Re: (Band) Komponieren ???


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Beitrag von Herr Holle vom Juli 03. 2002 um 21:40:22:

Als Antwort zu: (Band) Komponieren ??? geschrieben von Markus am Juli 03. 2002 um 10:19:58:

Tachchen,

Ein Patentrezept kann ich Dir leider nicht anbieten, nur ein kleines Brainstorming aus meinem eigenen Nähkästchen:

Meine Band existiert seit ca. 1 Jahr; vorher hatten wir alle keine oder nur wenig Band-Erfahrung. Covern wollten wir nicht, und da Songwriting für uns alle Neuland war, war zunächst wildes Jammen und Experimentieren angesagt, bis sich dann einige Ideen herauskristallisierten. Meist begann es mit einem Gitarrenriff; jeder hat dann seine eigenen Ideen darum "herumgebaut", mehr durch probieren als durch eine Fundierte theoretische Basis (OK, es gab schon Informationen darüber, welche Akkorde gerade gespielt werden...). Das war zwar ziemlich planlos, aber letzten Endes sind dabei doch ein paar recht gute Songs entstanden, die wir auch heute noch spielen - wenn auch im Laufe der Zeit immer wieder Änderungen an den Songs vorgenommen wurden. (Inzwischen hat sich das etwas geändert - die "Kopfarbeit" hat mehr Einfluss gewonnen. Ich glaube, man nennt das "Erfahrung" oder so.)

An diesem Entstehungsprozess waren alle Bandmitglieder beteiligt. Da wir alle recht unterschiedliche musikalische Vorlieben und Einflüsse haben, ist dabei eine Mischung aus Funk, Rock, Jazz, Punk, Klassik u.a. entstanden. Dies bedeutet für jeden von uns, Kompromisse einzugehen, am Ende aber doch einen Song zu bekommen, der uns trotzdem allen gefällt. Dies wäre nicht möglich, wenn nur ein oder zwei von uns die Songs komplett schreiben würden und die anderen spielen nach. Es mag zwar Musiker geben, die sich mit dieser passiven Rolle zufrieden geben, aber ich halte es doch für wichtig, das jeder, der seine eigenen Ideen einbringen will, dazu Gelegenheit bekommt. Andernfalls kann es passieren, dass "die Chemie nicht stimmt". Auch die "Qualität" der Musik kann unter dieser Einseitigkeit leiden.

Doch auch gleichberechtigte Bandmitglieder können durchaus unterschiedliche Rollen im Bandgefüge einnehmen. In meiner Band kommen z.B. die Basisideen hauptsächlich von unserem Gitarristen und gelegentlich von mir. Aus diesen Ideen entsteht ein Song, die übrigen Bandmitglieder bringen ihre eigenen Ideen ein; am "Feinschliff" sind alle gleichermaßen beteiligt.
Diese Rollenverteilung fällt in jeder Band unterschiedlich aus. Maßgeblich ist - sofern nicht offene oder verdeckte Machtstrukturen im Spiel sind - in erster Linie die Persönlichkeit der einzelnen Mitglieder (Merkmale wie z.B. Kreativität, Durchsetzungsvermögen, Kompromissbereitschaft, Geltungsbedürfnis etc.). Auch das Verhältnis der einzelnen Personen untereinander hat Einfluss auf den Prozess.

So hat sich stillschweigend eine Art Konzept in der Band gebildet, dass sich nur schwer durchbrechen lässt - was wir aber auch gar nicht wollen. Auch wenn diese Vorgehensweise sehr langwierig und gelegentlich etwas chaotisch ist - es ist einfach spannend, z.B. mit einem Funk-Riff im 3/4-Takt zu beginnen und am Ende kommt eine Art Geisterschloss-Blues heraus :-)
Einmal habe ich versucht, anders an einen Song heran zu gehen - es hat nicht funktioniert. Ich kam ich mit einer Songidee an, hatte ungefähr im Kopf, was die anderen dazu spielen könnten, habe die Idee ganz unverbindlich in den Raum gestellt, die anderen haben sie begeistert aufgenommen, ihre eigenen Ideen hinzugefügt - und am Ende kam ein klasse Song heraus, der fast nichts mehr mit meiner ursprünglichen Idee gemeinsam hat. Ich bin deswegen nicht enttäuscht - ich bin einfach nicht der Typ, der seine Ideen auf biegen und brechen durchsetzen muss. Solange wir Spaß an unserer Musik haben - was soll's?


[von wegen kurzes Brainstorming - ist ja doch schon wieder ein pädagogischer Grundsatzartikel geworden *gg*]


Zurück zu Deiner Situation:

Ich schließe mich da Doc's Meinung an. Es sieht so aus, als hätte sich die passive Rolle deiner Bandkollegen fest etabliert. Also steck ein wenig zurück, locke deine Kollegen aus der Reserve, und versucht, gemeinsam zu experimentieren. Die Voraussetzungen scheinen ja günstig zu sein: Du hast Ideen und bist auch in der Lage, sie den anderen mitzuteilen (der Sequencer ist da wirklich ein gutes Hilfsmittel). Einige deiner Kollegen sind ja nach Deiner Meinung ebenfalls sehr kreativ. Versuche also, sie aktiv einzubeziehen. Warte aber nicht, bis sie von selbst ankommen, sondern äußere Deinen Wunsch nach mehr Beteiligung direkt. Zwinge aber niemanden dazu - nicht jeder hat den Wunsch, sich aktiv einzubringen (siehe meine Bemerkung über die Persönlichkeit, oben). Wer passiv bleiben will, soll sich bloß hinterher nicht beschweren.

Noch etwas ist mir aufgefallen: die Beschreibung deiner Bandkollegen wirkt teilweise recht negativ. Ich will daraus keine voreiligen Schlüsse ziehen. Aber falls es ernsthafte Differenzen gibt - beschränken sich diese auf musikalische Aspekte oder wird es schon persönlich? Eventuell wäre auch da ein Ansatzpunkt, um das Beziehungsgefüge innerhalb der Band zu verbessern, was sich auch positiv auf das Zusammenspiel auswirken kann.


So, genug doziert,
Holle


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