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(Philosophie) The stage is holy

Guten Tag —

mir lag das längere Zeit auf der Seele und hier passt es gut: ich habe einen kleinen Aufsatz, oder in diesem Fall wohl besser ein "essay" geschrieben, namens "The stage is holy". Es geht um... ja, das sagt der Titel eigentlich schon selbst. Hier könnt ihr in runterladen.

Was haltet ihr davon?

Liebe Grüße,

Felix


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hi Felix (so hieß mein Pättchen und eine Comic-Zeitschrift, die ich als Kind verschlungen habe),

ja, so soll es sein, wie Du es schreibst. Den einen Satz hätte ich noch drastischer formuliert: If You don't have anything to say, shut up! Gilt ganz besonders hier auf Arbeit, aber kaum jemand hält sich dran, leider.

Irgendwo im Text fiel mir unser alter Gitarrist ein, der immer sagte: schwarze Gitarristen spielen den Blues, Weiße stimmen ihre Gitarren...

Gleichsam gilt alles auch dann, wenn man, wie wir, eigentlich immer in Kneipenecken spielen, wo mal gerade ein paar Tische und Stühle weggeräumt wurden, damit ein winziger Platz für uns ist. Auch da gilt die Würde der Bühne, wenn es auch nur der blanke ebenerdige Boden ist.

Viele Grüße

Helmut


Re: (Philosophie) The stage is holy

Guten Nachmittag, lieber Felix,

: "The stage is holy".
: Was haltet ihr davon?



Tja, du willst sicher eine ehrliche Meinung hören; davon gehe ich jetzt einfach mal aus:

Ich mag das Layout und das Photo, aber das ist alles, was ich daran mag. Schon der Titel lässt das Schlimmste befürchten, aber es kommt dann eigentlich noch viel schlimmer. Das folgt genau dem Prinzip "Dieter Bohlen" und "Detlef Soost", die beide Geld und Bekanntheit dadurch erlangen, dass sie verkünden, was auf Bühnen stattzufinden habe und was nicht. Genau wie du schrecken auch sie vor großen Worten und vor Pathos nicht zurück; was sie machen, ist aber in jedem Fall normierend, und man müsste es eigentlich nicht so schlimm finden, wie ich das tue, wenn es nicht dummerweise dazu geführt hätte, dass Bühendasein heutzutage mehr mit Norm als mit Individualität zu tun hat. Dazu trägst du bei, und es scheint so, als sei das nicht einmal unabsichtlich.

Herzlichen Gruß,

Michael


Re: (Philosophie) The stage is holy

hi!

"... dass Bühendasein heutzutage mehr mit Norm als mit Individualität zu tun hat. Dazu trägst du bei, und es scheint so, als sei das nicht einmal unabsichtlich. "

ich verstehe deine kritik und sie ist auch sicher nicht völlig unberechtigt.

allerdings kann ich das für felix´text nur bedingt finden.

ich finde eher, dass er auf eine form von konzentriertheit/bewusstheit hinweist die allzu leicht vergessen/übersehen wird - und der kontext in dem er diese bewusstheit beschreibt/einfordert scheint mir sehr schlüssig.

es gibt übrigens im zeit-magazin von letzter woche ein sehr schönes interview mit tom waits in dem er einige erhellende dinge über die "rolle" des künstlers äussert.

passt ganz gut als ergänzung zu felix´text.

cheers - 68.


Re: (Philosophie) The stage is holy

Moin Michael -

Schade. Wieder einmal erreicht meine Nachricht mit mindestens 90° Drehung das Ziel. Und mit solchen Koryphäen quasi in einem Satz genannt zu werden, das hätte ich mir auch nie träumen lassen.

Das folgt genau dem Prinzip "Dieter Bohlen" und "Detlef Soost", die beide Geld und Bekanntheit dadurch erlangen, dass sie verkünden, was auf Bühnen stattzufinden habe und was nicht.

