servus allerseits,
am 11. september wäre er 100 jahre alt geworden: theodor w. adorno, einer der grossen denker des 20. jahrhunderts, philosoph, soziologe, musiker und dichter in einer person. einer, ohne den die politische kultur der jungen bundesrepublik ohne zweifel sehr viel armer und einfältiger gewesen wäre.
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aus seinem "jargon der eigentlichkeit" hier ein 5 minutiger auszug. gelesen vom peter zudeik.
wer es aber lieber als text haben möchte, bitteschön -> text.
grüsse - emil
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- (Philosophie) es gibt kein richtiges leben im falschen. oder doch ? - gestartet von emil 10. September 2003 um 13:51h
- Re: (Philosophie) es gibt kein richtiges leben im falschen. oder doch ?
- von
the stooge
am 10. September 2003 um 14:26
- @the stooge (war )(Philosophie) es gibt kein richtiges leben......
- von
emil
am 11. September 2003 um 11:09
- Re: @the stooge (war )(Philosophie) es gibt kein richtiges leben......
- von
the stooge
am 11. September 2003 um 15:43
- Re: @the stooge (war )(Philosophie) es gibt kein richtiges leben......
- von
emil
am 11. September 2003 um 16:04
- Re: @the stooge (war )(Philosophie) es gibt kein richtiges leben......
- von
emil
am 11. September 2003 um 16:04
- Re: @the stooge (war )(Philosophie) es gibt kein richtiges leben......
- von
the stooge
am 11. September 2003 um 15:43
- Re: (Philosophie) es gibt kein richtiges leben im falschen. oder doch ?
- von
emil
am 10. September 2003 um 14:41
- @the stooge (war )(Philosophie) es gibt kein richtiges leben......
- von
emil
am 11. September 2003 um 11:09
- Re: (Philosophie) es gibt kein richtiges leben im falschen. oder doch ?
- von
the stooge
am 10. September 2003 um 14:26
Hallo emilio,
Vielen Dank für sden link und die Erinnerung - auch wenn TWAs Ausführungen zum Jazz hier den wenigsten schmecken dürften (mir auch nicht). Aber der "Jargon" ist der Text von ihm, den ich nicht nur mit dem größten Vergnügen gelesen habe, sondern der auch schlicht zeitlos ist - die Heideggers und Bollnows kommen und gehen, intellektueller Sakralkitsch und als Tiefsinn maskierter Unsinn wird heute mehr den je produziert (vgl. auch den PUR-Thread). Allein schon in der Paraphrase und der Aneinanderreihung von Zitaten entfaltet das Büchlein bereits hochkomische Qualitäten, die man dem Autor sonst nicht nachsagt; zu diesem Punkt habe nachfolgend einen Text aus der taz reinkopiert.
Der Meisterernstler
Theodor Wiesengrund und der Humor: Was würde Beckenbauer zu Adorno sagen?
Sein Konterfei, verfeinert durch ein gekritzeltes Leninbärtchen, ziert zwar seit ihrem Bestehen die komiktheoretische Rubrik "Hans Mentz" in der Titanic; aber dass unser derzeit in nahezu vatikanischen Dimensionen abgefeierter First-Class-Jubilar Theodor W. Adorno ein inniges Verhältnis zu komischen Kunstwerken und zur Haltung des Humors gepflegt hätte, dürfte nicht eines der stichhaltigsten Urteile sein, das man über ihn fällen könnte.
Mir ist keine der aktuellen vier- oder fünfzehn Adorno-Biografien bekannt, und dennoch bin ich mir sicher: Es wäre, läse man sie, nirgendwo ein gescheiter Gedanke darüber zu finden, warum sich Adorno dem Komischen gegenüber so hartherzig zeigte. Außer an der Clownsfigur, wie sie im Aufsatz über Becketts "Endspiel" vielfach erwähnt wird, hat der Meisterernstler kaum ein gutes Haar an komischen Gestalten gelassen. "Posse und Clownerie bis zu Chaplin" waren ihm bei aller dunklen Ahnung, dass sich darin mehr artikulieren könnte als Scheinfreiheit, Regression und sublime Gewalt, Ausdruck der Unterwerfung, des autoritären Charakters, des Betrugs am Glück. "Gelacht wird darüber, dass es nichts zu lachen gibt", heißt es schon in der Dialektik der Aufklärung, und trotz der (Partial-)Triftigkeit und aphoristischen Prägnanz eines solchen Verdikts scheint nur aus Adornos strikter Präferenz für den spätbürgerlichen Kunstbegriff heraus erklärlich, dass er zeitlebens den Humorhammer schwang. "Humor, das ist das Schlimmste!", soll er gegenüber Horkheimer bemerkt haben, Lachen sei "bürgerlicher Sadismus", Humor appelliere "ans deformierte Bewusstsein".
