Re: (Technik) Sound und Modeller und vieles mehr - nächste Runde


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Beitrag von andi-o vom Januar 04. 2008 um 09:27:22:

Als Antwort zu: Re: (Technik) Sound und Modeller und vieles mehr - nächste Runde geschrieben von erniecaster am Januar 03. 2008 um 22:39:26:

Moin Matthias,

Jetzt wird es spannend. Wenn der Modeller versucht, eine geschlossene 4x12er zu simulieren und das wird dann durch einen einsamen 12er in offenem Gehäuse geschickt, dann wird es sich zu guter Letzt vermutlich nicht so anhören, wie sich der geneigte Gitarrist sich das bei der Einstellung und der Wahl der 4x12er Box erhofft hat.

spannend, allerdings - vielleicht ist dieser Punkt sogar der spannendste an der ganzen Modeling Sache. Wahrscheinlich machen sich die wenigsten Gitarristen darüber Gedanken, wie die "anderen" - also das Publikum (oder die Rest-Band) den Gitarrensound hören. Klar, so 1-3 Meter weg vor der eigenen 4x12, das drückt amtlich und klingt (hoffentlich) geil. Aber selbst 4x12 werden heutzutage mit einem (meist auch einsamen) Mikro abgenommen, sagen wir mal ein SM57, und dann durch die PA geschickt. Was beim Publikum dann ankommt, KANN nichts mehr mit dem Ton zu tun haben, den der Gitarrist selber vor seinem Gebläse wahrnimmt. Viele Gitarristen lassen sich diese abgenommene Signal auch bewusst nicht oder nur sehr wenig auf den eigenen Monitor legen - ist ja klar - das Mikro nimmt den Lautsprecher an einer Stelle ab, an der sich das Gitarristenohr niemals befindet (wer kniet sich schon vor seine Box und presst sein Ohr ann den Boxenbezug?), ausserdem übehöht bzw. beschneidet das Mikro selbst auch noch mal das Signal - mit dem Wohlklang aus der 4x12 vom idealen Abhörstandpunkt aus hat dieser Sound dann nicht mehr richtig viel zu tun...

Wenn unser Beispielgitarrist jetzt am Gig nur seinen abgenommenen Sound über Monitor hören würde, würde er wahrscheinlich den ganzen Abend mit Schweppes-Gesicht und verkrampften Fingern spielen, wenn er nicht einen Mann am Mischpult sitzen hat, der es hinbekommt, das Signal aus dem Mikro sowohl wieder in Wohlklang umzuformen als auch gleichzeitig den Gitarrensound so im Mix zu platzieren, dass er nicht untergeht.

(Ich stelle eben fest, dass sich das ganz schön geschwollen anhört...ok, was soll's...) Weiter im Text. Die meisten "handelsüblichen" Modeler umgehen diese Geschichte damit, dass sie den Wohlklang schon "ab Werk" in ihre Boxen/Mikrosims packen - so, wie sich dann ein komplett mit Box gemodelter Amp anhört, soll es den Gitarristen nicht vor Schreck von den Socken hauen, im Gegenteil, es wird schöngefärbt, dass es kracht - ABER ist dieser Wohlklang dann zusammen mit der Band noch ortbar oder setzt er sich durch? Die ernüchternde Feststellung, dass der geile Wohnzimmersound des XYZ-Modelers im Bandgefüge komplett versagt, ist ja schon sprichwörtlich.

Ok, da wären sie, die zwei Probleme des Gitarristen: 1) den eigenen "richtig geilen" Sound für's Wohlbefinden/die Spielfreude/die Kreativität auf der Bühne im Rücken zu haben und gleichzeitig 2) dem Mann am Mischer etwas zukommen zu lassen, womit er nen guten Bandsound hinbekommt.

Wenn man keinen Modeler benutzt, sondern seinen (Röhren-) Amp der Wahl, hat man mit 1) kein Problem. Schliesslich stellt man seinen Sound so ein, dass man ihn als so optimal wie möglich empfindet. Bei 2) sieht's anders aus: Man ist dem Mann am Mischer "ausgeliefert". Wieviel Aufhebens wird z.B. beim Abnehmen mit der (richtigen) Mikropositionierung schon gemacht? Ok, man ist ja nicht im Studio, also schnell das Mikro irgendwo zwischen Kalotte und Membran (da wo der Gaffa-Rest vor sich hinschimmelt) - wird schon passen. (Dass dem u.U. nicht so ist, kann man, wenn man Mikro + Mischpult + Kopfhörer besitzt, ganz leicht zu Hause austesten - unglaublich, wie sich der Sound verändert, wenn man das Mikro an verschiedene Stellen des Speakers und in verschiedenen Winkeln zu diesem positioniert...) Soll heissen, der Mensch am Mischpult (oder das Bandmitglied mit der Arschkarte wenn sich die Band selber von der Bühne aus abmischt ;-)) kriegt ein möglicherweise suboptimales Signal und soll daraus etwas zaubern, womit der Gitarrist die MuPo zu beeindrücken wünscht. Und das mit den Wünschen ist immer so eine Sache.... Aber immerhin ist das eine Variante, die einem wenigsten die Spielfreude garantiert und die ich selber so ca. 20 Jahre auf der Bühne praktiziert bzw. mitbekommen habe.

