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Liebes Tagebuch ....

Moin zusammen,

das Musikantenleben ist ja immer wieder für ein Schmankerl gut und ich schreib Euch mal ein paar Zeilen, wie es uns am WE ergangen ist - in der Hoffnung, dass wir nicht alleine sind *schnüff*

Gebucht waren wir für ne MC-Party, draussen, zwei Bands, Stripshow, das übliche. Ankunft pünktlich, erster Eindruck: Puh, trotz Unwetterwarnung trocken, Bühne größer als auf den Bildern, PA-Leute am Aufbauen, viele Bekannte zum Begrüßen, die ersten Pilse inner Hand, alles schön.

Dann irgendwann die Nachricht, dass die bestellten 32 Ampere höchstens 16 werden, Endstufen der PA laufen gar nicht erst hoch, von Licht ganz zu schweigen. Tolle Wurst, wat nu? Die Schall-Fritzen probieren’s trotzdem in ner abgespeckten Version. Spannungsschwankungen, Ergebnis: eine von drei Crest-Endstufen im Eimer, Frequenzweiche bzw. Lautsprecher-Management-Teil abgeraucht.

Veranstalter will neue PA ranschaffen, die mit weniger Power auskommt und entsprechend Leistung umsetzt – na toll, wir warten also.

Mittlerweile wärs eigentlich schon Zeit für unseren Auftritt gewesen, aber an Spielen war nicht zu denken – die Laune aller Beteiligten sank rapide, immerhin war ja noch ne Band nach uns dran und nen Strip und all so’n Gedöns sollte zwischendurch ja auch noch laufen. Außerdem isset schweinekalt, ich war auf 30 Grad und Sonne eingestellt, hab nichtma nen Sweatshirt mit und frier mir den Arsch ab. Fenderman-Schatzi leiht mir seine Bomberjacke, ich mach mir die Verlängerungsbeine an meine Multifunktionshose ausm Aldi.

Kabelmessungen ergaben mittlerweile 30 Volt pro Phase. Da nützt wohl auch die noch ranzuschaffende Ersatz-PA nix mehr, da kannze ja nicht mal nen alten Riemenplattenspieler mit ans rotieren kriegen. Die Stimmung sank weiter, das Alk-pro-Nase–Verhältnis wuchs dramatisch.

Plötzlich neue PA aufm Hof, schnell schnell, Aufbau. Zwischenzeitlich hatte man erkannt, dass das Hauptkabel defekt war und legte ein neues – ohne Schutzleiter, sehr schön. Also noch mal neues Kabel besorgen, inzwischen ganz fix alte PA runter, neue PA rauf. Soundcheck dauerte rund drei Minuten, dann soll’s losgehen. Nochmal eben ein Stück anspielen, um zu testen, ob mit alle Mann auch hinhaut – ich hör nix auffe Monitore, is klar, die neue PA hat keine Power mehr für vernünftigen Bühnensound, die Backline brüllt uns an ... Super, sing ich wieder mal ins Nichts, sehr schön. Nach zwei drei Takten des Soundcheck-Stückes kommt einer vonne Gastgeber-Rockerjungens anne Bühne, brüllt hoch „Eyyyyy, könnta am Anfang nich wat schnellers spielen, eyyyyy?“ Zurückgebrüllt. „Eyyyy, dat is Soundcheck, dat wird noch“ Maaaaaan, so was kann ich ja leiden wie Ohrenschmerzen, hab echt keinen Bock mehr und möchte dem Kerl vonne Bühne aus inne Fresse treten. Mit knapp drei Stunden Verspätung fangen wir dann doch schon an, beschissener Sound, fast keine Monitore, beleuchtet von zwei eilig aufgehängten Funzeln, weil für Licht war ja nicht genug Saft da. Es holpert und stolpert, die Warterei macht rostig, zum Ende hin wird’s gut, es bewegen sich sogar einige – zumindest die, die noch stehen können. Wir lassen die langsamen Dinger vonner Setlist raus, zwei Stunden ohne Pause Dampf und hören um 0:30 Uhr auf – nachdem beim vorletzten Stück noch eben die komplette rechte Seite ohne Strom da steht. Harper und ich teilen uns das Mikro, Leadgitarre brauchen wir ja nicht, egal ... Irgendwas an meinem Amp ist auch über die Wupper gegangen, ich weiss nur nicht mehr was, find ich nachher noch bei der Probe raus ...

