Re: Schumanns Hausregeln - Klimpere nie!


[ verfasste Antworten ] [ Thread-Anfang ] [ Aussensaiter-Forum ]

Beitrag von jonas vom April 14. 2008 um 20:36:56:

Als Antwort zu: Re: Schumanns Hausregeln - Klimpere nie! geschrieben von erniecaster am April 14. 2008 um 20:33:27:

Hi Matthias!

:
: Davon abgesehen ist sicherlich vieles von diesen Regeln veraltet oder ein wenig lächerlich oder sehr klassisch fixiert. Man muss sicherlich nicht alles richtig finden oder beherzigen. Es ist meiner Ansicht nach aber ein großer Gewinn, sich einfach mal gedanklich mit diesen Regeln zu beschäftigen. Das mal für eine halbe Stunde zu tun, ist sicherlich effektiver als eine halbe Stunde zu klimpern.
:
:

Ja, genau, ich hab's mal probiert:


Musikalische Haus- und Lebensregeln

Die Bildung des Gehörs ist das Wichtigste. Bemühe dich frühzeitig, Tonart und Ton zu erkennen. Die Paula, die Strat, die Tele – forsche nach, welche Töne sie angeben und wodurch sie erzeugt werden.

Du sollst Tonleitern und andere Fingerübungen gar nicht spielen. Es gibt nämlich viele Leute, die meinen, damit Alles zu erreichen, die bis in ihr hohes Alter täglich viele Stunden mit mechanischem Ueben hinbringen. Das ist ungefähr ebenso, als bemühe man sich täglich, das ABC möglichst schnell und immer schneller auszusprechen. Wende die Zeit besser an.

Man hat sogenannte "Kapodaster" erfunden; versuche sie eine Weile lang, um zu sehen, daß sie zu nichts taugen. Vom Strummen kann man nicht sprechen lernen.

Spiele im Takte! Das Spiel mancher Virtuosen ist wie der Gang eines Betrunkenen. Solche nimm dir nicht zum Muster.

Lerne frühzeitig die Grundgesetze der weiblichen Anatomie.

Fürchte dich vor den Worten: Theorie, Generalbaß, Contrapunct &c.; sie kommen Dir, wie ein Geisterfahrer entgegen, wenn du dasselbe thust.

Klimpere nie! Spiele immer frisch zu und nie ein Stück halb, es sei denn Du bist auf einer Session.

Schleppen und eilen sind gleich große Fehler des Drummers.

Bemühe dich, leichte Stücke gut und schön zu spielen; es ist besser, als schwere mittelmäßig vorzutragen.

Du hast immer auf ein rein gestimmtes Instrument zu halten.

Nicht allein mit den Fingern mußt du deine Stückchen können, du mußt sie dir auch mit Gitarre vorträllern können. Schärfe deine Einbildungskraft so, daß du nicht allein die Melodie einer Composition, sondern auch das dazu gehörige Solo im Gedächtnis festzuhalten vermagst.

Bemühe dich, und wenn du auch nur wenig Stimme hast, ohne Hülfe des Instrumentes vom Leadsheet zu singen, die Schärfe deines Gehörs wird dadurch immer zunehmen. Hast du aber eine klangvolle Stimme, so säume keinen Augenblick sie auszubilden, betrachte sie als das schönste Geschenk, das dir der Himmel verliehen!

Du mußt es so weit bringen, daß du eine Musik auf dem Papier nicht brauchst.

Wenn du spielst, kümmere dich nicht darum, wer dir zuhört, sondern wie Sie aussieht.

Spiele immer, als hörte dir eine heiße Schnecke zu.

Legt dir Jemand eine Composition zum erstenmal vor, daß du sie spielen sollst, so überlies sie geflissentlich.

Hast du dein musikalisches Tagewerk gethan und fühlst dich ermüdet, so strenge dich nur zu heiterer Arbeit an. Besser rasten, als ohne Lust und Frische arbeiten.

Spiele, wenn du älter wirst, nichts Modisches. Die Zeit ist kostbar.

Mit Süßigkeiten, Back- und Zuckerwerk zieht man keine Kinder zu gesunden Menschen. Wie die leibliche, so muß auch die geistige Kost einfach und kräftig sein. Die Meister haben hinlänglich für Bier gesorgt; haltet euch an dieses.

Aller Passagenkram ändert sich mit der Zeit; nur, wo die Fertigkeit dem Blues dient, hat sie Werth.

Schlechte Compostionen mußt du nicht verbreiten, im Gegentheil sie mit aller Kraft unterdrücken helfen!

Du sollst schlechte Compositionen weder spielen, noch, wenn du nicht dazu gezwungen bist, sie anhören!

