(Philosophie) Schöpferisch oder nichtBeitrag von Harvey vom September 20. 2000 um 10:07:53: Weiter unten im Jimi-Thread gibt es kontroverse Ansichten darüber, inwieweit jemand originell ist oder nicht. Schöpferisch bzw. originell (origo heißt ja Ursprung, also ursprünglich) ist für mich jemand, der etwas Neues, was so noch nicht in der Welt war, aus dem allgemeinen Unbewußten in die Zeit bringt, bildlich wie eine Gestalt, die aus dem Meer Wasser schöpft, aus dem Ungeteilten in die Sonderung. Im eigentlichen Sinne greift er dann nicht auf Vorhandenes zurück, ihm "fällt etwas Neues ein", woher und wie auch immer, da kann man je nach Weltanschauung die verschiedensten Theorien anführen. Natürlich gibt es keinen auf der Welt, der nicht AUCH auf Vorhandenem aufbaut - wir lernen alle zunächst eine Muttersprache, mit drücken wir dann möglicherweise aber bisher Ungesagtes aus, oder entwickeln sogar die Sprache selbst weiter. Was das Schöpferische oder Originelle in der Musik angeht, so kann sich dies auch in verschiedener Gestalt zeigen. Es gibt z.B. Musiker, die sind originell in Bezug auf die Musik, die ihnen "einfällt" und niemand sonst - andere sind originell in der Art, wie sie arrangieren, also Vorhandenes in eine Form bringen (es gibt ja auch den Beruf des Arrangeurs, dem substantiell nichts Eigenes einfallen muß, aber eben formal), dann gibt es noch die Ausübenden, die Instrumentalisten, die in der Lage sind, etwas zu spielen, sei es Eigenes oder auch Fremdes, in das sie sich "einfühlen". Der Begriff Komponieren (zusammensetzen) betrifft schon zwei Bereiche gleichzeitig - man bringt das, was einem passiv "einfällt", aktiv in eine Form. Der "Einfall" selbst kommt aber nur durch passive Empfänglichkeit zustande, man kann ihn nicht willentlich-aktiv erzwingen (höchstens die Bedingungen schaffen, die vielleicht eher günstig dafür sind, daß einem etwas einfällt). Die drei Talente (es gibt bestimmt noch mehr) können, müssen aber nicht gleichzeitig in einer Person auftreten. Es gibt z.B. Komponisten, die ihre eigene Musik nicht spielen können, Virtuosen, die nicht komponieren usw. Joe Cocker z.B. ist ja eigentlich "Sänger in einer Coverband" - originell finde ich ihn aber schon auch durch die Art seiner Arrangements, wie immer die auch zustande kommen (alles selbst gemacht oder durch kluge Wahl oder aktive Inspiration seiner Mitmusiker) und die unverwechselbare Stimme selbst. Bei Jimi kommt da schon einiges zusammen, finde ich. Originell in der Substanz der Musik, weil er selbst "komponiert hat", originell in der Form seiner Arrangements (dazu zählen für mich auch Wahl und Einsatz der technischen Mittel live und im Studio - er hat ja auch mit Roger Mayer zusammen völlig neue Sound-Effekte entwickelt, oder man höre sich mal Electric Ladyland an, solche Studio-Sounds gab es vorher nicht) und schließlich auch originell in seiner Spielweise selbst (er wurde zu Lebzeiten ja nicht kopiert). Mir ist auch egal, ob er das Wah erfunden hat oder nicht - er war bestimmt der erste, der es bekannt machte, und zwar durch dessen genialen Gebrauch. Es gibt auch Musiker, die ich als unverwechselbar, eben originell, empfinde, obwohl sie, was die äußere Formalität angeht, gar nichts Neues bringen, z.B. Steve Lukather. Der hat von sich selbst gar keine gute Meinung, was das angeht, hält "seinen" Stil für ein von seinen Lieblingsgitarristen zusammengeklautes Gebräu. Das mag auch sein, daß er sich bei vielen Inspirationen geholt hat, aber die Melodien und Kompositionen sind schon sehr originell, weil unverwechselbar, man hört "ihn" durch all das hindurch .. finde ich ...
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