Re: (Meinung) Regenwald gesund saufen


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Beitrag von Michael (Jacuzzi) vom Juli 04. 2003 um 13:15:40:

Als Antwort zu: Re: (Meinung) Regenwald gesund saufen geschrieben von Martin Abend am Juli 03. 2003 um 21:32:56:

Tach zusammen, ich würde dem Martin jetzt gerne mal ganz grundsätzlich zustimmen.

Wenn hier "Wahrhaftigkeit" und solche Begriffe fallen, ist es natürlich leicht, das als pubertär runterzumachen, aber das sieht nur so aus, als seien Martins Ansprüche naiv: Da bleibt trotzdem noch was übrig, wo er meines Erachtens völlig Recht hat.

Denn es gibt immer noch verschiedene, ganz unterschiedliche Strategien, Musik zu verkaufen, und ich persönlich kriege, offenbar genau wie Martin, gerade bei den Herren Bono und Sting so ein spezielles Kotzen, was andere Marketingstrategen nicht in mir auslösen. (BTW: Lieber Martin, Glückwunsch von dieser Seite auch für deine Bemerkung mit den neun Kindern.)

Ich würde es vielleicht nur leicht anders benennen bzw. festmachen: Für mich hat so eine unsägliche Öko-Dritte-Welt-Regenwald-Marketingstrategie weniger etwas mit fehlender "Wahrhaftigkeit" zu tun, die wir ohnehin von zu verkaufender Musik kaum erwarten. Vielleicht geht’s aber um was anderes.

Erinnert sich jemand an Stings Film "Just one night"? Ein Konzert- und Probenfilm, hauptsächlich wohl irgendwo in Frankreich aufgenommen, alles ziemlich klasse, und ganz zum Schluss, das Konzert ist vorbei, geht das Filmteam ins Krankenhaus, filmt Stings Frau bei der Geburt ihres soundsovielten Kindes, dann den Erzeuger, wie er sich eine Träne von der Backe wischt, und dazu läuft "I hope the Russians love their children too."

Eine geniale Strategie. Und, wenn ich das richtig wahrnehme, der Startschuss für eine Menge von Epigonen, von denen Bono vielleicht der schlimmste, aber sicher nicht der einzige ist. PJ stehen da in Tradition.

Martins Bedürfnis, von diesen Leuten und ihren so genannten Ansichten oder Absichten in Ruhe gelassen zu werden, teile ich zu hundert Prozent. Ist für mich einfach schlechter Geschmack: Entblößte Männerbrust vor sterbendem Regenwald, sterbendes Aidsopfer hinter lebendem Rockstar, gebärende Frau neben weinendem Plattenverkäufer: Nichts anderes als unsäglich schlechter Geschmack.

Ist natürlich völlig subjektiv und wird von Vielen sicher anders gesehen.

Nun zur Politik: Dylan, Vernon Reid, Frau O'Connor: solche Leute, die haben auch eine Botschaft, die ins Politische lappt, aber da muss ich zumindest mich nicht übergeben.

Warum?

Auf die Gefahr hin, mich zu vergallopieren: Ich glaube, dass hier die Kriterien Minderheit/Mehrheit weiterhelfen, denn die haben ja auch eine ökonomische Bedeutung:

Wenn Pearl Jam, Sascha oder die No Angels vermitteln "Wir sind für den Regenwald", wissen sie, dass das bei einem großen Teil ihrer Zielgruppe gut ankommt. Es löst ein Zusammengehörigkeitsgefühl aus, das in Einzelfällen sogar so weit führen mag, dass manche Fans das Gefühl haben, etwas für die Umwelt zu tun, wenn sie eine Platte kaufen. Es ist, innerhalb einer bestimmten Käuferschicht, Mehrheitsmeinung. Was ich nun aber interessant finde: Wenn es ohnehin Mehrheitsmeinung ist, müsste es eigentlich ja nicht mehr gesagt werden. Warum wird es dann vermittelt? Ich weiß es nicht, aber das Verkaufen von Platten könnte eine Rolle spielen.

Anders bei Frau O'Connor, die das Papstbild zerreißt, bei Living Color (in ihrer Anfangsphase) oder zuletzt bei diesen drei Amerikanerinnen, die gegen den Krieg waren: Das waren Minderheits-Statements. Auch hier kennt natürlich niemand die genaue Motivation, aber ich würde mal behaupten, es ging eher um die Aussagen als um den Verkauf. Wer 1 bisschen politisch denkt und sich über Meinungsvielfalt freut, könnte so was ja begrüßen. Ob es dann auch "wahrhaftig" ist oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Gruß & so,

Michael (Jacuzzi)

NP: Prince & The NPG, Xenophobia


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