Such' es nie in der Fertigkeit, der sogenannten Bravour. Suche mit einer Composition den Eindruck hervorzubringen, den der Componist im Sinne hatte; mehr soll man nicht; wer darüber ist, ist Yngwie .

Betrachte es als etwas Abscheuliches, in Stücken guter Tonsetzer etwas zu ändern, wegzulassen, oder gar neumodische Verzierungen anzubringen, also Covern. Dies ist die größte Schmach, die du der Kunst anthust.

Wegen der Wahl im Studium deiner Stücke befrage Aeltere; du ersparst dir dadurch viel Zeit.

Du mußt nach und nach alle bedeutenderen Werke aller bedeutender Blueser kennen lernen.

Laß dich durch den Beifall, den sogenannte große Virtuosen oft erringen, nicht irre machen. Der Beifall der Blueser sei dir mehr werth, als der des großen Pöbels.

Alles Melodische wird wieder unmelodisch. Und treibst du's bis in das Alter, so wirst du ein Geck, den Niemand achtet.

Viel Spielen in Gesellschaften bringt mehr finanziellen Schaden, als Nutzen. Sieh dir die Frauen an; und spiele nie etwas, dessen du dich in deinem Innern zu schämen hättest.

Versäume aber keine Gelegenheit, wo du mit andern zusammen musiciren kannst, in Duo's, Trio's &c. Dies macht dein Spiel fließend, schwungvoll. Auch Sängern unterwerfe Dich oft.

Wenn Alle erste Violine spielen wollten, würden wir kein Orchester zusammen bekommen. Achte daher auch den Bassisten an seiner Stelle.

Liebe dein Instrument, und halte es für das höchste und einzige. Bedenke aber, daß es andere und fast so schöne gibt. Bedenke auch, daß es Sänger gibt, die im Background-Chor und auf der Aufnahme das Höchste der Musik zur Aussprache bringen

Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Frauen als mit Virtuosen.

Such unter deinen Kameraden die auf, die mehr als du können.

Von deinen musikalischen Studien erhole dich fleißig durch Kinogänge. Ergehe dich oft in der Kneipe!

Von Sängern und Sängerinnen läßt sich Alles lernen, deshalb glaube ihnen auch Alles.

Hinter den Bergen wohnen auch Leute. Sei bescheiden! Du hast noch nichts erfunden und gedacht, was nicht Robert Johnson vor dir schon gedacht und erfunden. Und hättest du's, so betrachte es als ein Geschenk vom Teufel, was du mit Anderen zu theilen hast.

Das Studium der Geschichte der Musik, unterstützt vom lebendigen Hören der Meisterwerke der verschiedenen Epochen, wird dich am schnellsten von Eigendünkel und Eitelkeit curiren.

Ein bescheidenes Buch über Musik ist das "Gitarrenbuch“ von Peter Bursch. Verbrenne es häufiger, wenn du älter wirst.

Gehst du an einer Kirche vorbei und hörst Orgel darin spielen, so gehe hinein und höre zu. Wird es dir gar so wohl, dich selbst auf die Orgelbank setzen zu dürfen, so versuche deine kleinen Finger und staune vor der Allgewalt der Polizei und des Ordnungsamtes.

Versäume jede Gelegenheit, dich auf der Orgel zu üben. Es gibt kein Instrument, das so unsinnig und uncool im Tonsatz wie im Spiel ist, als die Orgel.

Singe fleißig im Chor mit, namentlich Mittelstimmen. Erst das macht dich musikalisch.

Was heißt denn aber musikalisch sein? Du bist es nicht, wenn du, die Augen ängstlich auf die Noten gerichtet, dein Stück mühsam zu Ende spielst; du bist es nicht, wenn du (es wendet dir Jemand etwa zwei Seiten auf einmal um) stecken bleibst und nicht fortkannst. Du bist es aber, wenn du bei einem neuen Stück das, was du spielen wirst, ungefähr ahnest, bei einem dir bekannten auswendig weißt, – mit einem Worte, wenn du Musik nicht allein in den Fingern, sondern auch im Kopf und Herzen hast.

Wie wird man aber musikalisch? Liebes Kind, die Hauptsache, ein scharfes Ohr, schnelle Auffassungskraft, kommt, wie in allen Dingen, von Oben. Aber es läßt sich die Anlage bilden und erhöhen. Du wirst es, nicht dadurch, daß du dich einsiedlerisch tagelang absperrst und mechanische Studien treibst, sondern dadurch, daß du dich in lebendigem, vielseitig-musikalischem Verkehr erhältst, namentlich dadurch, daß du viel mit Sängern und Frauen verkehrst.

