Nostalgie
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Beitrag von Harvey vom Dezember 01. 2000 um 08:13:16:
Als Antwort zu: Re: (bO²gie's Bastelstunde) Brumm mal Dreieinhalb und was Intimes geschrieben von Harvey am Dezember 01. 2000 um 06:45:26:
Muß noch was loswerden.
Also irgendwas an dem Bild erinnert mich daran, wie es früher einmal war ;-)))).
Mitte der Siebziger war die Zeit der Heimwerker ausgebrochen - überall gab es plötzlich Replacement-Parts: Zuerst Tonabnehmer, die endlich mal die Vorstufe ein bisschen ankitzeln konnten (damals, so kurz nach dem Krieg, gab´s ja nix - wir waren ja froh, wenn überhaupt mal irgendwo was gezerrt hat) - z.B. die Marzio X2N Power Plus - gibt´s sogar heute noch.
Dann gab es nach und nach auch alles andere, was nicht niet- und nagelfest war. Strats waren der Bauweise wegen (geschraubter Hals) natürlich die meistgetunten Klampfen überhaupt - sozusagen der Manta unter den Gitarren. Man lag Samstags nicht mehr ölverschmiert unter dem Auto, sondern verschwand stattdessen im Lötnebel.
Vor allem Messing versprach einem den Himmel auf Erden - Sättel, Vibrato-Blöcke, Potiknöpfe - es gab sogar Pickguards aus solchem, führte meist zur Vereisung des kleinen Fingers der rechten Hand. Nur Messingsaiten gab es nicht, AFAIK. Firmen kamen und gingen - wer kennt noch "Mighty Mite-Pickups" oder Kahler-Fulcrum-Tremolos? (Den Unterschied zwischen Vibrato und Tremolo haben die Amis bis heute nicht so recht intus).
Plötzlich tauchte die Firma Schecter auf und bot Korpusse und Hälse an - war allerdings damals schon sauteuer, sparen war angesagt. Einer aus der Band hatte gerade eine Frittenbude aufgemacht - schnell den Briefkopf ergänzt mit "Gastronomie und Diskotheken-Beschallung", und schon rollten anstandslos zwei Schecter-Bausätze zum Unternehmer-EK an, einer für jeden. (Was Gitarrenhälse mit Disko-Beschallung zu tun haben könnten, war dem Großhändler wohl nicht des Nachdenkens wert).
Keine Bauanleitung - also selber durchgewurschtelt - Korpus natürlich nicht grundiert und gespachtelt, sondern direkt druff mit der Farbe, keine Zeit. Tropfnasen abgeschmirgelt, Maserung guckt durch, also noch ´ne Lage und noch eine und noch eine etc. Hat vier Wochen gedauert, bis der Lack einigermaßen trocken war und das Ding beim Umschnallen nicht mehr am Hemd kleben blieb. Wurde dann noch -zigmal umgebaut und hat bis heute gehalten. War sogar mit in professionellen Studios und wurde soundmäßig vom Fachpersonal nie beanstandet.
Meine zweite Strat ist eine 75er mit Dreipunktbefestigung (alle lästern drüber, aber Walter Trout liebt so was auch). Die war ursprünglich natur, was natürlich nicht cool aussah. Cool sind schwarz und blutrot und sonst gar nix. Also notdürftig den Klarlack angeschmirgelt und mit schwarz gesprüht - voila! Sitzt bis heute. Den Hals natürlich gleich mit, und da das Palisander-Griffbrett im Dunkel der Bühne zu hell war, auch (Farbreste sind heute noch drauf). Fühlte sich anfangs seltsam an, ich hatte auch meist schwarze Fingerkuppen und verwechselte bei schlechtem Licht schon mal ein paar Töne, aber bei der Optik war das egal.
Die Gitarre hat übrigens eine schöne Macke im Korpus, durch einen herabsausenden Scheinwerfer, der eigentlich meinem Kopf gegolten hatte -schon allein deshalb würde ich sie nie, nie, nie her geben (wem auch).
Das einzige, was ich nie selbst gemacht habe (paranoia-halber, mit so was traut man sich ja nicht zum Gitarrenprofi), ist Bundieren. Die Bünde haben sich im Laufe der Zeit irgendwie von selbst gleichmäßig geschliffen. Und das, ohne das Bandrepertoire jeden Monat insgesamt um einen Halbton nach oben zu transponieren und dann nach einem Jahr wieder am Ausgangspunkt anzukommen (wäre auch eine gute Übung für Sänger gewesen). Es schnarrt kaum, und die Saitenlage ist bei beiden nicht gerade briefmarkenmäßig, aber auch nicht so, daß man ein Kotelett zwischen Hals und Saite durchschieben könnte. Also eine für richtige Männer mit einem Männersound.
Später habe ich mir dann allerdings auch noch "richtige" Gitarren geleistet. Die zu erwähnen ist mir aus anderen Gründen eher peinlich, weil sie so scheißteuer sind (na ja sooo teuer nun auch wieder nicht).
Cheerio, Harvey
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