Dabei äußert sich doch gerade im Lachen, ausgelöst durch eine Zeichnung, einen Romandialog, einen Schwank, ja selbst durch einige die dichte kompositorische "Textur" (Adorno) lockernde Passagen in den Symphonien Beethovens, das Leibliche und Weltzugewandte, auf das Adorno auch dann pochte, wenn die steilsten erkenntnistheoretischen Scheinfragen zur Debatte standen. Darauf mag Eckhard Henscheid angespielt haben, als er - und damit bis heute im Grunde allein stehend - die Nähe zwischen Kritischer Theorie und komischer Kunst zu erhellen versuchte: "Was Horkheimer/Adorno als ,Dialektik der Aufklärung' beschreiben, diese Analyse leistet in sozusagen komischer Optik und virtuos verkürzt ggf. auch ein ,Schnuffi'-Zeichenstrip von Gernhardt, in welchem der Held zwar allzeit Gutes wirkt, in dem aber eine ihn begleitende Maus im vierten Bildchen notorisch besoffen ist."
Gelungene Komik ist nicht brutal, versöhnlerisch, vernebelnd, sondern wärmend, lichtend und vielleicht wirklich ein Instrument dessen, was man einmal "Ideologiekritik" nannte. Und wenn sie das ist, dann ist sie geschmeidiger und womöglich gar feiner denn die meisten Beispiele begrifflich-analytischer Akrobatik.
Solche Spitzenleistungen reflexiver Gewandtheit demonstrierte Adorno in den Sechzigerjahren auch gern in den kulturindustriellen Institutionen Radio und Fernsehen. Das möchte ihm nicht zum Nachteil gereichen. Allerdings fanden es nicht wenige nicht unbedingt zum Lachen, dass er sich selbst mit Arnold Gehlen, dem alten Nazi, vor die Kamera hockte. Adorno soll sogar, behauptete Helmut Schelsky, "eine bis zum familiären Verkehr gehende Freundschaft" zu dem "Bewunderer von Alfred Rosenberg" (René König) gepflegt haben. Wie immer man derartige Antinomien in der dialektischen Luft zerstäubt - das Fernsehduell zwischen Adorno und Gehlen war teilweise von einer Komik getragen, die just Adorno für sich als Gewinn verbuchen konnte. Und wie der Frankfurter da, von unnachahmlichem geschmeidigem Ernst durchdrungen, die ängstlichen Augen auf die Zettel auf den Knien gerichtet, seinem jovialen, mit Resthitlerbärtchen versehenen Kontrahenten Hegel, Durkheim, Kant, Veblen und Gottfried Keller um die Ohren zwirbelte, das belegte die antiautoritäre Macht der Eleganz.
Erstmals, da Gehlen das "Ethos der Ehe" beschwor, wischte ein Lächeln über Teddys Gesicht, wahrscheinlich, weil er an eine seiner jungen Blondinen dachte. Kaum mehr an sich halten konnte Adorno allerdings, als Moderator Alexander von Cube auf Gehlen einzuteufeln begann, weil dieser meinte belfern zu müssen: "Es gibt ja doch eine treue Pflicht zu außerrationalen Werten!"
Da streckte der gegenüber kauernde kleine Mann plötzlich den Oberkörper, wippte vor und zurück, strahlte wie ein ganzer Honigkuchen, und sogar ein winziger, spitzer Lacher oder Pruster war zu hören, und Adorno, das Bündel an Konzentration und Contenance, wirkte kurzzeitig wie ein von aller Last der intellektuellen Anstrengung befreiter Kindskopf. Zumindest hatte er den ekligen, lachhaften Gehlen jetzt, gegen Ende der Sendung, im Sack.
Sehr lustig ist aber freilich auch, dass am selben Tag wie Adorno, am 11. September, der zweitgrößte Deutsche des 20. Jahrhunderts geboren wurde: Franz Beckenbauer. Und der ließ vor ein paar Jahren die Hosen runter und bekannte demütig: "Wenn ich zum Beispiel einen Schopenhauer lese - ich verstehe ihn nicht." Ob ers schon mal mit Adorno versucht hat, wäre eine ernsthafte Recherche wert.