Mache dich über den Umfang der menschlichen Stimme in ihren vier Hauptarten frühzeitig klar; belausche sie namentlich im Chor, forsche nach, in welchen Intervallen ihre höchste Kraft liegt, in welchen andern sie sich zum Weichen und Zarten verwenden lassen.

Höre fleißig auf alle Folksongs; sie sind eine Fundgrube der schönsten Melodeien und öffnen dir den Blick in den Charakter der verschiedenen Nationen.

Uebe dich frühzeitig im Lesen der Tabulatur. Viele Schätze der Vergangenheit bleiben dir sonst verschlossen.

Achte schon frühzeitig auf Ton und Charakter der verschiedenen Instrumente; suche ihre eigenthümliche Klangfarbe deinem Ohr einzuprägen.

Gute Opener zu hören, versäume nie.

Ehre das Alte hoch, bringe aber auch dem Neuen ein warmes Herz entgegen. Gegen dir unbekannte Namen hege kein Vorurtheil.

Urtheile nicht nach dem Erstenmalhören über eine Composition; was dir im ersten Augenblick gefällt, ist nicht immer das Beste. Meister wollen studirt sein. Vieles wird dir erst im nüchternen Zustand klar werden.

Bei Beurtheilung von Compositionen unterscheide, ob sie dem Kunstfach angehören, oder nur dilettantische Unterhaltung bezwecken. Für die der ersten Art stehe ein; wegen der anderen erzürne dich!

"Melodie" ist das Feldgeschrei der Dilettanten, und gewiß, eine Musik ohne Melodie ist gar keine. Verstehe aber wohl, was jene darunter meinen; eine leichtfaßliche, rhythmisch-gefällige gilt ihnen allein dafür. Es gibt aber auch andere anderen Schlages, und wo du Beck, Emmanuel, Lane aufschlägst, blicken sie dich in tausend verschiedenen Weisen an: Des dürftigen Einerlei's namentlich neuerer DSDS Openermelodien wirst du hoffentlich bald überdrüssig.

Suchst du dir an der Gitarre kleine Melodeien zusammen, so ist das wohl hübsch; kommen sie dir aber einmal von selbst, nicht an der Gitarre, dann freue dich noch mehr, dann regt sich in dir der innere Tonsinn. – Die Finger müssen machen, was der Kopf will, nicht umgekehrt.


Verlieh dir der Himmel eine rege Phantasie, so wirst du in einsamen Stunden wohl oft wie festgebannt vor dem Halfstack sstehen, in High-Gain dein Inneres aussprechen wollen, und um so geheimnißvoller wirst du dich wie in magische Kreise gezogen fühlen, je unklarer dir vielleicht der High-Gain-Bereich noch ist. Der Jugend glücklichste Stunden sind diese. Hüte dich indessen, dich zu oft einem Talent hinzugeben, das Kraft und Zeit gleichsam an Schattenbilder zu verschwenden dich verleitet. Die Beherrschung der Form, die Kraft klarer Gestaltung gewinnst du nur durch das feste Zechen des Bieres. Trinke also mehr, als du phantasirst.

Verschaffe dir frühzeitig Kenntnis vom Dirigieren, sieh dir gute Bandleader oft an; selbst im Stillen mit zu dirigiren, sei dir unverwehrt, das bringt Klarheit in dich.

Lebe Dein leben so, das jedes 2. Kind im Kindergarten „Vater“ zu Dir sagen könnthe.

Die Gesetze der Moral sind Gift für die Kunst.

Durch Fleiß und Ausdauer wirst du immer schneller werden.

Aus einem Pfund Eisen, das wenig Groschen kostet, lassen sich viele tausend Uhrfedern machen, deren Werth in die Hunderttausend geht. Das Pfund, das du von Gott erhalten, nütze es treulich.

Ohne Enthusiasmus wird nichts Rechtes im Vlues zu Wege gebracht.

Der Blues ist nicht da, um Reichthümer zu erwerben. Werde nur ein immer größerer Blueser; alles Andere fällt dir von selbst zu.

Nur erst, wenn dir die Form ganz klar ist, wird dir der Geist klar werden.

Vielleicht versteht nur der Jazzer den Jazzer ganz.

Es meinte Jemand, ein vollkommener Musiker müsse imstande sein, ein zum erstenmal Gehörtes, auch komplicirteres Orchesterwerk wie in leibhaftiger Partitur vor sich zu sehen. Das ist der größte Unsinn, der gedacht werden kann.

Es ist des Bluesens kein Ende.


,-)))





verfasste Antworten:



Dieser Beitrag ist älter als 3 Monate und kann nicht mehr beantwortet werden.