Re: (Philosophie) Bandleading
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Beitrag von Michael (Jacuzzi) vom Juni 26. 2006 um 10:50:09:
Als Antwort zu: (Philosophie) Bandleading geschrieben von Woody am Juni 25. 2006 um 21:10:59:
Hallo Woody,
ich habe mit dem Bandleadertum eher schlechte Erfahrungen. Natürlich muss der Haufen ab einer gewissen Anzahl von Leuten zusammengehalten werden, aber du planst ja keine Bigband. Bei allem, was eine geringere Basetzung als - über den Daumen - 7 Leute hat, würde ich versuchen, weitestgehend ohne Formalitäten auszukommen, und die Bandleaderei ist, wenn man sie als solche deklariert, erst mal nur eine Formalität.
Es ist schön, wenn sich Strukturen herausbilden, in denen jeder bestimmte Rollen einnimmt. Da kommt dann oft auch heraus, dass einer zum Bandleader wird. Das ist dann aber das Ergebnis einer gemeinsamen Entwicklung, und die würde ich auf alle Fälle abwarten - insbesondere dann, wenn man Jazz spielen möchte, der ja unter anderem auch davon lebt, dass jeder seinen persönlichen Raum für seine eigene Individualität bekommt.
Mir ist auch klar, dass das mit einem Minus an Organisation und vielleicht sogar mit einem Stück Anarchie einhergehen kann, aber das würde ich erst mal in Kauf nehmen, denn je flacher die Hierarchien sind, desto spannender können - meiner Erfahrung nach - der Input des Einzelnen und damit der gemeinsame Output werden.
Knackpunkte sind für mich übrigens weniger die organisatorischen Fragen, sondern viel eher die Besetzung. Ernst wird es nämlich dann, wenn die Idee auftaucht, dass man mit bestimmten Leuten nicht/nicht mehr zusammenspielen möchte. Hier gibt es nun deutliche Unterschiede im Modell: Ein Bandleader fragt vielleicht ein bisschen rum, aber im Regelfall wird er am Ende entscheiden. Das geht schneller und evtl. auch ein bisschen schmerzloser. Gibt es so jemanden nicht, dauern die Entscheidungen länger, die Prozesse sind komplizierter und ineffizienter, aber das Ergebnis ist oft runder und breiter abgesichert.
Das heißt nicht, dass ich gegen Bandleaderei wäre; ich glaube nur, dass sie das Ergebnis einer (wenn man so will: bandinternen) Entwicklung sein sollte.
Diesen entsetzlich langen Sermon von mir gibt es deswegen, weil ich beide Erfahrungen gemacht habe: Früher mit richtiger Chefstellung, heute mit dem bewussten Versuch, mich zurückzuhalten und die Dinge kommen zu lassen. Letzeres kostet Geduld, ist gelegentlich etwas frustrierend, aber macht am Ende mehr Spaß, man lernt mehr, und es klingt auch besser.
Grüße nach Realbookraufundrunterland,
Michael
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