Dagmar Krause
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Beitrag von Juergen vom März 06. 2005 um 23:40:02:
Tach maddin,
Deine Nachfrage nach Dagmar Krause hat mich dazu gebracht, heute Nachmittag mal einige der alten Platten nach Jahren wieder zu hören. Eine Zeitreise zurück in die siebziger Jahre. Ich war jung, hatte kein Geld und gab es trotzdem für merkwürdige Platten aus: Vor ihrer Arbeit mit Henry Cow nahm Krause mit Anthony Moore und Peter Blegvad unter dem Namen Slapp Happy bei Virgin eine unterhaltsame LP (74) mit elf charmanten Pop Stückchen auf, die für einen Charts-Erfolg jedoch immer einen kleinen Tick zu alternativ gestrickt waren. Du und ich (und Johannes wohl auch) würden sich allerdings freuen, so´ne Scheibe hinzukriegen.
Ein bisschen schwieriger zu hören ist die schon erwähnte Zusammenarbeit zwischen Slapp Happy /Henry Cow Desperate Straights . Eine auch heute noch verblüffende und interessante Mischung aus Weill, Jazz Waltz, Garagen-Rock´n Roll und Scherzen von freakigen Musikstudenten. Noch ist alles, wenn auch mit zahlreichen Brechungen, am Song orientiert. Frau Krause singt mit gnadenlos deutschem Akzent und sorgt allein damit für einen weiteren Verfremdungseffekt.
Dieser Effekt wird beim nächsten Werk In the Praise of Learning textlich und musikalisch auf die Spitze getrieben. Ist das JazzRock? Kunstlied? Das Ende des Songs? Art is not a mirror, it is a hammer wird auf dem Cover ein gewisser John Grierson zitiert. Peng.
Das DoppelAlbum Concerts enthält Aufnahmen mehrerer Auftritte mit unterschiedlichen Besetzungen aus dem Jahr 1975. Erschienen ist das Werk by arrangement with BBC Records and Tapes 1977 auf dem L´ Orchestra Label, Milano. Die erste Platte enthält Kompositionen der HC-Platten Legend und In the Praise of Learning sowie mit Gloria Gloom und Little Red Riding Hood zwei Wyatt-Songs, letzterer von ihm selbst gesungen. Frau Krause sorgt für Brecht/Weill´sche Atmosphäre, immer wieder werden zeittypische Rockjazz-Elemente eingewoben (Soft Machine/ Matching Mole/ Fripp), es darf auch freier werden. Die zweite Platte enthält keine Songs mehr, sondern freie Instrumental-Improvisationen, die einfach den Titel der Auftrittsorte tragen (Groningen, Undine, Groningen again, Oslo). Seltsame Geräusche.
Das alles ist sehr elaboriert, spröde und ernsthaft; wird abei aber mit Schmackes vorgetragen. Schräg, spannend, faszinierend und nicht mal eben so nebenbei zu hören. Eine sehr europäische und vollkommen bluesfreie Musik, die es heute so nicht mehr gibt. Naja, bei Tortoise finden sich einige entfernte Anklänge, aber die sind ja schon richtig kommerziell, oder? ;-)
Die Desperate Straigths werde ich wieder öfter hören. Aber jetzt ist erst mal John Mayall dran, der am Dienstag in Münster ein schönes Konzert gegeben hat.
Gruss, Juergen
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