Ich interpretiere das eher so, dass sie Geld und Bekanntheit dadurch erlangen, dass sie möglichst viele "Zoten" raushauen und ein möglichst spannendes Drama darum veranstalten, wer denn nun wann rausfliegt und wer nicht. Und nebenbei verdienen sie ein paar Pfennig mit dem "Gewinner" der Staffel. Mit Musik hat das meiner Ansicht im Prinzip gar nichts zu tun. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mir das jetzt auch ein paar Jahre nicht mehr angesehen habe. Den Zusammenhang zu meinem Aufsatz kann ich jedenfalls nicht erkennen. Nicht im Ansatz.

Genau wie du schrecken auch sie vor großen Worten und vor Pathos nicht zurück; was sie machen, ist aber in jedem Fall normierend, und man müsste es eigentlich nicht so schlimm finden, wie ich das tue, wenn es nicht dummerweise dazu geführt hätte, dass Bühendasein heutzutage mehr mit Norm als mit Individualität zu tun hat. Dazu trägst du bei, und es scheint so, als sei das nicht einmal unabsichtlich.

Nichts liegt mir ferner, als eine Norm zu propagieren. Überhaupt kann ich mich nicht erinnern, irgendwas über Norm oder Individualität geschrieben zu haben. Den Punkt, dass das Verhalten der genannten Herren zu einem Veränderung im Bühnendasein "heutzutage" geführt habe, müsstest du mir nochmal erläutern, da komme ich nicht ganz mit. Und da du mich als dazu absichtlich beitragend betrachtest, wäre mir da ein klares Verständnis schon wichtig.

Viele Grüße,

Felix


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hi Helmut

Den einen Satz hätte ich noch drastischer formuliert: If You don't have anything to say, shut up!

Ja, unter "Shut up and play" liefe das ganze sicherlich wesentlich kürzer. Aber die Erläuterung lag mir am Herzen, denn eben genannter Satz ist wohl nur noch eine leere Phrase. Einem Freund habe ich neulich beim Auftritt zugeschaut. Der bringt den Satz auch ständig, hält sich aber nicht dran und plappert, brabbelt und blubbert ewig verlegen auf der Bühne rum, bevor er anfängt. Damit macht der Arme sich seine eigene Selbstsicherheit kaputt, denn wenn man ihn hingegen erst in letzter Sekunde auf die Bühne lässt, kann er echt eine fesselnde Performance hinlegen.

Auch da gilt die Würde der Bühne, wenn es auch nur der blanke ebenerdige Boden ist.

Absolut.

Beste Grüße,

Felix


Re: (Philosophie) The stage is holy

Lieber Felix,

: Ich interpretiere das eher so, dass sie Geld und Bekanntheit dadurch erlangen, dass sie möglichst viele "Zoten" raushauen ...


Nicht ganz. Sie verbreiten sich, genau wie du, darüber, was man auf Bühnen tun und lassen sollte. Und genau wie du, in der Tendenz pathetisch.

: Nichts liegt mir ferner, als eine Norm zu propagieren. Überhaupt kann ich mich nicht erinnern, irgendwas über Norm oder Individualität geschrieben zu haben.


Prima. Dann streich einfach das "please respect", das "keep a low profile", die zu bewahrende "dignity" und "humility" und die Ratschläge dazu, wann gestimmt werden soll und wann Witze zu erzählen sind, und schon passt alles ganz prima zusammen.

Herzlichen Gruß,

Michael


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hi Felix,

gut, was die Leute auf der Bühne machen ist ihre Sache und das sollen sie von mir aus so individuell machen, wie sie wollen.

Deine Ansicht, dass die Bühne ein "geheiligter" Ort sein sollte teile ich.

Mir persönlich hilft eine Bühne ungemein, wenn ich in die Rolle des "Entertainers" schlüpfen soll. Auf der Bühne kann ich die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums erwarten und kann mich auch in meiner exponierten Rolle vom Publikum gewisserweise abgrenzen, was auch das Publikum erwartet.

Die Zuschauer wollen keine Jungs von nebenan, sondern Künstler oder Stars sehen.

Deshalb sorge ich auch nach Möglichkeit dafür, dass der Rahmen stimmt.

- die Bühne muss gut aussehen, aufgeräumt sein

- auf der Bühne hat vom Publikum niemand was zu suchen

- der Auf- und Abgang der Band muss stimmen, wenn möglich, dann Ausgang hinter der Bühne benutzen.