Wenn man einen (herkömmlichen - ihr wisst bestimmt, was nacher noch kommt ;-) Modeler benutzt, hat man schonmal bei 1) das erste Problem. Wie macht man das Ding lauter? Über den eigenen Amp? Über einen aktiven Monitor? Der aktive Monitor wäre konsequent - sofern man das Fender Twin Model auch mit dem "authentischen" Boxensound als solches erkennbar wiedergeben möchte oder den JCM800 mit 4x12... usw. Über den eigenen Amp wird es schon schwieriger, denn die meisten Modeler bieten nicht die Möglichkeit, das Signal z.B. einmal ohne- und einmal mit den Boxensimulationen auszugeben, und einen Modeler mit Boxensims nochmal in einen Amp und über eine (frequenzbeschneidende & einfärbende) Gitarrenbox klingt fast immer scheisse.
2) Das Signal, welches der Mischpultmann vom Modeler bekommt, ist, wie ich oben schon schrob "Wohlklang" - den der Mischer jetzt wieder u.U. soweit verbiegen muss, dass er ihm Ortbarkeit (kuhler Wortersatz für "Durchsetzungsfähigkeit", gell) verleiht.

Es läuft also IMMER auf einen Kompromiss hinaus!


Achtung, jetzt wird es subjektiv; ich beschreibe mal meinen Kompromiss (habe ich an anderer Stelle zwar schonmal, aber jetzt werde ich etwas ausführlicher).
Da ich nicht mehr wie früher Top40 Mucke machen muss, kann ich mir den Luxus erlauben und den ganzen Abend über eine 4x12 föhnen. Das hat mit dem Diezel Spass gemacht und macht jetzt mit dem AxeFx Spass - die paar Cleansounds, die ich am Abend brauche, klingen auch über die 4x12 gut. Abteilung 1) ist schon mal gesichert, und da ich das AxeFx OHNE Boxensimulation über eine 2x50 (oder 2x100) Watt Röhrenendstufe in die 4x12 schicke, ist 1) nicht kompromissbehaften - natürlich ist das inkonsequent - mit z.B. einem aktiven Monitor könnte ich manche Ampmodels evtl. authentischer klingen lassen - also all jene, die im richtigen Leben KEINE 4x12 antreiben - will ich aber nicht, denn meine Lieblingssounds bzw. Amps laufen im richtigen Leben alle über 4x12. Wie Matthias es beschrieben hat, habe ich da schonmal eine Vorauswahl getroffen.

Bei 2) war ich vor dem Erwerb des AxeFx traditionell mit SM57 vor einem(!) Speaker der 4x12 unterwegs. Hat immer funktioniert, mal mit mehr, mal mit weniger Stress. Da das AxeFx aber sehr sehr realitische Boxen- und Mikrofonkombinationen zur Verfügung stellt, kann ich das Signal direkt ins Mischpult schicken, indem ich einfach, nachdem ich es für die Ausgabe an die Endstufe abgezapft habe, mit einer Boxensimulation versehen und per XLR Kabel ausgeben. (Endstufe & Box sind also ausschliesslich für 1) da!)

Klar, das können andere Modeler auch - aber beim Axe kann ich das Ergebnis besser beeinflussen. Ich habe es ja schon beschrieben: ich robbte mit der Gitarre auf dem Boden vor der Box hin und her und habe "per Ohr" ( + Mischpult & Kopfhörer) meinen Sound (aus Röhrenendstufe und Box), den das Mikro an der entsprechenden Stelle auch "hört", nachgebaut - mit den am besten passenden virtuellen Boxen- und Mikromodellen. Das Ergebnis entspricht aber eben NICHT dem Klang, den ich stehend aus 2 m Entfernung von meiner richtigen Box höre, sondern dem einer gut mikrofonieren 4x12! (Da ich ja auch stereo fahre sind es genauer gesagt 2 Boxen und 2 Mikrosimulationen, die eine grob gesagt für den punch, die andere für's Durchsetzungsvermögen) Das Entscheidende für mich ist dabei die gleichbleibende Qualität - kein Ärger mehr mit Mikros & Gefummel vor der Box, Kabelsalat, etc. pp. Einfach rein in den (linear eingestellten) Mischer-Kanal, Aussteuerung anpassen und fertig! Die sehr komplexen Routingmöglichkeiten und die - meiner Meinung nach - hervorragenden Boxen- und Mikrofonsimulationen im AxeFx machen's möglich. (Jemand der z.B. mit InEarMonitoring unterwegs ist, könnte sich auch für den eigenen Mix die Boxensim OHNE Mikrosim abzapfen, für den persönliche Wohlklang, und dem Mischer gleichzeitig das mit Mikrosim "angeschärfte" Signal weitergeben...)

Also stressfrei (und für mich optimal) 1) und 2) erfüllt.

An dieser Stelle möchte ich noch bemerken, dass die Atomics nichts für mich wären. Die Speaker sind weder PA noch ausgewiesene Gitarrenlautsprecher, und mir persönlich als 4x12 Liebhaber für meine Soundvorstellungen zu brav.

Vielleicht habe ich ein paar Binsenweisheiten von mir gegeben, vor allem für jene, die sich besser als ich mit der Technik auskennen - dem Onk haben meine "Bauernregeln" evtl. die Zehennägel aufgerollt - aber ich habe latürnich auch nur meine Sicht der Dinge beschrieben.

So, jetzt muss ich aber was arbeiten ;-)


Grüße,

Andreas


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