JÜRGEN ROTH
taz Nr. 7153 vom 10.9.2003, Seite 20, 173 Zeilen (Kommentar), JÜRGEN ROTH
Vielen Dank für sden link und die Erinnerung - auch wenn TWAs Ausführungen zum Jazz hier den wenigsten schmecken dürften (mir auch nicht). Aber der "Jargon" ist der Text von ihm, den ich nicht nur mit dem größten Vergnügen gelesen habe, sondern der auch schlicht zeitlos ist - die Heideggers und Bollnows kommen und gehen, intellektueller Sakralkitsch und als Tiefsinn maskierter Unsinn wird heute mehr den je produziert (vgl. auch den PUR-Thread). Allein schon in der Paraphrase und der Aneinanderreihung von Zitaten entfaltet das Büchlein bereits hochkomische Qualitäten, die man dem Autor sonst nicht nachsagt; zu diesem Punkt habe nachfolgend einen Text aus der taz reinkopiert.
Der Meisterernstler
Theodor Wiesengrund und der Humor: Was würde Beckenbauer zu Adorno sagen?
Sein Konterfei, verfeinert durch ein gekritzeltes Leninbärtchen, ziert zwar seit ihrem Bestehen die komiktheoretische Rubrik "Hans Mentz" in der Titanic; aber dass unser derzeit in nahezu vatikanischen Dimensionen abgefeierter First-Class-Jubilar Theodor W. Adorno ein inniges Verhältnis zu komischen Kunstwerken und zur Haltung des Humors gepflegt hätte, dürfte nicht eines der stichhaltigsten Urteile sein, das man über ihn fällen könnte.
Mir ist keine der aktuellen vier- oder fünfzehn Adorno-Biografien bekannt, und dennoch bin ich mir sicher: Es wäre, läse man sie, nirgendwo ein gescheiter Gedanke darüber zu finden, warum sich Adorno dem Komischen gegenüber so hartherzig zeigte. Außer an der Clownsfigur, wie sie im Aufsatz über Becketts "Endspiel" vielfach erwähnt wird, hat der Meisterernstler kaum ein gutes Haar an komischen Gestalten gelassen. "Posse und Clownerie bis zu Chaplin" waren ihm bei aller dunklen Ahnung, dass sich darin mehr artikulieren könnte als Scheinfreiheit, Regression und sublime Gewalt, Ausdruck der Unterwerfung, des autoritären Charakters, des Betrugs am Glück. "Gelacht wird darüber, dass es nichts zu lachen gibt", heißt es schon in der Dialektik der Aufklärung, und trotz der (Partial-)Triftigkeit und aphoristischen Prägnanz eines solchen Verdikts scheint nur aus Adornos strikter Präferenz für den spätbürgerlichen Kunstbegriff heraus erklärlich, dass er zeitlebens den Humorhammer schwang. "Humor, das ist das Schlimmste!", soll er gegenüber Horkheimer bemerkt haben, Lachen sei "bürgerlicher Sadismus", Humor appelliere "ans deformierte Bewusstsein".
Dabei äußert sich doch gerade im Lachen, ausgelöst durch eine Zeichnung, einen Romandialog, einen Schwank, ja selbst durch einige die dichte kompositorische "Textur" (Adorno) lockernde Passagen in den Symphonien Beethovens, das Leibliche und Weltzugewandte, auf das Adorno auch dann pochte, wenn die steilsten erkenntnistheoretischen Scheinfragen zur Debatte standen. Darauf mag Eckhard Henscheid angespielt haben, als er - und damit bis heute im Grunde allein stehend - die Nähe zwischen Kritischer Theorie und komischer Kunst zu erhellen versuchte: "Was Horkheimer/Adorno als ,Dialektik der Aufklärung' beschreiben, diese Analyse leistet in sozusagen komischer Optik und virtuos verkürzt ggf. auch ein ,Schnuffi'-Zeichenstrip von Gernhardt, in welchem der Held zwar allzeit Gutes wirkt, in dem aber eine ihn begleitende Maus im vierten Bildchen notorisch besoffen ist."
Gelungene Komik ist nicht brutal, versöhnlerisch, vernebelnd, sondern wärmend, lichtend und vielleicht wirklich ein Instrument dessen, was man einmal "Ideologiekritik" nannte. Und wenn sie das ist, dann ist sie geschmeidiger und womöglich gar feiner denn die meisten Beispiele begrifflich-analytischer Akrobatik.
