Re: (Philosophie) Castings, Medien, Jimi Hendrix und die ewig gestrigen


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Beitrag von Der Felix vom März 23. 2004 um 18:29:58:

Als Antwort zu: (Philosophie) Castings, Medien, Jimi Hendrix und die ewig gestrigen geschrieben von Oly am März 23. 2004 um 16:23:38:

Hi Oly,

immer wieder toll, Deine Beiträge hier.

Konkret kann ich nicht mitreden, denn mir ward das Glück zuteil, daß mein Fernseher vor einigen Monaten das zeitliche segnete und ich somit von den Trends dieser Welt abgeschnitten bin (und darunter leide ich soooo sehr...)

Aber aus Deinem Posting lese ich die Annahme, es gäbe soetwas wie den Musikgeschmack der breiten Masse. Ich denke daß Du Dich da irrst. Musik ist ein Produkt geworden wie ein Handy - es besteht gar nicht mehr die Frage, ob man es braucht, sondern welches man braucht.*

Ich unterstelle: Sprich auf der Strasse 100 Leute an und frag sie, welche Art Musik sie hören 70 werden Dir sagen "was so in den Charts kommt". Da ist völlig egal, was in den Charts läuft, wichtig ist nur, daß es trendy ist. Genau wie das neueste Nokia-Handy. 20 Weitere sind Fans von Britney oder Justin und dürfen daher nicht Christina oder Robbie hören, daher können sie nicht zugeben, daß sie auch den ganzen Tag Chartmusik hören (überhaupt, "hören" ist hier völlig vermessen ausgedrückt. Es wird nicht gehört sondern nebenbei berieselt oder beschallt). 10 Leute haben einen Musikgeschmack und hören Rock, Pop, Metal, Rap, Techno, Soundtracks und sind auf jeden Fall unzufrieden mit dem deutschen Musikrundfunk.

Insofern hast Du also recht, wenn VIVA jetzt auf Rock umstellt, dann werden nicht alle Zuschauer ausschalten - aber Rock ist nunmal nicht so leicht zu konstruieren und zu vermarkten wie der derzeitige Chartkram, Rock hat schon ein versautes Image, da lockt ein ohne Führerschein fahrender Slash keine Maus mehr hinter'm Ofen vor.

Zurück zum Musikgeschmack der "Mehrheit". Es gibt ihn nicht. Ist ja auch nicht schlimm. Nicht jeder interessiert sich für's Kino, nicht jeder interessiert sich für Computerspiele - wieso sollte sich jeder für Musik interessieren? Ich sage, so etwa jeder 10te von mir aus auch jeder 5te ist Musikfan, und das reicht vollkommen. Alle anderen sind Konsumenten, eine Identifikation findet nicht statt (was das eigentlich fatale ist). Und es ist Pop a la Küblböck weil der am einfachsten herzustellen und zu vermarkten ist. Punkt.

Ich hab das hier schonmal irgendwann geschrieben, ein alter Freund von mir ist Technofan und wir kommen Prima miteinander Klar, auch was den Musikgeschmack angeht. Allein weil er die Musik hört, sie verstehen will, sich damit beschäftigt und sich dafür begeistert. Ich höre mir lieber Stundenlang seine Vorträge über Techno an als das Geschwafel irgendeines Kerls, der Beatles-Fan ist weil das gerade mal wieder Hipp ist, "echte, handgemachte Rock-Musik" toll zu finden, der aber morgen alles hinwirft um Stones-Anhänger zu werden.

Grüße
Felix, der wohl viel zu lange für diesen Beitrag brauchte, da in der Zwischenzeit 10 andere fertig wurden...


* raffiniert finde ich da auch wieder mal die (sicher nicht neue) Geschichte, die da aktuell mit der Milch, dem Licht und den Vitaminen läuft. Ein Werbespot behauptet, Licht würde die Vitamine in der Milch zerstören. Das gewitzte daran ist, daß gar nicht mehr in Frage gestellt wird, sondern einfach so getan wird als sei das hinlänglich bekannt und man somit die lang erwartete Lösung liefert. Das ist sooo geil: Ein Produkt schaffen und das dazugehörige Bedürfnis gleich dazu.




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