Honeymoon-Review: JJECC803S


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Beitrag von ferdi vom Juli 02. 2008 um 21:50:12:

Aloha.

Testaufbau:

Warmoth/Staufer-Strat, Bodenpersonal (weniger als sonst, ich downsize, erinnert ihr euch?) TwinTower.

Der Normal(=BF Fender)-Kanal des Twin läuft mit einer GE5751 (erste Gainstufe und einer JANPhilips12AX7WA als Endstufentreiber, dort befeuern zwei TTEL34 ein Pärchen aus SilverBell und BlueDog. Mein Traumsound - wunderbar!

Der Leadkanal (Boogie MKIIc-Schaltung) war einige Zeit mein Sorgenkind. Da ich auch per Verzerrer verzerrte Zerrsounds (nu, jetzt aber!) mit der Kanalumschaltung von Rhythmus- auf Solopegel booste, kommt der Wahl der Röhre entscheidende Bedeutung zu - der Grundsound muss TOP sein, da ich einige Nummern im Programm im "puren" Leadkanal spiele, und andere mit heftigem Wahen (Insider wissen, was gemeint ist...), wieder andere bestreite bich im Rhythmus-Part mit Verzerrer+Normalkanal, im Solo dann mit Verzerrer+Leadkanal. Es muss alles passen! Mit steigendem Zerrpegel wird der Spound fast jeder 12AX7 fetter, und "zu fett" ist eben "zu" fett.

Exkurs: je länger die Anodenbleche, so kann man verallgemeinern, desto offener weniger mittig der Sound. Röhren mit kurzen Systemen (JJECC83 oder einige Sovteks) haben wenig Brillianz und neigen sehr zum Singen, auf Kosten der Präs- und Transpar-enz. Warum dann nicht einfach lange Anodensysteme bauen? Tja, ganz einfach: die kurzen Systeme sind fast nicht zu Mikrofonie zu überreden, bei Röhren mit langen Systemen hat man da leichteres Spiel. Generell sind JJs aber für ihren äußerst, wirklich äußerst robusten Aufbau bekannt: dickes Glas, geringe Toleranz der Bauteile, mechanisch sehr stabil. Aber man kann die Physik nicht betrügen: lange Anodensysteme sind mikrofonieanfälliger.

Egal, welche Röhre ich in die kaskadierte Vorstufe einsetzte, es kam nie ganz genau das dabei heraus, was ich wollte. GE5751 (wie im Normalkanal) war ok, aber ich wollte mehr Wärme, gleiches galt für die GE12AX7. Meine altehrwürdige RCA blackplate (=unbezahlbar) brachte einen phantastischen Grundsound, rund und voll (aber nicht zu dick), aber die Verzerrung war für mein Soundideal zu dreckig. Gleiches galt für die JANPhilips12AX7WA, und auch für eine Sylvania 12AX7. Die GT12AX7-M (Mullard Reissue) brachte den überzeugendsten Sound in Verbindung mit Verzerrern und Wah, der Grundsound war mir aber zu - ähm - anders. Ein zu stark betonter Mittenbereich. Sehr 3D, sehr dynamisch, die Röhre tut genau, was sie soll, aber ist nicht das, was ich suche. Aber tolle Röhre, vielleicht sogar der zweite Platz. Kommen wir zum ersten Platz: die aus einer Laune heraus bestellte JJECC803 ist die 12AX7-Type mit den längsten Kathodensystemen überhaupt. Etwa 3mm länger als der der GT-Mullard-Reissue. Offener, dynamischer Klang war also zu erwarten. Andererseits ist von JJs generell ein warmer Grundsound bekannt - ich war gespannt, aber nicht zu gespannt, um es mir nehmen zu lassen, die ECC803 vor Inbetriebnahme mit 2cm Schrumpfschlauch am oberen Ende gegen Mikrofonie zu wappnen (hey: ein MKIIc-Schaltkreis ist high-gain!), so wie ich es mit allen 12AX7 mit langen Systemen mache. Dauert 3min und hilft. Für kaskadierte Schaltungen sollte man sich die Zeit nehmen.

Zum Sound: Ich habe das erste Poti auf etwa 7 (satter Crunch), das zweite so auf 3 (Laustärkeanpassung an den Normalkanal).
Der Grundsound der ECC803 ist phä-no-me-nal: Warm, transparent, ausgewogen. Keine irgendwo irgendwie zu sehr betonten Frequenzen, sehr ausgeglichen (ausgeglichener als die JAN Philips!!!). Angenehme Wärme, ohne irgendwie "mittig" zu klingen, tolle Annahme der Spieldynamik (vor allem mit den Fingern angerissene Saiten KNALLEN), die frischen Saiten der Strat klingeln nicht zu sehr, die Bässe knallen bei Bedarf (oder machen flummmm), die Mitten singen und koppeln früher als mit jeder anderen ausprobierten Röhre (!!!) zum Feedback, die Präsenzen und Höhen sind klar gezeichnet, und (schwierigste Disziplin) die Akkordauflösung ist Spitzenklasse! Spätestens da kackte jede andere Röhre im Direktvergleich ab. 9er Akkorde - Steckenpferd von mir - mit heftigem Crunchsound - wunderbar, Eleganz in Vollendung. Effekte wie Fuzz, Octafuzz, Overdrive, Vibe und Wah klingen wie sie sollen - keine Anpassung notwendig. Alles geht willige Verbindungen ein und verschmilzt zu EINEM SOUND. Einfach nur Leadsound und Wah, eine Wonne. Vibe dazu, noch wonniger :). Ein leichtes Fuzz dazu, geil :)). Ocafuzz an, boah!
Die ECC803 ist zudem die ruhigste Röhre, die seit langem in diesem Kanal gewerkelt hat. Der ohnehin sehr ruhige und rauscharme Twin verbreitet auch im Leadkanal keine Assoziationen zu Wasserfällen!

Für mich ein wahres Kunstwerk, diese JJECC803. Echt super. Leute, ich hatte mal eine Sammlung von 65 verschiedenen Vorstufenröhren, nur die besten sind geblieben (General Electric, Syvania, JAN Philips und einige EH12AY für den Hall), aber die JJECC803 ist mein neuer Liebling (Honeymoon eben). Wäre der Normalkanal-Spound mit der 5751 nicht genjau das, was ich will, würde ich dort noch eine einsetzen.

Der Preis ist übrigens indiskutabel niedrig, hab ihn vergessen - im Grunde eine Billigröhre! Ich hätte im Nachhinein das Doppelte oder Dreifache bezahlt!

Ich grüße euch!

ferdi



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