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(Meinung) Konzertverriss - Victoria Tolstoy

Tach!

Hameln ist ein kleines, unbedeutendes Kaff, das jedem blöden Trend mit reichlich Verspätung hinterher hinkt, nie aber mit ganzer Konsequenz. Das Hamelner Jazz-Festival wird z.B. selten doof "Jazztival" genannt und fand gerade das zweite Mal statt. Ich war das erste Mal dabei und hier ist mein Bericht. Ich besitze eine CD von Victoria Tolstoy. Netter, skandinavischer Jazz, gut für Fahrstühle, zum Autofahren oder Beschallung von Abendessen mit Gästen. Die Dame war angekündigt und Madame und ich sahen dem Abend mit freudiger Erwartung entgegen.

Auf dem Weg in den Saal kam mir ein Mensch entgegen, dessen Gesicht ich aus Gitarre&Bass erkannte: Ulf Wakenius. Er wirkte ein wenig orientierungslos, wie bekifft, die Pupillen waren aber klein.

Auf der Bühne erschien ein Ansager, den ich leider kaum verstehen konnte - ahja, Support. "So do saxophnics" erkannte ich auf dem Plakat. Und da waren sie auch schon. Vier Saxophonisten, genauer gesagt drei und eine Saxophonistin. Nach umständlichem Aufbau der Notenständer konnte es dann ja losgehen. Der Bass-Saxer übernahm auch die Ansagen, konnte aber leider genauso wenig sprechen wie der Ansager vorher. Die vier spielten sehr anspruchsvolle, sehr moderne Musik - also dissonant und frei im Rhythmus. Zum Glück waren die einzelnen Musikstücke nur immer drei bis vier Minuten lang, zum Unglück addierte sich die gesamte Spielzeit auf eine Stunde. Aber es gibt eine gute Nachricht: Wie der ansagende Bass-Saxer versicherte, ist die einzige Dame der Gruppe schwanger, daher kann die Welt auf eine Babypause dieses Ensembles hoffen. Ja, man kann sich auch an kleinen Dingen freuen.

Aber der Hauptact sollte ja noch kommen.

Victoria Tolstoy kam mit dem einzigen Gesichtsausdruck auf die Bühne, den sie für den Abend mitgebracht hatte: Sie strahlte puppenhaft wie eine grausame Mischung aus Susan Stahnke und Carolin Reiber, war dabei so überschminkt wie früher Kim Wilde (was macht die eigentlich?) und versprühte so viel Charme und Erotik wie ein Stück Kernseife. Die Band, bestehend aus Kontrabassist, Schlagzeuger und Pianist legte los und Madame musste mich festhalten, da ich dringend den Mann am Mischpult fragen gehen wollte, ob das sein Ernst sei. Bollernd, scheppernd und trotzdem schneidend kam der Sound rüber. Schlimmer wurde es, als Victoriy Tolstoy anfing zu singen. Irgendwer hatte dieser skandinavischen Barbie erzählt, dass man bei lauten Tönen das Mikro vom Mund wegnehmen solle. Diese an sich gute Mikrofontechnik verkam zur reinen Pose. Überhaupt schien die Dame sehr von der Performance von Mariah Carey (von der wir lieber gar nicht wissen wollen, was die im Moment macht) beeinflusst zu sein. Weite, ausholende Bewegungen, ergriffenes An-den-Kopf-fassen, entrücktes Lächeln und was noch so dazu gehört, wenn man einmal ganz tief in der Klischee-Kiste kramt. Das Ganze war optisch unerträglich, der Sound ganz schlecht. Nach alter Erfahrung ist der Sound ja vor dem Saal immer besser, also dahin, da standen auch Stühle.

Tatsächlich war die Veranstaltung draußen angenehmer als drin. Dann wurde es drinnen plötzlich still. Ich ging nochmal rein und sah, dass Ulf Wakenius jetzt auch die Bühne gefunden hatte. Er spielte völlig solo auf seiner unglaublich dreckigen schwarzen Aria. Der Ton irgendwo zwischen billigem Synthie und Jazzgitarre. Offensichtlich hatte er aber das Publikum mit seinem Fingerstyle-Jazz wenigstens für dreißig Sekunden ruhig bekommen. Dann schaute er wieder ein wenig verwirrt um sich herum und fing an, die Geschwindigkeit zu erhöhen. In Quarten hoch, in Quinten runter oder so, zweistimmig, sicherlich eine technisch interessante Fingerübung. Das Publikum sah das auch als Einladung, die eben unterbrochenen Gespräche wieder fortzusetzen. Dann setzte auch die Band ein und ich ging wieder zu meinem Stuhl nach draußen.

Während die CD von Victoria Tolstoy eher leicht zu hören ist, verzichteten die Dame und ihre Kapelle an dem Abend auf alles, was auch nur ansatzweise nachvollziehbare Songstrukturen hatte. Nerviges, gequältes Jazzgniedeln, jeder in jedem Stück ein Solo, nach jedem Stück wurde die gesamte Band vorgestellt. So jedenfalls war das Konzert bis zur Pause. Wie es nach der Pause war, kann ich aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen nicht beurteilen.

Rockenrohl

erniecaster



Das einzige, was an diesem Konzert Spaß gemacht hat, war das Verfassen dieses Berichts.

Re: (Meinung) Konzertverriss - Victoria Tolstoy





Lieber Erniecaster,


ein sehr schönes, plastisches Review. Am besten gefällt mir der Teil mit dem Gitarristen aus G&B.


Schön insbesondere, dass du eigene Kriterien anlegst und ehrfurchtslos bleibst!


Gruß aus einem kleinen, unbedeutenden Kaff, das jedem blöden Trend mit reichlich Verspätung hinterher hinkt, nie aber mit ganzer Konsequenz, in ein ebensolches.


Michael

Re: (Meinung) Konzertverriss - Victoria Tolstoy

Hallo Leute,

ich kenne den Mann mit dem KFC-Hühnereimer nur von Bildern und wilden Geschichten. Was wäre denn für einen Einsteiger empfehlenswert? Gerne shred und gerne ruhig (eher letzteres), die ganz wilden Sachen dann lieber im Fortgeschrittenen-Stadium ;-).

Gruß
burke

P.S.: Die Samples treffen durchaus meinen Geschmack, jedenfalls teilweise. Könnte eine interessante Neuentdeckung werden...

Buckethead War : (Meinung) Konzertverriss - Victoria Tolstoy

Hallo Burke,

Für die ruhigen Sachen würd ich dir Colma empfehlen.

Für die shred dingens dann eher Monster and Robots.

Die Cd Bucketheadland ist gewöhnungsbedürftig, da zwischendurch immerwieder was gequasselt wird. Über den armen Buckethead, wie er aufgewachsen ist zwischen den Hühner... bla,bla. ;-)
Jedoch sind auch hier ein paar Sahnestückchen zu finden.

Gruß
Wonder

Ps: Am besten mal reinhören...