Moin
Eine neue Manie scheint sich breitzumachen; Voting.
Von Vorne
Meine Band www.trialoff.ch hatte kürzlich die Idee beim Band Contest eines grösseren wie bekannten Süssgetränkeherstellers mitzumachen. Genau genommen war es der Schlagzeuger und der Sänger die Feuer und Flamme waren, während der Gitarrist eher ambivalent war und der Bassist (ich), gerade beschäftigt sein Privatleben auf den Kopf zu stellen, das ganze für bescheuert erklärte.
Die Spielregeln; Band meldet sich mit einem Song an, dieser wird samt Bio und Pics auf eine entsprechende Homepage geladen, Kreti und Pleti darf für eine bestimmte Dauer jeweils einmal pro Tag seine Stimme abgeben, die Band mit den meisten Stimmen kommt weiter.
Im Detail heisst das, das dass ganze einen geschlagenen Monat lang geht, diejenige die stimmen wollen müssen vorgängig ein Profil einrichten, natürlich unter Angabe Ihrer Koordinaten inkl Handynummer (die brauchts zur initialisierung des Profils) und sollten dann nach möglichst exakt 24 Std ihre Stimme für Ihren Favoriten abgeben. Die 12 besten Bands sind eine Runde weiter und dürfen an einem der grösseren Openairs einen Kurzauftritt auf einer Nebenbühne bestreiten. Dort werden Sie bewertet und gefilmt, das ganze geht wieder aufs Netz usw usf.
Man braucht also eine ganze menge Leute, die bereit sind erstens Ihre Handynummer zu verkaufen und anschliessend einmal im Tag zum Zeitpunkt X auf einen Button zu klicken. Das macht logischerweise kein vernünfiger Mensch über 16, also haben meine Mitstreiter jedem den sie kannten das Handy sammt Nummer aus dem Kreuz geleiert, ein Profil eingerichtet und das ganze via Excel Sheet verwaltet. Anschliessend wurde ringelum einmal täglich diese Liste abgearbeitet, bei 150 Profilen heisst das 150 mal einloggen, Voten, ausloggen, auf Liste abhaken, der nächste bitte. Und das Ganze einen geschlagenen Monat lang. Eigentlich hätten es nur drei Wochen sein sollten wurden dann aber auf halber Strecke um eine Woche verlängert. Super.
Meine Abneigung gegen das ganze wurde unter dem psychischen Druck meiner Mitstreiter langsam aber sicher als Verrat an der Sache etc blabla usw ausgelegt.
Irgendwann war klar, dass das alles nicht reicht, also flugs Kontakt mit möglichen potentiellen Mitstreitern gesucht, weil, wie schon gesagt, die ersten 12 kommen weiter. Die hatten logischerweise auch ihre Listen und im Rahmen von konspirativen Telefonaten gab es Allianzen. Offenbar mehrere Allianzen, es blieb ein Kopf an Kopf.
Unser Schlagzeuger hatte dann noch ein paar Telefonate mit den Brausemenschen und dessen IT Sklaven sowie Subfirmen über dieses und jenes und ob alle mit rechten Dingen zugehen würde. Ich behaupte, der ging den Leuten mit der Zeit schlicht auf den Sack.
Das Ende des ersten Kapitels; plötzlich gegen Schluss zählten unsere Stimmen nicht mehr und wir wurden 2 minunten vor Ende vom 12'ten auf den 13'ten Platz verwiesen. Und Tschüss....
Jetzt gings erst richtig los. Grosses Wehklagen und Erstellen von Verschwörungstheorien was irgendwann mal so ein Limonadenheini auch mehr oder weniger bestätigt hat. Man muss sich vorstellen dass unser Drummer jeden halbwegs zuständigen über Tage telefonisch beakert hat, mit rechtlichen Schritten drohte und der Scherze mehr. Die jungs von der Marketing Abteilung bei Brause&Co müssen echt gute Zeiten gehabt haben. Ich seh vor meinem geistigen Auge einen mittZwanziger mit RedbullBüchse (sofern sein Arbeitgeber das zulässt) der sich vor Begeisterung einen runterh... " .... heee Jungs, ER hat wieder angerufen... !!!" :-))
Mein Hinweis, dass die Brausefirma mit Ihrem Wettbewerb machen kann was sie will und ergo niemandem Rechenschaft schuldig ist blieb ungehört. Ganz blöde Gespräche hatten wir als er beschloss damit an die Presse zu gehen, worauf ich ihm ernsthafte Probleme versprach, sollte ich irgendwann meinen Namen in einer Zeitung entdecken.
Zum Glück fand sich kein Blatt, dass die Weltordnung ernshaft genug in Gefahr sah um ein Thema draus zu machen. Nochmal Glück gehabt. Ich hätte unseren Drummer vermutlich erschlagen.
Wir hatten dann noch ein Feedback von einer der Gewinnerbands. Die durften dann also tatsächlich an einem durchaus grossen Openair 20 minuten lang spielen. Allerdings irgendwo am Rande des Geländes in einem Sponsorenzelt, Mittags um eins mit drastischer DB Begrenzung und ein paar Nasen Publikum.
Irgendwann wird es einen richtigen Gewinner geben und die bekommen dann ein bisschen Studiozeit und Gratis Promo. Irgendsowas.
Das ganze hat sich in der Schweiz abgespielt, funktioniert aber meines Wissens in Deutschland ähnlich.
Und warum erzähl ich das alles. Im Zeitalter von Web 2.0 scheinen diese Art von Contests schlagartig zuzunehmen. Bei uns hat bald jedes Quartier OpenAir sowas am Start. Kostet ja nix bis wenig. Aber es lohnt sich zu wissen auf was man sich einlässt. Empfehlen kann ich es nicht wirklich.
Weiterhin schönen Sommer. Liebe Grüsse Manuel