- in den Pausen nach Möglichkeit die Bühne nicht betreten,  Stimmen o.ä. möglichst unauffällig im Hintergrund bei ausgeschaltetem Licht.

- Bühnenoutfit nur auf der Bühne tragen

- wenn Licht vorhanden, dann einstellen

Klar, das war jetzt die Theorie. Dass es in der Praxis meistens anders aussieht, weiss jeder.

Dennoch versuche ich immer das beste aus jeder Situation zu machen.

Gruß

Dan


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hallo Felix,

das Wichtigste zuerst: interessanter thread für die, die sich keine oder zuwenig Gedanken über das Thema machen. Über die, die Show und Präsentation ganz nach oben stellen und dann bei Tänzerinnen, Sequenzern und Halb-Playback landen schweigen wir.

Ansonsten würde ich das Thema nicht so eng fassen. Beispiel: man kann auch auf der Bühne stimmen, falls es wirklich ist. Aber für derartig banale Fälle sollte man im Lauf der Jahre doch auch Strategien entwickelt haben, wie man das macht, ohne das es nervt. Und, wichtiger, einen generellen Plan, ob überhaupt - nur Musik, doch auch etwas Show usw. - wie und wodurch man wirken möchte und was man tut und was man nicht tut, um ihn auszuführen. Holy ist der sicher nicht, aber hilfreich durchaus.

grüsse michael

PS: In einem Londoner Club sah ich Ende der 80er Jahren einen Haufen namens Inspector Tuppence and the Sexy Firemen. Dem Gitarrist riss eine Saite, also sprach der Chef der Truppe: soandso has to fix his broken string, let's do a Chinese song called Tu Ning. Dann folgte ein Groove innerhalb dessen die sechs Töne als Schleife durchliefen bis Gitarrist eingefädelt hatte und zum Soundtrack stimmte. War in der konkreten Situation sehr sehr witzig, weil es zu deren generellem Ansatz passte. Permanent mit dem Medium Musik und der Situation speelen - die hatten ein Format, einen Plan.

: Guten Tag — : mir lag das längere Zeit auf der Seele und hier passt es gut: ich habe einen kleinen Aufsatz, oder in diesem Fall wohl besser ein "essay" geschrieben, namens "The stage is holy". Es geht um... ja, das sagt der Titel eigentlich schon selbst. Hier könnt ihr in runterladen. : Was haltet ihr davon? : Liebe Grüße, : Felix


Re: (Philosophie) The stage is holy

:Was haltet ihr davon?

Mhhh Tach Felix,

Du bedienst in deinem Artikel ein Haufen Klischees - aber Klischees beinhalten ja auch immer viel Wahres. Von daher - ja das gibt's alles und vorallem scheinbar in der Rockmusik und manche Deiner Ratschläge sind für dieses Genre wohl brauchbar. 

Andererseits lese ich da so eine Ernsthaftigkeit raus, die mich schreckt. Und finde mich - als rech oft auftretender Musiker - überhaupt nicht wieder. Liegt vielleicht wieder am Genre, aber ich habe schon Konzerte erlebt, bei denen "das Stimmen" einen enormen Unterhaltungswert hatte. Aber ich nehme mal an, das Rockmusik eine ernste Angelegeheit ist. Deswegen lächeln die Buben auf der Bühne ja nie :o)

Nebenbei - ich hätte es lieber auf Deutsch gelesen.

LG
Rolli


Re: (Philosophie) The stage is holy

Moin Rolli -


: Andererseits lese ich da so eine Ernsthaftigkeit raus, die mich schreckt. Und finde mich - als rech oft auftretender Musiker - überhaupt nicht wieder. Liegt vielleicht wieder am Genre, aber ich habe schon Konzerte erlebt, bei denen "das Stimmen" einen enormen Unterhaltungswert hatte. Aber ich nehme mal an, das Rockmusik eine ernste Angelegeheit ist. Deswegen lächeln die Buben auf der Bühne ja nie :o)

Den von dir angesprochenen Unterschied zwischen den Genres konnte ich bislang nicht feststellen. Und vor dem Hintergrund der erfolgten Unterscheidung "ernst sein" vs "ernst machen" halte ich es keinesfalls für Paradox, dass ich die Bands, die ihrem Auftritt den entsprechenden Ernst entgegen bringen, auf der Bühne am meisten lachen und Spaß haben sehe. Und das Publikum mit ihnen.