Der Strip wurde inzwischen ersatzlos gestrichen, owbwohl wahrscheinlich nur deshalb noch ein paar zähe Jungs auf dem Gelände sind. Schnell werden Pokale überreicht, dazwischen wir am abbauen, die nächste Band will ja auch noch. Zack Zack rauf auffe Bühne, Heavy Metal, das ist bestimmt was für die Kerls. Sound genauso Scheiße, vor der Bühne stehen nur noch wir, um die Jungs irgendwie zu unterstützen, obwohl ich eigentlich nur noch nach Hause will. AC/DC, Metallica, .... Zuschauerreaktion: NULL, die Bierbuden sind interessanter. Nach drei Stücken fällt dann das Licht komplett aus. Die Jungs spielen tapfer im Stockdunkeln weiter. Ich spring ins Auto, fahr vor die Bühne, mache Licht und Warnblinker an. Wir entdecken, dass wir durch Arschwackeln vor den Scheinwerfern lustige Lichteffekte zaubern können und ziehen noch die Folien aus der toten Lichtanlage und halten die vor die ollen Berlingo-Lampen – sehr stimmig das ganze. Inzwischen stehen gar keine Nasen mehr vor der Bühne, die Band müht sich und spielt ins Nichts. Nach ner Weile meldet sich die PA-Leute „Sorry, wir sind nur bis eins gebucht, ist schon lange rum, wir müssen gezz abbauen. Abbruch des Gigs, hin und her Gelaber, dann doch noch zwei Stücke, dann das endgültige Aus – die armen Kerle. Alle sind gepisst, Abbau, Einpacken, Odyssee auf der Suche nach ner Tanke, endlich am Proberaum, ausladen, um 5:30 Uhr zu Hause, die Vögel zwitschern, soll ich noch eben Brötchen holen? Ich fall ins Bett .... Feierabend.

Rock ´n Roll
Steffen


Re: Liebes Tagebuch ....

Hi Steffen,

solche Aktionen hat garantiert jeder schon mal erlebt, der mit seiner (seinen) Band(s) unterwegs war. Manchmal helfen da nicht mal Verträge, in denen Minimalanforderungen von wegen Bühnengrösse oder Stromanschlüsse festgelegt sind. Da heissts dann Augen zu und durch, und hinterher gaaanz schnell vergessen. Der nächste Gig macht wieder Laune, wirst sehen!

Grüße,

Andi
(schon mal Bier im Midifootswitch gehabt? Oder soviel Stromausfälle, dass sich die Programme vom Multieffekt verabschidet haben? Auch lustig sind die nachm Gig nach Pommes-Fett duftenden 4x12er.....hach, Live-Mucke is schön....)

Re: Liebes Tagebuch ....

Tag,
ergänzend muss man aber sagen das wir wohl nach einhelliger Meinung einen sehr guten Sound im Publikum hatten.
Band zwei hatte dann eher darunter zu leiden, das eine PA , die auf einen Vibroverb und Pro Reverb eingestellt ist, eben mit einem JCM900 und Triple Recti nicht auf Anhieb klingt.
Ok - viel warten, ok - viel ärgern, aber: ich bin sicher dass unser Gig recht fein war und das "holpern" eher aus der überkritischen Stimmung heraus so wahrgenommen wurde.
Mit scheiß Bühnensound muss man wohl dann und wann leben.
Von daher - bei sowas immer wieder Augen zu und durch...

