Re: (Sonstiges) Scofield Spezialist gesucht...
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Beitrag von Michael (Jacuzzi) vom März 04. 2008 um 13:26:02:
Als Antwort zu: (Sonstiges) Scofield Spezialist gesucht... geschrieben von wonder1908 am März 03. 2008 um 21:39:08:
Lieber Stefan,
es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen, darum auch noch mal schnell ich zu einem meiner liebsten Gitarristen, und dafür muss ich kurz etwas ausholen:
Wahrscheinlich baut ja jeder in seinem Leben eine Zeitlang auf, dann gibt es so eine Art kreativer Hochphase, und dann geht es so ganz langsam wieder bergab, manchmal auch ein bisschen schneller. Mir zumindest kommt es so vor, wenn ich die meisten Musiker beobachte. (Außer Britney Spears natürlich, die wird ja immer toller, aber das hat andere Gründe.)
Wenn das stimmt, dann gibt es bei den meisten Musikern einen Moment, an dem alles zusammenpasst: so eine Art Kulminationspunkt, in dem die kreative Kraft noch reich vorhanden ist, aber schon ein Stück Reife und Zentriertheit hinzukommen. (Also so ähnlich wie bei Wein oder Rinderlende).
Dieser Kulminationspunkt läge, um nur einige Beispiele zu nennen, bei:
Prince: Sign O The Times
Deep Purple: Made in Japan
AC/DC: Back in Black (auch wenn jetzt alle Scott-Fans aufheulen)
Eric Clapton: Kurz bevor er seine erste Gitarre bekommen hat
Steely Dan: Steht noch bevor
Miles Davis: We Want Miles
FZ: jedenfalls nach den Mothers, wahrscheinlich ungefähr bei Sheik Yerbouti
etc. - Diese Liste ließe sich natürlich ins unendliche fortsetzen, und wenn das hier mein Thread wäre, würde ich Matthias' Plektren gewinnen.
Aber wo war ich stehen geblieben? Ach ja: Auch John Scofield hatte diesen Punkt, und er lag ziemlich genau bei den beiden von Rolli bereits genannten Platten "Still Warm" und "Pick Hits Live".
"Still Warm" ist eine Quartett-Platte, in der nicht nur Scofield seine reichste und vielsagenste Gitarre spielt. Da gibt's auch noch den unvergleichlichen Omar Hakim am Schlagzeug (inbesondere im Titlestück) und Deryl Jones am Bass. Beide sind interessanterweise hinterher mit Sting einem größeren Publikum bekannt geworden (da gabs mal einen Proben- und Konzertfilm nebst Live-Platte. Deryl Jones kam glaube ich von Miles und landete hinterher bei den Rolling Stones - auch mal ne Karriere!). Einzig Don Grolnick an den Keyboards stört ein wenig. ("Ich hab aus Versehen dein Klavier runtergeworfen, aber bitte, Don, groll nick ...). Diese Platte ist also immer eine Anschaffung wert, und man kann jedem Ton ewig hinterherhören. Ich hab sie seit Ende der 80er zu Hause, und sie ist sicherlich eine der Platten, die mein eigenes Musikmachen am meisten beeinflusst haben.
"Pick Hits Live" stammt von relativ kurz danach und hat teilweise das gleiche Material, allerdings in anderer Besetzung. Diese Platte ist deswegen so nett, weil sie eine unglaublich tighte und originelle Live-Performance eingefangen hat. Für mich eine der besten Live-Platten überhaupt, aber natürlich nicht mehr so intensiv wie die "Still Warm". Dafür aber lebendiger.
Was danach kommt, ist dann schon der absteigende Ast, auch wenn der bei Scofield natürlich immer noch wesentlich höher hängt als bei den meisten Anderen: "Überjam" ist sehr interessant mit ein bisschen Drum N Bass-Elementen, "Quiet" total untypisch und ein Zeichen dafür, dass er die Sackgasse offenbar selber gesehen hat, "Up All Night" und "Bump" sind sehr groovig, aber ein bisschen beliebig, "Works for me" ganz schlecht, und die Ray-Charles-Platte schon ein bisschen peinlich. "Still Warm" bleibt, mit einem Wort, unerreicht.
Hab ich noch was vergessen? Ach ja: Hier schneits.
Herzliche Grüße,
Michael (J.)
NP: FZ, Trouble Every Day
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