: Nebenbei - ich hätte es lieber auf Deutsch gelesen.

Macht nix - ich hab's lieber auf Englisch geschrieben :)

BG,

Felix


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hallo Dan,

Die Zuschauer wollen keine Jungs von nebenan, sondern Künstler oder Stars sehen.

Mein Akustikprojekt ist ja ein "wir machen das nur aus Freude am Musizieren"-Projekt und wir spielen auch (bisher) nur in unserer Stadt.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Publikum positiv drauf reagiert, dass wir nicht perfekt sind ... unsere "Mängel" machen uns authentisch....

Wir haben dieses Jahr 2mal vor mehreren Hundert Leuten gespielt und da kamen schon Reaktionen wie: "Mensch, Herr Müller, ich kannte Sie ja bisher nur als Vermessungingenieur und Stadtrat, ich wusste ja gar nicht, dass Sie auch Gitarre spielen können....."

Naja, ich kann mir das auch schönreden.....*g*

Gruß Uli


Re: (Philosophie) The stage is holy

Was haltet ihr davon?

Hi Felix,

ich tendiere da in Michael (J.)s und Rollis Richtung, da ich auch nicht unbedingt alles, was Du geschrieben hast, unterstreichen kann.

Grundsätzlich ist es mir zu viel Schwarz-Weiss-Malerei ohne Grautöne, aber auch zu eindimensional und plattitüdenhaft.

Prinzipiell sagst Du (zumindest verstehe ich das zusammenfassend so): Macht aus eurem Auftritt ein Ereignis, baut Spannungsbögen auf, langweilt das Publikum nicht. Diese Aussage finde ich vollkommen ok und leider gibt es wirklich Bands, denen man das immer wieder sagen muss - aber das war's auch schon.

Man kann diese Aussage auch auf vieles anwenden - Theater, Film, Buch bis hin zur Freundschaft / Ehe (wobei das Publikum dann eher die Freindin / Frau ist :-))) und nicht nur der "heiligen Bühne" vorbehalten ist. (Und der Satz "Halt den Mund, wenn du nichts zu sagen hast - naja, der gilt wohl dauernd und überall.)

Du versuchst aber (so lese ich das zumindest), Tipps, wenn nicht sogar Verhaltenmaßregeln zu geben, was man zu tun und lassen hat - und das funktioniert leider nicht so.

Was bei dem einen Gitarristen als schlimmstes Posing angesehen wird, ist bei 'nem anderen total cool, der Roadie, der sich mit anwesenden Gästen unterhält, kann dadurch vielleicht die nächsten 10 Gigs initiieren, bei dem einen Sänger ist der erzählte Witz total langweilig, bei dem anderen Sänger schmeisst sich das Publikum bei dem gleichen Witz weg, bei der einen Band ist das Gitarrenstimmen ein Ereignis, bei der anderen 'ne langweilige Qual, usw. usf.

Ich glaube, ich kann deine Intention für dieses Essay schon nachvollziehen - ich sehe auch oft genug bei Konzerten irgendwelche Bands irgendwelche Sachen tun, die mir nicht gefallen - aber das gilt für diese Band, in diesem Augenblick. Bei 'ner anderen kommt vielleicht genau das Gleiche supergut rüber. DIE Regel, DEN Tipp, DEN Hinweis gibt es einfach nicht. Deshalb funktionieren solche Bücher wie "10 Tipps, wie man Rockstar wird" auch i. A. nicht :-)))

Es liest sich natürlich klasse: seid früh genug da, damit ihr ohne Publikum aufbauen könnt, macht das Saallicht vor eurem Auftritt aus, stimmt die Gitarren nicht auf der Bühne, erzählt keine platten Witze usw.

