Re: (Philosophie) Das Gitarrensolo, das unbekannte Wesen
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Beitrag von Kurt vom August 05. 2003 um 14:00:05:
Als Antwort zu: Re: (Philosophie) Das Gitarrensolo, das unbekannte Wesen geschrieben von Torsten H. am August 05. 2003 um 13:06:36:
Auch Hallo zusammen,
ich würde sagen, es gibt prinzipiell 3 Arten von Soli:
1. Die ausgeschriebenen & Ton für Ton eingeübten. So eins mußt du imho bringen bei Stücken die absolut jeder kennt wie Dire Straits' "Sultans of Swing" oder Pink Floyds "Another Brick in the Wall, Part II".
2. Die absolut frei erfundenen, im Moment des Spielens kreierten Lines. Das passiert z.B. ungeübten Solisten beim allerersten Probieren eines Stücks, wie mein Vorredner sagte:
: Grundsätzlich, wenn sich meine Band und ich einen Song erarbeiten wird zunächst mal improvisiert.
Wird ein Stück zum wiederholten Male gespielt, dann machen das auch unter den Mega-Profis (und ich spreche da v.a. von Jazzern, bei denen Solis ja dazugehören wie das Bier zur Weißwurst) nur gaaaanz wenige, auch wenn sich deren Solis von mal zu mal komplett anders anhören! Miles Davis soll so ein kongenialer Solist gewesen sein. Bei Charlie Parker streitet sich die Fachwelt, die einen sagen, seine Soli, so abgefahren wie sie klingen, können nur frei und spontan kreiert sein, die anderen haben irgendwo gelesen, auch "Bird" himself habe nur die Methode 3 benutzt:
3. Der Musiker verfügt über ein mehr (Profi) oder weniger (Amateur) großes Repertoire an Motiven (rhytmisch, melodisch), Arpeggien, Fingerpatterns ... kurz: Licks, die er mehr (Profi) oder weniger (Amateur) spontan&geschickt aus der Kiste holen, transponieren, verändern, chromatisch verschieben, wiederholen etc. kann. Aus diesen Bausteinen baut er sich sein Solo oder zumindest die Kernstücke zusammen, und wandelt dieses Solo je nach Fähigkeit von Mal zu mal ab. Ein Amateur wird sich vielleicht eher von Mal zu Mal eine feste Struktur mit denselben Bausteinen schaffen und daran festhalten, siehe Vorredner:
:Nach einer gewissen Einarbeitungszeit bildet sich aber immer das gleiche Muster heraus: Ich habe einen definierten Einstieg, einen Höhepunkt (ja, oh ja!) und einen definierten Ausstieg und Übergang in den Rhythmus (Wie war ich?). Um diese drei Punkte herum wird improvisiert.
Probier mal ein altbekanntes Stück, über das du immer gut, gern und sicher improvisiert, aber lange nicht mehr gespielt hast, und spiel ein Solo drüber. Du wirst feststellen, daß dein Solo jetzt anders ist als früher (wo du dich immer in den Kernpunkten wiederholt hast). Warum? Weil Dir mittlerweile andere Licks geläufig sind, die du jetzt in Dein Solo über das alte Stück einbaust.
: Vom reinen Improvisieren halte ich eigentlich bei Auftritten (!) nichts, weil:
... es können nur wenige wirklich gut.
: : 1. keine Sau in der Band mit Sicherheit weiß wann der Gitarrist endlich fertig ist, und sich dadurch Unsicherheit breit macht. Besser ist: vorher ausmachen, 12 Takte, dann wieder Gesang.
Kann man natürlich machen, ist vielfach auch sehr empfehlenswert. Aber es ist kein Widerspruch zum frei kreierten Solo. Auch über 12 Takte läßt sich sowas machen. Und das allerbeste ist: rechtzeitig der Band ein Zeichen geben, daß am Ende des gerade begonnenen Chorus' auch das Solo zu Ende ist.
: : 2. es gehört beim reinen Improvisieren viel Disziplin dazu auch mal was Neues zu probieren, was nicht so leicht von der Hand geht und noch holzig klingt. So gerne ich improvisiere, bei der Vielzahl der Soli würde ich mich wiederholen.
Richtig, du müßtest dich frei machen von den Licks, die du gestern bei diesem Solo gespielt hast. Wenn Du kein Genius bist oder eben nicht im Proberaum mit NEtz und doppeltem Boden sondern auf der Bühne stehst, dann spiele ein Solo mit dir geläufigen Licks! Das machen 98 % aller Ober-Profis genauso, sie haben halt nur so viel so gut drauf, daß du's nicht merkst. Du hast vollkommen recht: Was wirklich Neues klingt meistens holzig und nicht ständig seine vertrauten Licks zu spielen ist schwer. Da merkt man mal, wie schwer das ist, gut klingenden aber echten Free Jazz zu spielen.
Matthias, ich kenne ein Duo (git,voc), bei dem singt der Sänger eine Baßlinie (walking bass z.B.) während der Gitarrist ein Solo spielt.
Gruß, Kurt
P.S. Nix für ungut, Torsten, ich wollte dich nicht beurteilen. Ich weiß ja auch nicht, ob Du ein "Profi" oder Amateur bist. Die Vorgehensweise, die Du beschrieben hast, entspricht im Jazzbereich eher der eines Amateurs (also auch meiner). "Amateur" ist auch gar nicht abwertend gemeint. Immerhin ist das einer - wie der Name schon sagt - der aus Liebe zur Musik spielt.
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