmert Emil sich besonders um die Frequenzbereiche mit hoher Dämpfung, weshalb unter anderem diese Arbeit soviel Aufwand macht.
Am Ende der Behandlung ist die Dämpfung über das gesamte Frequenzspektrum des Instruments im Rahmen des Machbaren überall ungefähr gleich niedrig.

Bei mir war es in einem Fall so, daß eine Frequenz nur 56% einer anderen Frequenz hatte, um soviel war der eine Ton also leiser als der andere. Und man nimmt das so hin, spielt einfach, die Gitarre "ist halt so", und man denkt gar nicht darüber nach, daß dieser Zustand sich ändern läßt.


Ich habe mir jetzt sehr viel Zeit gelassen herauszufinden, was das nun in der Praxis mit der Gitarre macht. Wenn ich das Ergebnis in nur einem Satz zusammenfassen müßte, wäre der: Die Gitarre wird ausgeglichener, ehrlicher, spielt sich besser.

Vorher war es so, daß bestimmte Tonlagen nicht so gut von der Hand gingen, der Ton war früher weg, als wenn ich die Melodie drei Töne höher oder tiefer gespielt habe. Das Stichwort "Dead Spots" kommt hier ins Spiel, wobei ich nicht die Dead Spots meine, die durch mangelhafte Abrichtung der Bünde oder falsche Einstellung der Saitenlage entstehen können.

Jetzt klingen alle Töne der Gitarre gleich laut. Es ist eine Wonne. Beispiel: in manchen Stücken lasse ich an einer bestimmten Stelle schonmal gern den gespielten Ton ins Feedback übergehen. Dazu mußte ich mich vorher immer im Proberaum an eine ganz bestimmte Stelle positionieren, nahe am Amp und mit einem bestimmten Winkel dazu. Und das auch noch abhängig von der Tonhöhe unterschiedlich. War harte Arbeit. :-) Nach der Emilisierung kann ich - bei absolut unveränderter Einstellung des Amps - die Töne beliebig ins Feedback kippen lassen, wenn ich will, und völlig egal, wo und wie ich im Proberaum stehe.

Das "Quietschen" (Andi nennt es Pinch Harmonics, wie wir am vergangenen Wochenende gelernt haben, jedenfalls dieses gezielte Erzeugen von Obertönen, wie man es von Billy Gibbons und auch Eddie Van Halen kennt) geht jetzt viel leichter und überall am Griffbrett.

Auch unverstärkt gespielt klingt die Gitarre runder und die Töne bleiben einfach länger stehen. Ich bin wirklich sehr angetan von dieser Veränderung, zumal die Gitarre ihren Charakter nicht im Geringsten eingebüßt hat. Sie ist - naja - halt "freier" geworden.

Andererseits werden Spielfehler aber auch nicht mehr so leicht kaschiert. Wenn ich versehentlich beim Anschlag ein paar Obertöne zu viel erzeugt habe, hört man die. Das Instrument wird also auch ehrlicher, wobei wir alle wissen, daß Ehrlichkeit auch mal unangenehm sein kann. Hier führt es dazu, daß man automatisch beginnt, auf saubereres Spiel zu achten.


Würde ich es nochmal machen? Ja, unbedingt. Hat es sich gelohnt? Auf jeden Fall. Danke, Emil!


Keep rockin'
Friedlieb