Ich bin zwar kein Profi, komme aber im Jahr auch auf 50 bis 60 Live-Auftritte (und das geht von der eigenen Band über Aushilfe bei befreundeten Bands bis hin zu Alleinunterhalterunterstützung und Hausband bei regelmäßigen Sessions.) und da sieht die Wirklichkeit ja oftmals ganz anders aus:

"Einlaß für das Publikum ist um 19 Uhr - unser Hausmeister kann euch so um 18.30 aufschließen, ihr könnt dann aufbauen", "das Neonlicht MUSS die ganze Zeit aus Feuerwehrtechnischen Gründen anbleiben", 19 Uhr Bühnentemperatur 14 Grad, 20:15 Uhr eingeschaltete PAR64, Bühnentemperatur 34 Grad, das Haar sitzt, aber die Gitarre ist verstimmt, du kannst über den platten Witz der Band, die du zum ersten Mal siehst überhaupt nicht lachen, aber die meisten Zuschauer brüllen vor Heiterkeit los - isses vielleicht 'n Running Gag für Fans?

Ich könnte ja noch stundenlang weiterschreiben - über Art der Musik, über das "vorhandene" Publikum hin zur "Zielgruppe", über Veranstalter, über falsche und richtige Werbung und und und - und das kann alles wiederum im Zusammenhang mit dem Geschehen und Verhalten auf der "holy stage" stehen - du siehst, obwohl ich oft ein Fan von "Vereinfachungen" bin - das ist in diesem Fall m.E. nicht möglich.

So - genug der vielen Worte - Deine Intention kann ich nachvollziehen, die "Lösungen" eher nicht.

Viele Grüße

Oly


Re: (Philosophie) The stage is holy

Was haltet ihr davon?

Hi Felix,

ich tendiere da in Michael (J.)s und Rollis Richtung, da ich auch nicht unbedingt alles, was Du geschrieben hast, unterstreichen kann.

Grundsätzlich ist es mir zu viel Schwarz-Weiss-Malerei ohne Grautöne, aber auch zu eindimensional und plattitüdenhaft.

Prinzipiell sagst Du (zumindest verstehe ich das zusammenfassend so): Macht aus eurem Auftritt ein Ereignis, baut Spannungsbögen auf, langweilt das Publikum nicht. Diese Aussage finde ich vollkommen ok und leider gibt es wirklich Bands, denen man das immer wieder sagen muss - aber das war's auch schon.

Man kann diese Aussage auch auf vieles anwenden - Theater, Film, Buch bis hin zur Freundschaft / Ehe (wobei das Publikum dann eher die Freindin / Frau ist :-))) und nicht nur der "heiligen Bühne" vorbehalten ist. (Und der Satz "Halt den Mund, wenn du nichts zu sagen hast - naja, der gilt wohl dauernd und überall.)

Du versuchst aber (so lese ich das zumindest), Tipps, wenn nicht sogar Verhaltenmaßregeln zu geben, was man zu tun und lassen hat - und das funktioniert leider nicht so.

Was bei dem einen Gitarristen als schlimmstes Posing angesehen wird, ist bei 'nem anderen total cool, der Roadie, der sich mit anwesenden Gästen unterhält, kann dadurch vielleicht die nächsten 10 Gigs initiieren, bei dem einen Sänger ist der erzählte Witz total langweilig, bei dem anderen Sänger schmeisst sich das Publikum bei dem gleichen Witz weg, bei der einen Band ist das Gitarrenstimmen ein Ereignis, bei der anderen 'ne langweilige Qual, usw. usf.

Ich glaube, ich kann deine Intention für dieses Essay schon nachvollziehen - ich sehe auch oft genug bei Konzerten irgendwelche Bands irgendwelche Sachen tun, die mir nicht gefallen - aber das gilt für diese Band, in diesem Augenblick. Bei 'ner anderen kommt vielleicht genau das Gleiche supergut rüber. DIE Regel, DEN Tipp, DEN Hinweis gibt es einfach nicht. Deshalb funktionieren solche Bücher wie "10 Tipps, wie man Rockstar wird" auch i. A. nicht :-)))

Es liest sich natürlich klasse: seid früh genug da, damit ihr ohne Publikum aufbauen könnt, macht das Saallicht vor eurem Auftritt aus, stimmt die Gitarren nicht auf der Bühne, erzählt keine platten Witze usw.

