Re: Ruum Twänti Twälf


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Beitrag von groby vom Dezember 10. 2007 um 11:23:00:

Als Antwort zu: Re: Ruum Twänti Twälf geschrieben von erniecaster am Dezember 10. 2007 um 09:31:50:

Hallo. Hier ein Vorwort: Ich bin heute etwas harsch drauf. Das tut mir ein bißchen Leid, aber ich kann nicht anders wenn ich diese Unterhaltungsschscheiße sehe die auf den normalen Sendern läuft. Schaut doch einmal ein halbes Jahr kein Fernsehen und schaltet dann wieder ein und dann sagt mir, wie okay ihr findet, dass sowas als normal und anschauenswert erachtet wird. Ich kann das nicht gut finden. Ich hasse es, hasse die blöden Fratzen der Leute, ihr Auftreten, ihr Wertegefühl, hasse das was sie vermitteln und dastellen, hasse, was sie jungen Leuten vermitteln, verabscheue es mit jedem Gedanken dass da die großartige Kulturform Musik beliebig in die grobe Unterhaltungswurst gedreht wird und jeder Mensch der das ernsthaft schaut und gut findet der sinkt in meiner Achtung. Ja, ich bin da total militant und arrogant und harsch und anstrengend. Das nehme ich in Kauf. So. Da steht es jetzt. Ich habe es gesagt. Jetzt zum Thema:




Hi.

Nun ja, es ist vielleicht etwas weit hergeholt, das Nicht-Verstehen einer Fernsehanspielung gleich zum Heranziehen eines Bürgerkrieges hochzurechnen. Aber okay.

Andererseits leben wir bereits in einer modernen, pluralistischen, fragmentarisierten Gesellschaft in der eben nicht alle Bürger dasselbe sehen, hören, essen, denken, glauben, gut finden, wertschätzen oder konsumieren.

Wir leben im Zeitalter vieler unterschiedlicher Lebensentwürfe und -möglichkeiten. Wir haben noch nie so viele verschiedenen Kulturen und Subkulturen nebeinander gehabt. Das ist nicht grundsätzlich eine Gefahr sondern im Gegenteil: Eine Bereicherung.

Die Idee, Geimsamkeit zu stiften um sich einer gefühlten Auseinander-Reißung der Gesellschaft entgegen zu stemmen, ist auch gefährlich. Sie hiesse, nur weil wir gemeinsam denselben kulturellen Zeichenvorrat haben, hieße das, wir könnten besser miteinander reden. Das ist ein Trugschluß.

Sowas hört man auch aus den hinteren, dunklen Reihen der CSU. Immer wenn von "Überfremdung" oder so'm Quatsch die Rede ist. Verkannt wird dabei...

1.) ...dass kulturelles Miteinander und deren Erfolg sich im Miteinander selbst und in der Einstellung zueinander definiert - und NICHT ob wir alle auf genau diesselbe Art Weihnachten feiern oder alle eine Günther Jauch-Parodie sofort erfolgreich verstehen.

2.) ...dass eben nicht das Banalste, der kleinste gemeinsame Nenner am besten geeignet ist, einen "Kitt" zu bilden. Das wäre das Diktat der Dümmsten. Das, was noch der Anspruchsloseste mit seiner geringen Aufmerksamkeitsspanne und seinem kurzlebigen Modeverständnis gerade noch so aktuell versteht und mag, wird dann zum kulturellen Grundstock erhoben und zum Kulturkanon erklärt, bei dem man dann mitreden können sollte.

3.) ... dass etwas wie Überfremdung oder divergierende Kulturauffassungen nicht an kurzlebige Modeerscheinungen oder andere äußerliche Phänomene gebunden sind sondern auch innerhalb einer vermeintlich homogenen Gesellschaftstruktur stattfindet.
Wenn Stoiber von "Überfremdung" spricht und dabei meint, es gäbe zuviele türkische Imbisse und zu wenig deutsche Gasthäuser (oder was immer er auch meint, anständig definiert wird so ein Unsinns-Schlagwort ja nie wirklich) dann rechnet er sein eigenes kleines, niedliches Weltverständnis hoch, erklärt es als normengültig und verlangt, dass sich seine Umgebung an dieses auf eine Weise anpasst, die mit echter Fremdheit versus Vertrautheit nichts zu tun hat.
Weil nämlich Fremd- oder Vertrautheit mit Lebenseinstellungen und dem Zusammenpassen von individuellen Lebensentwürfen, weil echtes Verständnis mit Werten, Normen und Einstellungen zu tun haben. Daher sind mir viele koreanische Gaststudenten kulturell erheblich näher als Edmund Stoiber, mit dem ich außer einer Muttersprache fast gar nichts teile. Daran würde es auch nichts ändern, wenn Stoiber und ich von derselben Musikverschrottungsscheiße auf ProSieben "so grob, als Phänomen" wüssten. Wir könnten dann höchstens etwas besser Small Talk betreiben. Aber wir könnten nur kurzzeitig übertünchen, dass uns in Wirklichkeit Welten trennen.

Wenn Du, ernie, jetzt als Beispiel gar nicht schlecht anführst, dass Du und Lone* jetzt über etwas reden könnt, dann würde ich sagen, ihr redet ja gar nicht echt miteinander. Ihr seid nur in der Lage, über komplett banale Fernsehkacke zusammen etwas höfliches, soziales Geräusch zu produzieren. Geplapper über Tratschzeug. Klar stärkt das irgendwo ein oberflächliches Gemeinschaftsgefühl. Aber wirkliche Kommunikation oder echte innere, tiefe, gesellschaftliche Verbundenheit entsteht da jetzt nicht unbedingt, oder?


Gruß,
robert
*




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