Re: Lokale Gigs. Vom Aussterben bedroht? Bitte melden!


[ verfasste Antworten ] [ Aussensaiter-Forum ]

Beitrag von Chico Tarde vom September 10. 2001 um 15:49:04:

Als Antwort zu: Lokale Gigs. Vom Aussterben bedroht? Bitte melden! geschrieben von JoNec am September 10. 2001 um 14:22:47:

Hallo Jo,

keine ahnung, auf was für ein posting du dich beziehst, aber die auftrittsmöglichkeiten sind in der tat vom aussterben bedroht - mit einer mir bekannten ausnahme: berlin. da wohne ich jetzt seit 3 jahren und es ist echt gig heaven! ich könnte dir ohne nachdenken sofort 10-15 kneipen sagen, in den man spielen kann, wenn man will. natürlich kriegt man dafür oft gerade mal genug, um das bier für den abend zu bezahlen, aber wegen des geldes macht ja wohl keiner musik, oder?

m.e. liegt das ganze aber hauptsächlich am fehlenden publikum. als ich angefange habe, aufzutreten, so ca. 1986-87, hat man (im köln-bonner raum) ohne große werbung problemlos den laden halbvoll gekriegt. das hat spätestens nach der grunge-welle dermaßen nachgelassen, das ich mir als wirt auch überlegen würde, ob ich noch konzerte machen soll, wenn nur halb so viele leute wie an anderen tagen kommen.

ich gehe hin und wieder auch auf gigs mir unbekannter bands im 6-10 DM-Bereich und das ist schon immer ein glücksspiel. von "jazzrock" spielenden schülerbands inkl. bassisten mit hut bis zu 22 jährigen, die mir ob ihrer technischen und musikalischen fähigkeiten gewaltigen respekt abnötigen, ist alles dabei. das schöne: wenns nur 6 DM kostet, wars immer ein gewinn, und sei's auch nur für's ego.

gründe, warum das publikum ausbleibt, gibt's wie jogginghosen in neukölln. mein derzeit liebster: die absolute überzahl der zerstreuungangebote beruht auf einer zwischenmenschlich kontaklosen kommunikation (Internet, CDs, Fernsehen, Kino, you name it). alles ist vorproduziert und durch den kommerzialisierungszwang qualitativ nivelliert, weshalb sich die menschen angewöhnt haben, durch die voraussagbarkeit der angebote immer auf der sicheren seite zu stehen. warum sich dann also noch den unwägbarkeiten von kleinen konzerten aussetzen (bei großen Konzeren überwiegt natürlich das gefühl des vorproduzierten)?.

Am Freitag habe ich übrigens eines der beeindruckendsten konzerte ever sehen dürfen: david thomas (der von pere ubu) & two pale boys. thomas wiegt gute 200 kilo, jeder gig muss eine ungeheure anstrengung für ihn sein. trotzdem gibt er, wie es so schön heisst, alles. wer seine musik kennt, wird sich das vorstellen können - thomas schreit, weint, singt, drischt mit seinem stock auf den boden ein, schreit extatisch seine musiker an, er schwitzt unglaublich, spucke läuft ihm aus dem mund und nach einer stunde ist es vorbei und ich dachte mir: wenn meine band bei unseren erbärmlichen gigs auch nur 1% der überzeugung vermitteln könnte, wie thomas das offensichtlich sei 25 jahren tut - ich wäre ein glückicher, kleiner schlagzeuger.


verfasste Antworten:



Dieser Beitrag ist älter als 3 Monate und kann nicht mehr beantwortet werden.