Ich bin zwar kein Profi, komme aber im Jahr auch auf 50 bis 60 Live-Auftritte (und das geht von der eigenen Band über Aushilfe bei befreundeten Bands bis hin zu Alleinunterhalterunterstützung und Hausband bei regelmäßigen Sessions.) und da sieht die Wirklichkeit ja oftmals ganz anders aus:

"Einlaß für das Publikum ist um 19 Uhr - unser Hausmeister kann euch so um 18.30 aufschließen, ihr könnt dann aufbauen", "das Neonlicht MUSS die ganze Zeit aus Feuerwehrtechnischen Gründen anbleiben", 19 Uhr Bühnentemperatur 14 Grad, 20:15 Uhr eingeschaltete PAR64, Bühnentemperatur 34 Grad, das Haar sitzt, aber die Gitarre ist verstimmt, du kannst über den platten Witz der Band, die du zum ersten Mal siehst überhaupt nicht lachen, aber die meisten Zuschauer brüllen vor Heiterkeit los - isses vielleicht 'n Running Gag für Fans?

Ich könnte ja noch stundenlang weiterschreiben - über Art der Musik, über das "vorhandene" Publikum hin zur "Zielgruppe", über Veranstalter, über falsche und richtige Werbung und und und - und das kann alles wiederum im Zusammenhang mit dem Geschehen und Verhalten auf der "holy stage" stehen - du siehst, obwohl ich oft ein Fan von "Vereinfachungen" bin - das ist in diesem Fall m.E. nicht möglich.

So - genug der vielen Worte - Deine Intention kann ich nachvollziehen, die "Lösungen" eher nicht.

Viele Grüße

Oly


Re: (Philosophie) The stage is holy

Moin Oly -

danke für dein aus Feedback. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass, wenn ich Beispiele benutze, sich immer wieder Menschen an diesen festbeissen und alles darauf reduzieren.

Dabei sind die von mir angesprochenen Punkte eben genau das: Beispiele. Was du mit "10 Regeln..." beschreibst macht kaum Sinn, da bin ich ganz bei dir. Wenn ich so etwas beschreibe, habe ich die Möglichkeit, entweder kein konkretes Beispiel zu nennen und eben das zu bleiben: Unkonkret. Alle denkbaren Beispiele zu erwähnen wäre meiner Ansicht nach wiederum redundant. Ich schaue mal, ob ich aber nicht doch lieber noch einen zusätzlichen Hinweis auf den Beispielcharakter des Stimmens auf der Bühne einbaue.

Was die Amateur-Realität angeht, so hatte Helmut ja schon was geschrieben: Egal wie "dürftig" die Mittel, das Grundprinzip bleibt bestehen. Das Stimmen: Klar, wenn in's Programm clever integriert - kein Akt. Der Witz: Klar, wenn gut erzählt, kein Thema - schrieb' ich ja. Die Einleitung "Wir sind xyz und rocken euch jetzt" - meinetwegen, wenn glaubwürdig rübergebracht. Aber bedröppelt auf die Bühne stolpern, Kontaktaufnahme mit dem Publikum verweigern, schlampig spielen weil der Wirt schlecht zahlt - das muss imho nicht sein und ist kontraproduktiv.

BG,

Felix


Re: (Philosophie) The stage is holy

Moin.

Ich empfinde den Text als interessanten Denkanstoß. Ich gebe ja u.a. Unterricht, dort ist einer meiner Lieblingssätze: geübt wird zu Hause. Gerade bei ganz jungen Schülern(mein jüngster Posaunenschüler ist 11) muß ich begreiflich machen das sie im Unterricht auch Fehler machen dürfen. Denn nur so kann ich korrigieren. Und dafür sind eben Unterricht und Proben da. In den 45 Minuten Unterricht in der Woche kann ich keine Stücke mit den Schülern üben, sondern muß einen Weg aufzeigen wie sie selbständig Material erarbeiten können.

