Liebe Trinkgemeinschaft,
es kommt ja in den besten Familien mal vor, dass jemand stirbt. Einige sterben deutlich zu jung, das tut dann extra weh. Aber selbst wenn jemand ein erfuelltes Leben hatte, und eben selbst wenn das Ende evtl. mit Krankheit kam - betrueblich ist es doch fast immer.
Weil das so zum Leben dazugehoert, und es sich nicht oft gute Worte finden lassen, halte ich mich bei solchen Anlaessen gewoehnlich zurueck. Das laute betrinken eines Abganges ist nicht mein Ding.
Heute ist es mal was anderes, aber keine Sorge, ich werde hier keinen detaillierten Nachruf auf Levon Helm schreiben, das koennen andere besser. Auf mein Leben hat er einen messbaren Einfluss gehabt, aber darum geht's nicht. Auch das Gefuehl "ich werde erwachsen / alt / uralt" weil einem die Vorbilder / Wegbegleiter / Nachkoemmlinge abhanden kommen, ist oft genug schon beschrieben worden.
Mir sind an der heutigen Nachricht zwei Dinge wieder einmal bewusst geworden, ueber die ich schon immer was schreiben wollte. Und wer nur alle drei Jahre was tippt, darf ja vielleicht auch mal wieder etwas maeandern.
Zwei Dinge? Werden wohl drei.
1) Zu dem "Last Waltz" kann man ja stehen wie man will, der Film spaltet ja ab und an die Gemeinde, auf jeden Fall verdanken wir ihm Spinal Tap ;-)
Aber die Musik Aufnahmen waren schon sehr beeindruckend, finde ich. Ob da im Nachhinein noch im Studio gemuschelt wurde? Ich vermute es, aber es ist mir fast egal. Ich werde Film und CDs sicher nie lange aus der Hand legen. Obwohl die Musik selbst oft nicht ganz mein Ding ist. Das Handwerk, das Zusammenspiel, die Emotionen sind mir beeindruckend genug.
Und The Band haben ja schliesslich noch anderes gutes Zeug gemacht.
Mit dem "Last Waltz" aber habe ich eine merkwuerdige Erfahrung gemacht, die mich etwas verbluefft hat. Ich bin naemlich von Haus aus so ein Naturkasper. Wisst ihr wohl. Als junger Mensch mochte ich es am liebsten Echt, mit allen Fehlern, "Warzen und alles" wie der Brite sagt, ungehuebscht.
Den "Last Waltz" also als Film kennen gelernt. DVD gekauft. Gespielt bis zum Laser-versagen. etc. (nicht alle Stuecke, oh nein. Die meiste Zeit nur eines oder zwei ;-)
Und dann gab es ein Angebot, alle urspruenglichen Tonaufnahmen in einer CD Box zu kaufen, da konnte ich nicht widerstehen. Und das war ein echter Aufwecker: Das tolle Stueck, welches ich so gelungen, rund, perfekt arrangiert fand... war in echt zwei, drei Strophen laenger, und das zog sich hin, und das zweite Gitarrensolo war oede, und ich war echt platt. Musste mir doch eingestehen, dass an dem Nachschneiden evtl. was dran war.
Ist in der bildenden Kunst ja nicht anders. Eine Kollage kann auch mal gut werden, muss nicht immer die originale Kohlezeichnung sein.
Naja, lange tippe, kurzer Sinn, ich bin dann halt etwas erwachsener geworden mit der Zeit. Und kann selbst nach Jahren des wieder-hoerens die Uraufnahme nicht wirklich moegen.
So, und warum schreibe ich das nun? Weil mich im Hinterkopf eine Sache kribbelt: Es ist ja nun mal so, dass wir Menschen-Tiere uns an Dinge gewoehnen, besonders wenn die in einschneidenden Erlebnissen zu uns gelangen. Darum frage ich mich seit Jahren, ob die Filmversion des Stueckes nun wirklich so viel besser ist - oder ob das nicht einfach nur Gewoehnung war?
