Wo lebt ihr eigentlich?


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Beitrag von Chico tarde vom August 18. 2001 um 17:43:36:

Als Antwort zu: (Meinung) Plattenfirmen nagen am Hungertuch??? geschrieben von Nase77 am August 17. 2001 um 19:12:13:

Ich denke, so einfach wie ihr kann man es sich wirklich nicht machen. Natürlich verdienen Majors eine Menge Geld mit den CDs, aber bei unabhängigen Labels sieht das wirklich völlig anders aus.
Der Preis einer CD setzt sich ungefähr so zusammen:

Herstellung + Gema + Künstlerlizenzen = ca. 7 Mark. Verkauf an den Vertrieb für etwa DM 14 Mark, das bedeutet einen Bruttoerlös von 7 Mark. Davon muss ein Label seine Ausgaben bestreiten, das fängt schon bei der Bookletgestaltung an, wo schon mal 1.500 Mark zusammenkommen, geht weiter über Anzeigenschaltungen (1/2 Seite Rolling Stone schwarz/weiß kostet ca. 5.000 Mark), der Lohn muss auch davon bezahlt werden, und die
Betriebsausgaben und so weiter. Der Vertrieb zahlt dem label also 14 Mark. Der verkauft
sie an die Drogerie-Müllers, Medias, Saturns und so weiter für durchschnittlich 21 Mark, wobei der kleine Händler um die Ecke auch schon mal 23 Mark hinlegen muss, der Media-Markt entsprechend weniger. (Der WEA- Eckpreis ist jetzt ca. 25 Mark, Sony ca. 26 Mark) Hat also auch 7 Mark, wovon er seinen Apparat bezahlen muss. Und der Einzelhandel verkauft die CD zwischen 29,90 DM und 36 Mark, je nach Kalkulation. Da muss dann die MWSt rausgezogen werden, dann sind es ca 25 bzw. 30 DM.

Natürlich verdienen die Major-Label mehr an einer CD als Unabhängige Labels, ganz einfach, weil sie nicht nur Label, sondern gleichzeitig Vertrieb sind. Die erhalten, vereinfacht gesagt, also auch die Vertriebsmarge. Also die Differenz zwischen DM 14,- , die ein Kleinlabel von den Vertriebsdienstleistern einstreicht, und dem HAP von ca. DM 23,90 oder
mehr, die der Vertrieb dem Händler netto berechnet. Das bedeutet zwar auch einen hohen Kostenapparat (Personal, Lagerhaltung, Logistik), aber auch mehr als doppeltes Geld.

Interessant in der Betrachtung der Vertriebsstruktur von Majors ist ja, dass die Vertriebstöchter, so sie denn profit-center sind, oft der tatsächlich gewinnbringende Zweig sind, die Labels der Majors aber viel Geld in den Sand setzen. Gibt zwar niemand offen zu,
weiss aber jeder. Da die Majors fast imer auch selbst fertigen bzw. zu unschlagbaren Konditionen bei unabhängigen Herstellern zufertigen lassen könnren, sparen sie uns gegenüber bei den reinen Herstellungskosten auch noch ein bisschen.
Also: Ein Major-Produkt bleibt nicht bei dem (wirklich schon mehr als optimistisch betrachteten) Roherlös von DM 7,-, den wir haben, stehen. Firma EMI, BMG, Sony, Warner verdient zusätzlich zu diesen DM 7,- ca. DM 9,90 wg. der hausinternen Vertriebserlöse. Und noch ein bisschen mehr wg. günstigerer Fertigung. Also, DM 17,- statt DM 7,- ist schon ein Unterschied, denke ich. Jetzt könnt ihr selbst mal ausrechnen, was da bei wem hängen
bleibt.

Außerdem finde ich die Frage nach dem geistigen Eigentum überhaupt nicht blöd. CDs zu kopieren oder sich Musik aus dem web zu laden ist Betrug, Die Frage, ob das nun einen Werbungseffekt hat, oder nicht, ist völlig irrelevant. Der Künstler als Urheber (oder das Label / Management in seiner Vertretung) ist der EINZIGE, der zu entscheiden hat, wie er sein Produkt zu vermarkten wünscht, sicherlich nicht der Konsument.

Und mal davon abgesehen: Wer bringt den die Platten von Newcomern raus? Vor allem in den letzten 10 Jahren liegt der Job doch hauptsächlich bei den indies. Ob euch das passt oder nicht: Raubkopien sind Betrug und kosten vielen CDs das Leben, die sonst das Licht der Öffentlichkeit erblickt hätten.

Martin



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