Wenn ich Bands sehe die auf der Bühne "üben" und Material präsentieren das sie nicht können, brauche ich sie mir nicht anschauen. Mit der Rockband proben wir hin und wieder mit Publikum, da darf dann auch mal was schief gehen. Aber das wissen die eingeladenen Kumpel auch und das ist dazu da eben nicht auf der Bühne zu patzen. Was mir fehlt an Deinem Text fehlt ist folgendes: Man geht zusammen auf die Bühne, wenn denn Fehler passieren sind die anderen auch dazu da diese aufzufangen. Wenn dem Gitarristen eine Saite reißt und die Gitarre gewechselt werden muß oder eben mal stumm gestimmt wird, sollte der Sänger in der Lage sein die Zeit mit einer Ansage zu überbrücken. Und wenn man eben mal die Band vorstellt, die Techniker lobt oder die Blonde hinter dem Tresen dankend für die Bewirtung erwähnt.

Und ansonsten gilt der Satz aus Fleich ist mein Gemüse: "Ich muss abliefern, du musst abliefern, alle müssen abliefern. Manchmal ist das schön, manchmal ist das nicht so schön. Aber am Ende fragt man sich doch nur, ob du geil abgeliefert hast."

Gruß

Ugorr


Re: (Philosophie) The stage is holy

Tag Felix,

mir ist´s zu ernst, zu eindimensional und zu schwarz/weiß.

Natürlich will das Publikum unterhalten sein und wird sich veralbert vorkommen, wenn Leute das, was sie Vortragen weder können und sich dazu auch noch einen Dreck drum scheren wie sie sich auf der Bühne verhalten.

Aber es gibt für mich keinen fixen Bühnen Knigge.

Außer der Grundregel geübt zu haben, nicht betrunken zu sein und sich selber nicht zu ernst zu nehmen lassen wir immer das Publikum auf uns wirken.

Wenn passende, lustige Signale aus dem Publikum kommen, dann spielen wir auch damit.

Hast Du eine Horde "Armeverschränker" mit bösegucker Attitüde vor Dir brauchst Du auch keine Sorgen um Call and Response mit dem Publikum zu machen.

Da wird jeder Witz dann tatsächlich zum "Witz"

Flexibilität und ein Gespür für´s Publikum, Vorbereitet sein, ernstnehmen, ohne sich in bierernster Verkrampfung zum Totallangweiliger zu verwandeln.

Wir kriegen die meisten Komplimente weil wir offensichtlich Spaß an dem haben was wir tun und dieser Spaß in der Regel auf´s Publikum überspringt

Grüße

MIKE 


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hallo Rolli,

ich habe schon Konzerte erlebt, bei denen "das Stimmen" einen enormen Unterhaltungswert hatte.

Genau das hat Felix aber auch geschrieben: "Tuning your guitar might be implemented in an amusing way"

Aber ich nehme mal an, das Rockmusik eine ernste Angelegeheit ist. Deswegen lächeln die Buben auf der Bühne ja nie :o)

Das stümmt doch überhaupt net!

Also, wir lachen viel und oft - und das Publikum auch :-)

Grüße vom highseppl!


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hi Felix,

: Was haltet ihr davon?

ich fand vieles richtig. Überhaupt ist ja ein wichtiges Kriterium bei einem Text, dass er zum Nachdenken anregt und selbst wenn dann das Ergebnis des Nachdenkens bedeutet, dass man inhaltlich nicht in allen Teilen mit dem Text übereinstimmt, so hat er doch seinen Zweck erfüllt, imho.

Ich denke tatsächlich, dass viele Bands in die von Dir angesprochenen Fallen reintappen. Bei denjenigen, die Deinen Text zu dogmatisch finden, mag das an der von Dir selbst aufgerichteten Sprachbarriere liegen. Ich habe ihn jedenfalls nicht im Sinne von "Du musst dieses oder jenes tun" verstanden, sondern eher im Sinne von "Du solltest dieses oder jenes *nicht* tun". Und so gelesen nützt er mir. :-)

Keep rockin'
Friedlieb


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hallo Felix,
: Aber bedröppelt auf die Bühne stolpern, Kontaktaufnahme mit dem Publikum verweigern

Selbst das trifft nicht für alle zu. Wenn es zur Musik und zum bandeigenen Style passt, kann auch das richtig sein. Das Publikum muss halt das Gefühl haben: "Die sind so." Aus meiner Sicht müssen die Musiker authentisch rüberkommen. Es fällt halt einfach auf, ob ein bestimmtes Bühnenverhalten natürlich oder gespielt ist. Deshalb kommt ein und derselbe Witz bei einem gut an, beim anderen wirkt es eher peinlich.

