Re: (Akkorde) F7alt - das lange Posting


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Beitrag von Elwood vom Juni 25. 2008 um 00:18:49:

Als Antwort zu: Re: (Akkorde) F7alt geschrieben von erniecaster am Juni 24. 2008 um 18:13:00:

Lieber Matthias.

Wir alle hier kennen (und schätzen größtenteils auch, ich zumindest) Deinen provozierenden Nachfragestil.
Ich halte aber für leicht überzogen Deinerseits, von "Dummschwätzerei" und "lieber nicht auf der Bühne begleiten" zu sprechen.
Ich hoffe und gehe mal davon aus, dass das so nicht gemeint war und greife
Dein Nachfragen als Gelegenheit auf, (hoffentlich) etwas Licht in das Dunkel zu bringen.

Du bemängelst ja, dass Franks Frage nicht vernünftig beantwortet wurde.*
Der eine sagt so, der andere so.
Das ist zwar so, aber das ist eben die Antwort.

Lass es mich an einem Beispiel erklären:
Wenn man Gitarre spielt und in den Noten steht das Akkordsymbol "C", dann fallen dem geneigten Gitarristen wahrscheinlich ganz spontan drei Möglichkeiten ein, das zu Spielen:


e ||--0--|--3--|--8--|----
h ||--1--|--5--|--8--|----
G ||--0--|--5--|--9--|----
D ||--2--|--5--|-10--|----
A ||--3--|--3--|-10--|----
E ||--X--|--X--|--8--|----

a) b) c)


Soweit, so gut?
OK, dann weiter:
Je nachdem, in welcher Situation Du spielst (musikalisch gesehen), wirst
Du Dich für eine der Möglichkeiten entscheiden:
Wenn Du gerade am Lagerfeuer sitzt und die lustige Wandergruppe bei Country Roads oder House of the Rising Sun begleitest, wirst Du wahrscheinlich Variante a) nehmen wollen.
In anderen Situationen wirst Du eher b) oder c) nehmen. Das hängt vom harmonischen Kontext ab, also "technisch gesprochen" dat wat davor kommt und dat wat dahinter kommt. ;)
Und auch davon, was der zweite Gitarrist gerade macht.
Notabene: In dem Moment kommunizierst Du ja musikalisch. Du veränderst Dein Spiel, weil der andere macht, was er macht. Antizipation und Reaktion, wie ich schon schrub! =)

Eventuell begleitest Du auch gerade auf einer AS Session eine Rockballade und spielst das C als Powerchord. Damit hast Du dann spontan schon die Klangfarbe des Akkordes (Akkords??) verändert und spontan angepasst!

Wenn Du gerade einen Blues begleitest oder etwas classicrockmäßiges, wirst Du evtl. auch bei dem Symbol "E"** sowas spielen:

e ||------------------------------------------------------------
h ||------------------------------------------------------------
G ||--7---------7----9---------9----7---------7----9------------
D ||--9---------9----9---------9----9---------9----9------------
A ||--7---------7----7---------7----7---------7----7------------
E ||------------------------------------------------------------


Damit hättest Du "einfach aus dem Feeling raus" schon den ganzen Klangcharakter des Akkordes verändert, indem Du E7 spielst und das Ganze somit dominantisch klingt.
(Das ist die Stelle, wo hoffentlich alle "AHA!" machen und merken: Moment mal, wenn man "dominantisch" sagt, dann meint man nicht irgendeinen abgefahrenen intellektuellen Scheiß sondern eben dieses coole Ding in "dada dada dada dada..." ;) )


OK, ich hoffe, soweit ist alles klar und verständlich und im Idealfall gab es schon AHA-Erlebnisse.
Ich bitte Dich, Matthias, und alle anderen, gerne nachzufragen, wenn bis hierhin etwas unverständlich, widersprüchlich oder sonstwie seltsam war.


So. Puh.
Das erste Beck´s ist jetzt leer, ich hole mir jetzt die zweite Flasche und schreibe weiter ;)


Aaahhh...lecker Bierchen auf...
schöne Plaudereien über Musik am späten Abend beim kühlen Bierchen, doch, das macht mir schon Spaß. =) Lege erstmal Kenny Wayne Shepherd auf, yeah!


So, wo war ich?
Genau! Wir hatten dieses C - Beispiel. So langsam werde ich jetzt versuchen, den Bogen zu Franks Frage und den Antworten dazu zu bekommen.

Also, wenn nun einer käme und fragte, wie er "C" spielen soll, dann würde man antworten: "Ja, das kommt drauf an, was Du machen willst. Bei Country Roads spiel a), bei Nirvanasongs spiel den Powerchord etc..."

