(Sonstiges) war gestern: Steve Vai in Ulm


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Beitrag von andi-o vom Juli 04. 2007 um 09:16:55:

Hallo liebe Gemeinde,

auch wenn ich weiss, dass einige in unserem schönen Forum der Musik von Herrn Vai wenig bis nichts abgewinnen
können, möchte ich trotzdem ein paar Eindrücke vom gestrigen Konzert im Ulmer Zelt loswerden. Nachdem wir etwas
spät dran waren, bekamen wir vom Vorprogramm nicht mehr so viel mit - eine One-man-Show von Zack Wiesinger,
ein junger, schlaksiger Kerl der eine Strat mit angezerrtem Sound in Fingerpickingmanier bearbeitete, und schräge Chord-Solo
Kabinettstückchen aufführte, ab und zu mit nicht weniger schrägen Gesangseinlagen angereichert. Der Kerl hatte es drauf, mit
seiner Musik konnte ich aber irgendwie nicht so viel anfangen.

Dann ging es auch schon los, und der Meister und seine Band kamen auf die Bühne. Ein recht interessantes Lineup,
die Rhythmusgruppe war besetzt mit Jeremy Colson am Schlagzeug und Bryan Beller am Bass, dazu kam Dave Weiner
als Gitarrist, sowie eine Geigerin, Ann Marie Calhoun und ein Geiger, Alex DePue, die beide auch als Keyboarder im
Einsatz waren.

Obwohl ich sehr gene Billy Sheehan als Bassisten gesehen und gehört hätte, muss ich sagen, dass die Rhythmusgruppe
einen super Job ablieferte. Tight und sehr energetisch - Bryan Beller ist zwar nicht der Typ "Extrem-Virtuose" wie Billy S. am Bass,
dafür liefert er aber ein Fundament ab, das sich gewaschen hat, und auch wenn einiger Muckerpolizisten raunten, Vai
hätte schon bessere Drummer dabei gehabt - Jeremy Colson ist ein (musikalisches) Tier an den Drums. Dann ist da noch Dave Weiner,
ein kleiner sympathischer Kerl, an dem die 7-saitige RG wie ein Bass aussieht. Der Mann leistet(e) Schwerstarbeit,
vom fetten dropped-irgendwas Rhythmus bis zu den ganzen irsinnigen Unisono-Runs und zweiten Stimmen ist er
eigentlich derjenige, der nach Steve Vai am meisten in der Band zu tun hat. Respekt!.
Ich war ja etwas skeptisch wegen den zwei Geigen, aber wie die in das Set eingebunden waren, war fantastisch. Extrem virtuos, aber eben nie vordergründig,
sondern immer locker und beiläufig. Ok, ein paar erstaunte Gesichter waren schon zu sehen, als die Geiger sich in
ihrem Solospot eine Mischung von Paganini-Capricen und groovendem Rock um die Ohren warfen. Klasse.

Einen sehr gelungenen Akustik Teil gab es auch, der Mix aus Geigen, Vai an der Akustik- und Dave Weiner
an der Sitar Gitarre war grosse Klasse, "Weltmusik" im besten Sinne, aber ohne nervendes "Ambient-Wasser-Geplätscher",
Tempelgesänge und ähnliches klischeehaftes New Age Gezirpe.

Und dann natürlich Mr. Vai himself. Abseits vom bekannten Gitarrenhelden-Gepose und dem Angeblasenwerden vom Ventilator
ist er einfach ein lockerer, entspannter und sehr freundlicher Entertainer. Und diese Lockerheit hat mich auch am
meisten beeindruckt. Der Kerl scheint mit seinem Instrument verwachsen zu sein, sein Vorrat an Melodien und
musikalischen Ideen scheinbar unbegrenzt, und seine Spielfreude war ansteckend. Wow. Ich muss ja zugeben, das
sich sein Sound immer weiter vom klassischen E-Gitarren (High-Gain-) Sound entfernt, vor allem durch den
sehr häufigen Einsatz des Sustainers klang seine Gitarre eher wie eine Mischung aus Violine, Glasharfe und...schwer zu beschreiben ;-))
Jedenfalls weit ab von 80er staccato Shred-Orgien. (Dave Wiener klang in seinem Solo-Spot so, wie man sich
eine verzerrte Gitarre im allgemeinen vorstellt ;-). Und genau wie bei den Geigern stand Vais Virtuosität niemals als
Selbstzweck im Vordergrund, sie war regelrecht beiläufig, eben ein Teil vom musikalischen Gesamtpaket.
Und dieses Gesamtpaket war einfach irre. Ich kann mich an kein Konzert erinnern, bei dem ich soviel Spielfreude und
Musikalität mitbekommen habe...

Mit Gegniedel und "klassischem" Gitarrenshredding hat diese Musik überhaupt nichts (mehr) zu tun, wie ich finde.

Ihr merkt, ich bin begeistert - es war wirklich ein fantastisches Konzert, ich kann nur jedem empfehlen, sich
das mal anzuhören.

Grüße,

Andreas



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