Re: (Philosophie) Neutral auf der Bühne.Beitrag von Chico Tarde vom November 21. 2008 um 16:59:45: Als Antwort zu: (Philosophie) Neutral auf der Bühne. geschrieben von Chico Tarde am November 21. 2008 um 07:37:46: Viele Gute Gedanken!Vielleicht kennt der eine oder andere den Film 'Heartworn Highway'. Darin gibt es eine Sequenz, die für mich auch in allen anderen Hinsichten zu den 2,5 bewegendsten Filmminuten ever gehören. Jedenfalls sitzt dort Townes van Zandt nebst niedlicher Freundin und altem Nachbar in der Küche und spielt eines seiner Stimmungslieder - sieht man von ein paar dem Country-Idiom geschuldeten Kieksern mal ab, grösstenteils ohne emotionale Beteiligung. Irgendwann kommen dem alten Nachbarn die Tränen. Ich behaupte, das wäre nicht passiert, wenn TvZ das ganze noch mit dramatischen Gesichtsgebärden unterfüttert hätte. Aber sehen sie selbst. Tom2, oh ja, Videos sind m.E. so wichtig für die Bandentwicklung wie sie peinlich sind. Ich frage mich heute noch, warum mich damals nie jemand darauf aufmerksam gemacht hat, das der wahrgenommene IQ einer Person schlagartig abnimmt, wenn sie beim Schlagzeugspielen die Zunge raushängen hat... ahem. Friedlieb, Authentizität ist so eine Sache... die steht bei mir ja immer noch vor dem Auspacken unter Faschismusverdacht. Woher soll man denn wissen, ob das "echt" ist? Und: was ist denn echt? Ich bin auf der Bühne zumindest in einer Stresssituation, die mein handeln stark beeinflusst. Wie oft habe ich schon an sich eloquente Menschen auf einer Bühne ungeprobte Ansagen machen hören, die sich eher nach einem akuten Verlust des Denkvermögens anhören... Genau wie Michaels möchte ich auch keinen Jammerlappen auf der Bühne sehen, der sich über irgendeine scheisse beklagt. Obwohl es den Lappen viell. in dem Moment wirklich extrems nervt und es sehr viel 'echter' wäre, wenn er dem Mixer an die Gurgel gehen dürfte. Nein, Athentizität ist für mich persönlich keine Kategorie, glaube ich. Vielleicht trifft der Begriff der 'Professionalität' besser das, was meinem idealen Bühnengebaren am nächsten kommt. Am deutlichsten wird es evtl. mit Rednern: Es gibt für mich fast nichts grauenhafteres, wenn ein Redner - sei es Pastor oder Professor - aus der Rolle fällt. Ich erwarte einfach, das ein Performer den Inhalt angemessen rüberbringt, um es jetzt mal ganz platt zu sagen. Dazu gehört das Unterlassen von Klagen über die hohe Luftfeuchtigkeit genauso wie der Versuch, mir grosse Emotionen verkaufen zu wollen, obwohl die Tour seit 2 Monaten läuft. Und eben auch die gesunde Distanz zum eigenen Schaffen. Also eigentlich das genaue Gegenteil von Authentizität... ? Und was Chris Whitley betrifft: Ja, den fand ich manches mal schon peinlich. Wohl auch, weil er eben nicht willens oder fähig war, die Grenze zwischen Kunst und Selbst zu ziehen. Aber das ist nochmal eine ganz andere Dimension, glaube ich. Danke jedenfalls für die vielen Beiträge. Sehr erhellend. :) MAddin
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