Der alterierte Dominantseptakkord - wie F7alt. einer ist - ist nun ein Akkord, der einen eben dazu herausfordert selber zu schauen, was man machen möchte. (Im Prinzip fordert einen das Symbol "C" ja auch dazu auf, wie wir oben gesehen haben).
Auf Justchords werden so ziemlich alle Möglichkeiten erschöpfend erklärt. Da ist eben ein zigfaches von dem möglich, was man mit "C" machen kann (und natürlich ist mir klar, dass man mit "C" einen Haufen Sachen anstellen kann - ein Vielfaches von den drei Möglichkeiten a), b) und c)!)
Da muss man nun viel viel Übung reinstecken und alle Options etc. und alles in allen Lagen lernen und üben (by the way: Ich kann sowas nicht, überhaupt nicht. Ich werde es hoffentlich mal können...) und dann eben in der konkreten Situation (in unserem Beispiel Nirvana vs. Lagerfeuergesang vs. Classicrock vs. Blues etc...) "laufen zu lassen", was Dir halt gerade einfällt, welche Klangfarbe, welchen Akkordcharakter Du in diesem Moment eben im Zusammenklang mit den Mitmusikern (in unserem Beispiel oben der zweite Gitarrist) machen möchtest!


Eine Antwort auf Franks Frage wie z.B.:

Wenn da F7alt. steht, dann mach halt das da:

e ||--X-- --X-- --X--
h ||--9-- --10- --10--
G ||--8-- --8-- --8--
D ||--7-- --9-- --8--
A ||--8-- --8-- --8--
E ||--X-- oder das: --X-- oder das: --X--



ergibt überhaupt keinen Sinn!
Wer möchte, soll das gerne ausprobieren! Die drei Möglichkeiten, F7alt. zu spielen, die ich aufgezeigt habe*** jeweils spielen und danach den "Auflösungsklang" Bbmaj7, z.B. so:

e ||--X--
h ||--6--
G ||--7--
D ||--7--
A ||--X--
E ||--6--


Man wird sofort merken, wie extrem unterschiedlich die Varianten klingen und hoffentlich wird dadurch verständlich wieso das eben nicht so einfach ist mit der Antwort (von den Wechselwirkungen, die der Melodieton - auch der, der im Solo gespielt wird, der nicht in den Noten steht - auf den Griff hat, den man tatsächlich spielt mal ganz abgesehen).

Es ist also ziemlich kompliziert. Und ja, vor dem "Erfolg" steht der Fleiß.
Einen Rüffel bekommt man hoffentlich nicht oder nur im Spaß. Dieselben Arschlöcher die einen auf der Jazzsession dumm anmachen weil man "Pentatonik" spielt sind eben dieselben Arschlöcher die einen auf der Bluesersession wissen lassen dass Clapton ganz ohne Bodentreter ausgekommen sei oder der einem Metaller erzählt er habe einen Kumpel, der die Sextolen sowieso nochmal dreimalsoschnell und viel sauberer spielen könne. Und denen erzählt man am Besten was von geheimnisvollen David Gilmour Platten ;)



So, das zweite Bier ist leer, Kenny kommt auch langsam zum Schluß und deshalb werde ich nun auch langsam aufhören zu schreiben. Muß ja auch morgen abend fit sein und unsere Jungs anfeuern wenn wir die Türkei besiegen ;)

Ich möchte noch kurz einige Einwände vorweg nehmen:
Braucht das irgendein Mensch?
- Nein, natürlich nicht. Es gibt Menschen wie Gereon, Frank oder mich, die Spaß daran haben, sich an sowas den Kopf und die Finger zu zerbrechen. Der alterierte Dominantklang ist für mich ein Teil der Harmonielehre von dem niemand gehört haben muß. (Und von der Theorie ne Ahnung haben muß sowieso keiner imho)

Braucht man das um ein geiles Solo zu spielen / ein guter Musiker/Gitarrist zu sein?
- GOtt bewahre! ;)

Und der Weisheit letzter Schluß?
- Der Weg ohne F7alt. ist weniger steinig als der mit F7alt. (frei nach Michael J. =)) )


Puh. Das war jetzt mein längster AS Beitrag bisher. Über Anmerkungen und Kritik freue ich mich wie immer


Beste Grüße an die Forengemeinde


Helge


_________________
* Wobei der Link zu JustChords in der allerersten Antwort die Frage wirklich schon mehr als erschöpfend beantwortet imho. Aber darum soll es hier jetzt nicht gehen.

** Ich wähle hier "E" weil E auf der Gitarre wahrscheinlicher ist in dieser Situation.

*** v.l.n.r.: F7 #9 (Hendrixakkord ;) ) / F7 b5 / F11


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