Das Billgotchi
Ausschlüpfen
Nach der Installation von Windows (Version egal) dauert es
nur ein paar Minuten, und der kleine digitale Quälgeist pellt
sich aus seiner Shell. Keiner weiss genau, wie er aussieht.
Aber er ist frech, hinterlistig und schwer erziehbar. Immer zu
Streichen aufgelegt, hält das putzige Kerlchen den
Mauszeiger fest, verwüstet den Schreibtisch seines Herrn
oder schaltet heimlich die Grafikauflösung um. Selten schaut
der Bildschirm so aus, wie man ihn verlassen hat, womit auch
dem stursten Technik-Gläubigen klar sein müsste: Da drin
lebt was!
Füttern
Kriegt Billgotchi nicht regelmässig Happa-Happa, wird er
sauer. Wer Hinweise über den Zustand seines Haustieres
sucht, findet sie unter
Einstellungen/Systemsteuerung/System/Leistungsmerkmale -
trotzdem sagen sie nichts aus. Gotchi täuscht gern mit der
Auskunft "optimal konfiguriert" und benimmt sich dennoch
daneben. Er kommuniziert mit spassigen Botschaften vom
Kaliber "reagiert nicht" oder "die Anwendung ist überlastet".
Gotchilein setzt drollige Buttons, auf denen etwa "Task
beenden" steht - die aber trotzdem nicht funktionieren.
A-a
Besonders ulkig ist es, wenn der Kleine seine Platte
vollkackt. Alle Nase lang lässt er riesige Stinkerhäufchen
fallen, die mit einer unanständigen Wellenlinie beginnen und
gern auf .tmp enden. Doch nicht immer sind die Abfälle so
klar zu erkennen. Seine Ordner scheisst er schnell mit 50, 60
MByte DLL-Böllern zu. Aber Obacht beim Aufputzen:
Billgotchi wird todkrank, wenn man eine seiner
Lieblingsausscheidungen entsorgt!
Disziplin
Ein Haustier muss von Zeit zu Zeit geschimpft werden. Bei
Billgotchi heissen solche Strafen "Treiber". Die Freunde des
kleinen Fieslings beschenken einen mit Unmengen dieser
ausgefuchsten Dinger, aber sie sind so gebaut, dass sie vor
allem Herrchen aua machen. Im Billgotchi-Kauderwelsch
heisst das "veraltet" oder "schlampig programmiert".
Spielen
Um ein Tierchen muss man sich kümmern. In
unvorhersehbaren Abständen macht Billgotchi auf sich
aufmerksam und schickt Herrchen zum Gassigehen: Update
kaufen! Und dann muss Herrchen stunden-, ja oft tagelang
mit Billgotchi spielen. Und zwar nicht einfach bloss ein
bisschen Knöpfe drücken, nein, das Repertoire ist enorm:
Bücher kaufen (und lesen!), Hotlines anrufen (und dabei
teure Musik hören!) oder gar (ehemalige) Freunde zu sich
einladen, zum Mitspielen.
Licht ausmachen
Irgendwann muss auch Billgotchi schlafen gehen. Früher
knipste man einfach mit dem dicken Schalter das Licht aus,
aber seit Gotchi so hoch entwickelt ist, besteht er auf einen
komplizierten Zu-Bett-Geh-Ritus. Aus unerfindlichen Gründen
sagt er dazu "Herunterfahren" (in die Hölle?). Selten geht er
gleich schlafen, sondern fragt noch dummes Zeug (möchten
Sie die Änderungen in ^^#kwrxLT34_.b}% speichern?).
Bockig wird unser Liebling, wenn er alten Kram aus der
SpielzeugDOSe bekommen hat. Dann nuschelt er todmüde
zuerst Anwendung beenden, ohne Herrchen das
dazugehörige Geheimnis (Strg- Alt- Q oder so) zu verraten.
Ein echtes Miststück wird Billgotchi, wenn man vor seinem
Abendgebet etwa den Scanner ausschaltet: Dann geht er nur
mit roher Gewalt in die Heia, und keiner weiss, was für ein
Monster er am nächsten Morgen ist!
Das Ende
Kann Billgotchi sterben? Die grausige Antwort: nein! Irgend
wie krabbelt er jedesmal wieder aus der Grube. Wie oft
schon gab es Hoffnung, dass das alte Biest für immer über
den Jordan ist, aber jedesmal bracht der Hersteller ein
neues, noch bunteres, noch tolleres Billgotchi heraus, und
die Seuche hielt an. Ja, sie erfasst sogar beständig mehr
Menschen. Abermillionen von Billgotchi- Herrchen haben die
Kellerregale voll mit den alten Schachteln der teuren alten
Versionen. Aber irgendwie ist er uns allen ja auch ganz arg
ans Herz gewachsen, oder?