(Meinung) So einen Scheiss-Job...


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Beitrag von Falke vom Mai 26. 2002 um 16:35:46:

..hatte ich noch nie.

Moin zusammen,

ich mach seit bestimmt 20 Jahren aktiv Musik, hab schon auf so manchen Bühne gestanden, mit diversen Bands gespielt, von R'n'R über Punk bis SingerSongwriter-Zeug war schon alles dabei. Jetzt, im hohen Alter, weit, weit jenseits der magischen 30, nach der sich im Wesentlichen nur noch Profis und Dinosaurier auf den Brettern bewegen, hab ich mir eine Kapelle zusammengeschraubt, mit der es richtig Spaß macht Musik zu machen. Weniger "Hau-die-Ziege", mehr Ton, mehr Stimme, mehr Arrangement.
Anyway.
Vorgestern hatten wir einen Job in Wuppertals Börse. Grosser Bahnhof, stundenlanges Einpegeln von Licht und Ton. Riesenbühne, mindestens 500 Scheinwerfer Par56 bis Martins, Nebel und Nabel - alles dabei.
Sidefills so gross wie die Kühltruhe von der Schwiegermutter, Monitorboxen, in denen bequem eine Großfamilie heimischer Feldhamster samt natürlicher Feinde friedlich zusammenleben könnten.
Wichtige Menschen mit falschrummen Caps und reichlich Lesestoff auf den T-Shirts. Security Guards, Facility Manager, und all die wichtigen und schönen Menschen, die man gemeinhin nur im Dunkeln trifft. Blass aber professionell.

Die Veranstaltung stand unter dem Label "Cover-Rock-Night III". Es wurden zwischen 300 und 500 Leuten erwarten, die sich dann auch einfanden.
Wir hatten das Vergnügen, als erste Band zu spielen. Ist OK. Wir machen eh die "künstlerischere Musik". Dennoch hab ich so eine dermassen dämliche Veranstaltung lang nicht erlebt - und - honest, ich hab schon viel erlebt.
Was mich erstens ziemlich aufgeregt hat, war die Sperrmüll-Atmosphäre im Backstage Bereich. Je grösser die Hallen sind, desto uncharmanter ist der BS-Bereich. Das Catering bestand aus einer Schale Obst, einem Korb mit Mini-Snickers und Milky Ways und Bier aus einem funghizid besetztem Kühlschrank. Ca. 12 qm für 20 Leute, von denen ausser mir, unserem Schlagzeuger und der Sängerin alle rauchten wie die Bekloppten. Nach bereits 5 Minuten war der Sauerstoff sauer und verschwand bis auf weiteres. Ich auch.
2 andere Bands mit "Full-Stacks" und reichlich Hängetoms enterten die Bühne.
Beim Schlagzeug Soundcheck such ich eh immer das Weite.
Eine Stunde SoundCheck, im Schwerpunkt, Hau-die-Ziege. Zum Schluß waren wir dran. Mit unserer Musik war der Toni offenbar völlig überfordert. Er hat nix, aber auch garnix auf die Reihe bekommen, weder den Akustiksound, noch den AC30 Sound, geschweige denn die Stimme von Regina. No Chance. Ich hab den Daumen etwa 15 Minuten in die Höhe gehalten, den Blick und die Ohren Richtung Monitor - da kam nix. Den Daumen hatte ich zuletzt vor 20 Jahren so lang in der Luft - und da wollte ich nach Griechenland trampen.
Alles was wir hörten, war der reflektierte Schall von der Hallenrückseite.
Himmeldieberge. Ich hab's aufgegeben und gedacht: dann hören wir heute mal über die Schädelknochen. Soll ja auch gut gehen.
Wahrscheinlich war es nicht zu übersehen, dass ich nicht allerbester Stimmung war, und ich konnte auch meinen Frieden nicht mit dem Toni machen, als ich ihn bat, unsere Neumann- Mikros zu verwenden, damit die Sänger sich "zu Hause" fühlen.
"Ja, machma, wenn das die letzte Aktion ist, und wir dann anfangen können."
Ich zeigte ihm noch meine Mandoline und er fragte: "Is dat nich watt klein?"
"Nope. Das muss so. Aber es ist keine Zwiebacksäge - die kann eigentlich richtige Töne".
Unser Verhältnis blieb getrübt.
Ich habe dem Toni unsere Playlist gegeben. Er hat verwirrt genickt, ich hab sie wieder mitgenommen.

Wir haben den Opener gemacht - ich habe den Abend anmoderiert, die Bands vorgestellt die im Weiteren noch spielen sollten und die Leute Willkommen geheissen.
Dann haben wir unser Programm abgespielt - Anfangs noch mit viel Elan und Spielfreude, dann wurde es zusehends weniger, weil der Ton einfach nicht vorhanden war, weder FOH noch auf der Bühne. Es war alles ein verhallter Soundmatsch. Das Licht war bestens geeignet für die Putzkolonne, die nach dem Konzert den Saal saubermachen sollten. Wunderbar ausgeleuchtet. Wir hatten je einen weißen Scheinwerfer im Rücken und somit konnte man uns (gottlob?) nicht erkennen.
Unser Videomann hat sich einen Wolf gedreht - ohne ein geeignetes Plätzchen mit Licht zu finden. Nach 40 Minuten hab ich dem Ganzen ein Ende gesetzt. Nach zwei Mandolinenstücken, bei denen meine Mandoline ein Sound hatte wie ein abstürzender B52 Bomber aus grauer Zeit, hab ich mich artig beim Publikum bedankt und wir haben die Bühne verlassen.
Man nahm es dankbar zur Kenntnis und entließ uns mit höflichem Applaus.
Die Bands im Anschluß waren da besser dran. Durch die 3 Fullstacks hatten die einen Bühnensound, der sich mit dem FOH Sound nicht mehr unterschied. Laut ohne Ende. Schönes Licht - Nebel - Blitze - irgendwie cool.
Backstage war noch ein Snickers und eine Tüte Erdnüsse übrig. Die haben wir gemümmelt und sind in die Stadt gefahren eine Pizza zu essen.
Soweit unser WE-Job in der Börse.
Aber die Pizza war wirklich gut.

Und auch gar nicht so teuer.

Es kann nur besser werden, hofft der


falke



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