Re: (Gitarre) Das Ende der konventionellen Klampfe?
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Beitrag von Rainer vom August 23. 2002 um 10:23:15:
Als Antwort zu: Re: (Gitarre) Das Ende der konventionellen Klampfe? geschrieben von Der Felix am August 22. 2002 um 18:44:58:
Oder ist es einfach viel cooler mit einer 15 Jahre alten Möhre durch die Gegend zu fahren, die 20 Liter auf 100km schluckt und mit den Abgase auf 5km bei 100km/h ein Rudel vögelnder Elche um die Ecke bringt? "...weil's ... cooler ist... irgendwie... ausserdem war früher sowieso alles besser, und wer älter ist hat recht. Und überhaupt. Die Jugendlichen sind doch alle doof, mit ihr'n modernes Zeugs. Computer. Pah, wir sind doch früher auch mit ohne ausgekommen.
Ah, danke, mein Stichwort ... :-))
Da ist ein Begriff gefallen, der die Sache auf dem Punkt trifft: "haptisches Erleben". Und dann fällt mir die Geschichte ein, dass die Kiddies irgendetwas nicht essen mögen, sich aber auch inständig weigern, es erst einmal in homöopathischen Dosen zu probieren, eine Käsesorte, eine Wurstsorte, Blumenkohl oder Brokkoli. Nun stelle Dir einmal vor, in ferner Zukunft, es gibt nur noch Modeling-Gitarren und Modeling-Bässe, PODs und Digital-Amps: könnte ein Youngster überhaupt noch nachvollziehen wie sich das anfühlt, so eine alte Strat vor'm Bauch und einen Blackface im Rücken? Wer jemals mit einen Precision gekämpft hat um ihm Dynamik und Varianz im Ton abzuringen, wird dieses Erlebnis nicht vergessen.
Das könnte einer von vielen Pudels Kernen sein: das hautnahe Erleben solcher Dinge zuzulassen. Der Vergleich mit dem Auto kann schnell in's Triviale und Lächerliche gezogen werden, aber als ich vor zwei Jahren mal für einen Tag einen alten Mini fahren durfte, wusste ich wieder, was für eine fahle und langweilige Kiste mein Sharan ist.
Es geht nicht um "früher war alles besser", war es ja nicht. Aber das hautnahe Erleben, das Arbeiten daran, das Spüren und Zulassen von Arbeit und Mühe, dass einem nicht alles auf dem Präsentierteller serviert wird, das wird abgewürgt. Klar war das eine Scheißarbeit damals meine Arbeiten im Studium auf einer mechanischen Schreibmaschine zu tippen, möchte ich auch nie mehr müssen. Mein Ford 12M sprang von November bis April mehr zufällig morgens an, das Teil musste ich an jedem zweiten Wochenende zerlegen, damit er wieder einigermaßen zuverlässig lief. Mein Bass-Bus heute begrüßt mich im Winter morgens vorgeheizt, ein fröhliches Lied in der Stereoanlage und auch bei -15° läuft der Motor nach drei Umdrehungen des Anlassers sauber und rund. Aaaaaaaber ... auf die Erlebnisse des Imperfekten, auf die Mühen und das hautnahe Erleben möchte ich nicht verzichten. Man kann ein modernes Auto eigentlich nur dann wirklich genießen, wenn man mal alte Minis und 12Ms gefahren hat ... ;-)
Ich habe eine J-Station am PC, ist 'ne nette Sache. Aber das ist für mich das Maximum an Modeling. Und so ein Blödsinn wie ein gemodeltes Instrument käme mir nicht in die Bude. Weil's wie Amputation ist.
Rainer
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