Grüße
MIKE

Re: Liebes Tagebuch ....

Da macht man was mit, oder?

Der Veranstalter kann m.E. sowieso allen Musikern und Technikern die Füße küssen, daß die Sache mit so viel Einsatz drchgezogen wurde. Gut, damals vor'm Kriech, als ich noch jünger war, hüstelhüstel... heute heißt's eben: Kein Strom - keine Musik! Ausdiemaus.

Aber sowas passiert halt mal im Muckeralltag. Habe ich schon von dem 32A Verlängerungskabel mit Phase auf der Null erzählt? Will keiner hören, oder? OK! ;-)


der onk


Re: Liebes Tagebuch ....

Moin Steffen,

sehr schöner Bericht, den ich mit Spannung gelesen habe.

Warum kommt mir das alles nur so bekannt vor?

Langes Warten und derartiger Stress sind leider absolute Motivationskiller.

Immerhin hat man später den Enkeln noch was zu erzählen ;-)

Grüße aus dem hohen Norden,
Kai-Peter

Re: Liebes Tagebuch ....

Hi,
kommt mir auch bekannt vor. Wir haben vor Jahren mal auf einem Bikertreffen gespielt, nach 5 Nummern fiel das Aggregat aus und dann war der Strom für ca. 2,5 Stunden komplett weg. Für uns als Band war's schon ärgerlich genug, aber ganz andere Probleme hatten die Tätowierer, die in ihren Wägen auch keinen Strom mehr, dafür halbfertige Kunden hatten.
Gruß
Dan

Re: Liebes Tagebuch ....

Hallo Steffen,

ein erstklassiger Bericht! Läuft beim Lesen rein wie ein kühles Pils in diesen Tagen und läßt mich in jedem Absatz drei mal mit dem Kopf nicken: ja, genau so isset!

Hab was Vergleichbares mal erlebt bei einer Gründungsjubiläumsfeier einer Partei, und zwar im Saal! War ein streng geplantes Programm, wir sollten als Opener eine dreiviertel STunde spielen, nach uns dann eine amtliche hochprofessionelle Cover-band - natürlich mit PA und Monitor und so weiter, und natürlich waren sie so großzügig, daß wir Teile ihres Equipments (Baßverstärker, Slackzeuch und so) benutzen durften. Die PA brauchten wir nicht.

Also: wir waren eine Stunde vor dem Gig da, die PA-Truppe nicht, sie kam erst 15 min bevor wir anfangen sollten in den Saal: "Tja, wir müssen erstmal alles hochtragen" (Saal war im 2. Stock). Also die großen PA-Teile schnell und notdürftig auf und um die Bühne gestellt, wir in die Amps eingestöpselt, 30 sec. Soundcheck und los gings mit dem Spielen, während die PA-Techniker vor, hinter, zwischen und um uns herum wuselten und die Kabel und Monitore verlegten, die Lichtanlage aufbauten und schließlich - einen Kurzen bauten, so daß das Licht (nicht der Ton!) im ganzen Saal ausfiel, so daß wir im stockdunkeln spielen mußten. An dieser Stelle sei gesagt: wir sind Jazzer, da sind also auch Bläser dabei, die ohne Noten verloren sind wie ein Rockbassist mit verstimmtem Instrument (scnr, aua, nicht hauen!), sogar der Gitarrist gibt vor, nach Noten zu spielen ...

Kurzum: Kacke, aber sie geht vorbei. Und hinterher sieht mans auch positiv, so eine Erfahrung gemacht zu haben.

Gruß
Kurt

Re: Liebes Tagebuch ....

Man kann nicht nur auf Erna Strube stehen, man sollte sogar - immerhin hat sie mehr Blues im Blut als Jeanette Blödermann und für die Karriere hat sie nicht die Beine sondern ihr "Mannemer Bloomaul" aufgemacht.
Oder geht's hier etwa garnicht um die gesanglichen Qualitäten? ;o)