(Meinung) Konzertbericht: Lynyrd Skynyrd in Berlin


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Beitrag von The stooge vom Juni 06. 2000 um 19:30:13:

Konzertbericht: Lynyrd Skynyrd, 5.6. Berlin Columbiahalle

Das Publikum ist zwar meine Alters-, aber nicht meine Gewichtsklasse; mit 65 Kilo konnte ich gegen die versammelten Bierbäuche nicht anstinken. Auch an der Kleiderordnung haperte es: ich hatte weder Stetson noch Konföderiertenkäppi, weder Kutte noch Cowboystiefel zu bieten (bei 28 Grad Außentemperatur eher lästig), genauso wenig wie das zum verschämten Zopf verschnürte schüttere Restlanghaar. Man ließ mich trotzdem rein und die Security, nachdem sie mich auf 38 Special, Bowieknife, Kassettenrecorder, mitgebrachte Alkoholika und ähnliche Konterbande gefilzt hatte, wünschte mir noch einen schönen Abend, und das wurde es auch.
Die Columbiahalle, ein ehemaliger Flugzeughangar am Flughafen Tempelhof und ungefähr so gemütlich, ist gut gefüllt, ohne dass es eng wird. Opener sind drei Halbwüchsige aus Finnland, laut und schnell, nicht besonders aufregend, können aber gefallen. Der Saal kocht nicht gerade, aber spendet gnädig den verdienten Beifall. Die Finnen haben Humor; White Room wird angesagt: "This song's written in the Sixties, so You should be familiar with it."
Um zehn geht's dann los. Das Line-up ist bis auf den Bassisten dasselbe wie auf "Edge of forever", von der Vor-Absturz Besetzung sind nur noch Billy Powell und Gary Rossington nebst Ehefrau Dale dabei; ansonsten sind mit Gründungsmitglied Rick Medlocke und Hughie Thomasson von den Outlaws zwei weitere gitarristische Schwergewichte am Start. Man konnte auf eine anständige Guitarbattle gespannt sein und wurde nicht enttäuscht.
Gespielt wurde viel Material vom neuen Album, alte, mehr oder weniger bekannte Highlights wie Curtis Loew, Needle and the Spoon oder That Smell (einer meiner Lieblinge) und ein längerer Medley. Es war faszinierend, wie die beiden dazu gekommenen Gitarristen ihren eigenen Stil beibehielten und doch ein homogener LS-Sound herauskam. Medlocke knallte seine Hardrockriffs rein und bewies hin und wieder, dass er auch gut singen konnte, Thomasson steuerte die schnellen Country-Licks bei, die man von den Outlaws kennt.
Schließlich, es dominierte längst das obligatorische Aroma von Kiff, Schweiß und Bier, ist es um Mitternacht soweit: Thomasson spielt das Intro, streut ein paar Töne Dixie ein, die Südstaatenflagge wird gehisst und: "Big wheels keep on turning ...". Die Halle ist aus dem Häuschen und singt lippensynchron mit. Dann wurde man wie es sich gehört mit "Free Bird" in die Heia geschickt.
Resumee: Nix Revolutionäres, aber richtig ordinärer Krach- und Schweinerock ohne Schnörkels und Kopflastigkeit, der anständig die Gehörgänge durchpustet. Ich ging mit dem angenehmen Gefühl nach Hause, dass ich sowas mal wieder gebraucht hatte.

NP: Calvin Russel, Crack in Time


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