Solche Spitzenleistungen reflexiver Gewandtheit demonstrierte Adorno in den Sechzigerjahren auch gern in den kulturindustriellen Institutionen Radio und Fernsehen. Das möchte ihm nicht zum Nachteil gereichen. Allerdings fanden es nicht wenige nicht unbedingt zum Lachen, dass er sich selbst mit Arnold Gehlen, dem alten Nazi, vor die Kamera hockte. Adorno soll sogar, behauptete Helmut Schelsky, "eine bis zum familiären Verkehr gehende Freundschaft" zu dem "Bewunderer von Alfred Rosenberg" (René König) gepflegt haben. Wie immer man derartige Antinomien in der dialektischen Luft zerstäubt - das Fernsehduell zwischen Adorno und Gehlen war teilweise von einer Komik getragen, die just Adorno für sich als Gewinn verbuchen konnte. Und wie der Frankfurter da, von unnachahmlichem geschmeidigem Ernst durchdrungen, die ängstlichen Augen auf die Zettel auf den Knien gerichtet, seinem jovialen, mit Resthitlerbärtchen versehenen Kontrahenten Hegel, Durkheim, Kant, Veblen und Gottfried Keller um die Ohren zwirbelte, das belegte die antiautoritäre Macht der Eleganz.
Erstmals, da Gehlen das "Ethos der Ehe" beschwor, wischte ein Lächeln über Teddys Gesicht, wahrscheinlich, weil er an eine seiner jungen Blondinen dachte. Kaum mehr an sich halten konnte Adorno allerdings, als Moderator Alexander von Cube auf Gehlen einzuteufeln begann, weil dieser meinte belfern zu müssen: "Es gibt ja doch eine treue Pflicht zu außerrationalen Werten!"
Da streckte der gegenüber kauernde kleine Mann plötzlich den Oberkörper, wippte vor und zurück, strahlte wie ein ganzer Honigkuchen, und sogar ein winziger, spitzer Lacher oder Pruster war zu hören, und Adorno, das Bündel an Konzentration und Contenance, wirkte kurzzeitig wie ein von aller Last der intellektuellen Anstrengung befreiter Kindskopf. Zumindest hatte er den ekligen, lachhaften Gehlen jetzt, gegen Ende der Sendung, im Sack.
Sehr lustig ist aber freilich auch, dass am selben Tag wie Adorno, am 11. September, der zweitgrößte Deutsche des 20. Jahrhunderts geboren wurde: Franz Beckenbauer. Und der ließ vor ein paar Jahren die Hosen runter und bekannte demütig: "Wenn ich zum Beispiel einen Schopenhauer lese - ich verstehe ihn nicht." Ob ers schon mal mit Adorno versucht hat, wäre eine ernsthafte Recherche wert.
JÜRGEN ROTH
taz Nr. 7153 vom 10.9.2003, Seite 20, 173 Zeilen (Kommentar), JÜRGEN ROTH
servus mathias,
gut der text !
grüsse - emil
gut der text !
grüsse - emil
servus mathias,
ich weiss nicht ob du hessenfernsehen sehen kannst, wenn ja, dann gibt´s heute abend 23:00 uhr - moderation gerd scobel - eine nacht für theodor w. adorno: "wer denkt, ist nicht wütend."
grüsse - emil
ich weiss nicht ob du hessenfernsehen sehen kannst, wenn ja, dann gibt´s heute abend 23:00 uhr - moderation gerd scobel - eine nacht für theodor w. adorno: "wer denkt, ist nicht wütend."
grüsse - emil
Mojn emil,
Vielen Dank, hört sich sehr vielversprechend an. hr kriege ich leider nicht - komisch ich dachte, das Tal der Ahnungslosen läge irgendwo in Sachsen und das gäbe es seit der Wende nicht mehr.
Wenn Du es gucken solltest, könntest Du vielleicht den Videorecoder mitlaufen lassen? Danke.
SchöNe Grüße, Mathias
Vielen Dank, hört sich sehr vielversprechend an. hr kriege ich leider nicht - komisch ich dachte, das Tal der Ahnungslosen läge irgendwo in Sachsen und das gäbe es seit der Wende nicht mehr.
Wenn Du es gucken solltest, könntest Du vielleicht den Videorecoder mitlaufen lassen? Danke.
SchöNe Grüße, Mathias
...Wenn Du es gucken solltest, könntest Du vielleicht den Videorecoder mitlaufen lassen?...
servus mathias,
gucken tun werde ich schon, bloss isch hab ja kein videorecorder....kann das jemand für mathias aufzeichnen ?
grüsse - emil
servus mathias,
gucken tun werde ich schon, bloss isch hab ja kein videorecorder....kann das jemand für mathias aufzeichnen ?
grüsse - emil