Schau dir mal ein paar Live-Videos von Nirvana an. Die kamen bedröppelt auf die Bühne. Die haben die Kontaktaufnahme mit dem Publikum verweigert. Die waren schlampig angezogen. Ergebnis: Ihr Publikum hat sie trotzdem geliebt. Weil es stimmig war. Aussehen, Verhalten und Musik haben zusammen gepasst.

Gruß Haddock


Re: (Philosophie) The stage is holy

Hach, Friedlieb,

du bringst immer wieder Dinge so schön versöhnlich auf den punkt. Ich bin ja eher der, der erstmal Polaritäten schafft, damit jeder so seine Position einnorden kann, meist gehen die Wogen dann ganz schön hoch :-)

ich fand vieles richtig.

Ich auch!

Überhaupt ist ja ein wichtiges Kriterium bei einem Text, dass er zum Nachdenken anregt und selbst wenn dann das Ergebnis des Nachdenkens bedeutet, dass man inhaltlich nicht in allen Teilen mit dem Text übereinstimmt, so hat er doch seinen Zweck erfüllt, imho.

Genau meine Meinung. Und genau so habe ich Felix' Text verstanden.

Bei denjenigen, die Deinen Text zu dogmatisch finden, mag das an der von Dir selbst aufgerichteten Sprachbarriere liegen.

Das denke ich auch unbedingt. Als Englischprofi sozusagen lese ich da viel Humor zwischen den Zeilen und fast keine Dogmatik.

Gruß, ferdi


Re: (Philosophie) The stage is holy

Tach Felix

Ich glaube da ist viel drin, was die meisten als "selbstverständlich" erklären würden und auch tun. Ich auch.

Die Absolutheit macht  es jedoch schwierig "ja und amen" zu sagen. Aus den meisten Beiträgen lese ich ein "ja aber". Dem würde ich mich anschliessen.

Ich mag grunsätzlich das Thema, weil wir "uns" - ich auch - so schwer tun, uns auf der Bühne zu präsentieren. Ich sage immer wieder; wir, in Europa, gehen in ein "Concert" der Amerikaner "to the Show". Wer jemals in Amerika war und in irgendeinem kleinen Club landete, weiss was ich meine.

Aber wir machen unser Ding, so wie wir es für richtig halten. Der Wettbewerb richtet es von sich aus. Und unser Publikum ist hier und nicht in Amerika. Keine Dogmas dafür "go for it".

Der schwierige Teil der Kritik; ich bin "fast" zweisprachig. Ich würde es mir nicht zutrauen einen englischen Text ohne Bearbeitung durch einen "native speaker" auf die Menschheit loszulassen. Das macht Deine Gedanken nicht einfacher. Sorry.

Aber ja, da ist viel drin. Und nein, die "stage" ist nicht "holy". Sie ist .......  :-)

Liebe Grüsse, Manuel


Re: (Philosophie) The stage is holy

Moin Manuel -


: Der schwierige Teil der Kritik; ich bin "fast" zweisprachig. Ich würde es mir nicht zutrauen einen englischen Text ohne Bearbeitung durch einen "native speaker" auf die Menschheit loszulassen. Das macht Deine Gedanken nicht einfacher. Sorry.

Das wundert mich, da über den Text vor der Veröffentlichung ein Dutzend Muttersprachler drübergeschaut haben, die meisten von denen aus wieder haben beruflich sehr viel mit Sprache und Formulierung zu tun. Die von dir als "schwierig" betrachteten Stellen würden mich daher interessieren - gerne auch per eMail.

: Aber ja, da ist viel drin. Und nein, die "stage" ist nicht "holy". Sie ist .......  :-)

Na? Na? Sach' schon! :)

Liebe Grüsse,

Felix