Geschmack ist ja nicht vergleichbar. Darum brauche ich fuer diesen Versuchsaufbau mehrere Probanden. Noch hakeliger ist natuerlich dass hier vermutlich die meisten Anwesenden mit dem Film(soundtrack) gross geworden sind. Aber wer weiss.
Ich wuerde gerne wissen, ob es hier eine Handvoll gibt die a) das in Frage stehende Stuck (jaja, es juckt Euch schon seit ein paar Minuten, aber ich wollte es nicht verderben, kommt ja gleich) entweder noch nicht oder ganz bestimmt nicht mehr kennen und b) interessiert waeren, sich besagtes Stueck mal fuer ein paar Wochen ab und an in der langen Version anzuhoeren... und dann ganz am Ende des Experiments mal die Film-Version dazu vergleichen?
An Wichtigkeit hat das einen Wert von 0.004 oder so, und wahrscheinlich waere es ganz in der Rumpelkammer geblieben... wenn heute nicht der Levon gestorben waere, und ich nicht arbeitsbedingt im Hotel sitzen wuerde, und so ueber's erwachsen werden und die Musikproduktionen sinnieren taete. Aber wer weiss, vielleicht wird's ja was.
Das Stueck um das es mir geht ist "Ophelia" und gesungen hat's Mr. Helm. (uebrigens finde ich nicht unbedingt, dass seine Stimme da "schoen" klingt. Aber sie passt!)
2) Schon bevor ich Bass spielen lernte habe ich grosses Interesse an Schlagzeugern gehabt. Auch wenn (siehe oben) jeden Tag grossartige Musiker die Plektren abgeben, ich stelle fest dass es eben oft die Schlagzeuger sind, deren Tod oder Krankheit mich am meisten bewegen. Es ist schon wieder fast zwei Jahre her das Richie Hayward starb, noch so einer der mir beim aufwachsen half. Damals haette ich beinahe geschafft, mal einen Beitrag zu schreiben :0) Um den nun im Detail zu preisen fehlt die Zeit. Aber auch hier gab's Kruemel im Kopf: hatte ich doch immer angenommen dass Little Feat ohne George am Schraubenschluessel gar nicht mehr viel gemacht haben. So sieht's jedenfalls aus wenn man in den Schallplatten Laden geht.
Da musste erst der Schlagzeuger sterben um mir die faszinierende, und mitunter verdammt tolle, Welt von Little Feat, Teil 2,3 etc. bewusst zu machen. Und da war ich ein bisschen aergerlich mit mir, denn wenn ich das vorher gewusst haette, wer weiss, vielleicht haette ich noch meine Oma verkauft, um die mal live zu sehen, mit Hayward, latuernich.
Ich vermute mal, dass es nicht lang wird bevor ich wieder so ein Gefuehl kriege - Ginger Baker ist schwer krank, dessen letzter Auftritt hier in London tat eher weh. Was ich hier sagen will? Im Sinne von Geier Stuzflug, 'besuchen Sie Konzerte von alten Meistern, solange sie noch spiel'n' :-)
3) ist kurz.
Bass spielen und singen ist so ziemlich dass fieseste was ich kenne.
Aber singen beim Schlagzeugern kann nicht ganz einfach sein. Ich habe einen Heidenrespekt vor Leuten die beides gleichzeitig gut koennen. Und ganz ehrlich? Wenn ich nicht gut aufpasse, erwische ich mich manchmal, solche Kuenstler ein bisschen zu verabscheuen ;-)
So, nun ist's gut mit dem Gesabbel.
Levon hat keine Schmerzen mehr, Richie ist guter Kompost, und von beiden hat's tolle Platten zum hoeren daeim. Jetzt trinke ich ein Prost auf beide, und dann noch einen auf alle Aussensaiter, die waren, und die die noch sind, und wuensche eine gute Nacht!
ullli
N.P. Little Feat "All that you dream" (die Studio Version, jawoll)