(Philosophie) Der Sound kommt aus den Fingern


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Beitrag von Matthias vom Januar 11. 2005 um 20:11:34:

Liebe Gemeinde!

Spielen zwei Gitarristen dieselben Töne über dasselbe Equipment, werden sie unterschiedlich klingen. Das ist sozusagen der Satz "Der Sound kommt aus den Fingern" in Langform, die nicht weniger abgedroschen ist aber einen geringeren Brechreiz verursacht. Ich denke mal, dass das auch weniger eine These als vielmehr eine Tatsache ist.

Woher kommt der Unterschied? Konkreter gefragt: Liegt der Unterschied darin, was die Finger TUN oder darin, wie die Finger beschaffen SIND? Wenn der Unterschied im TUN liegt, kann jeder an sich arbeiten und vielleicht seinen Wunschsound erreichen. Oder kann man einfach sagen "Der Sound kommt aus den Fingern", auf die Hände eines Klampfers schauen und ihm sagen, dass er den erwünschten schlanken Ton mit den Wurstfingern nie erreichen wird? Das wäre desillusionierend. "Du brauchst ein neues Hobby. Schach ist ein wunderbares Spiel."

Machen wir mal ein gedankliches Experiment. Der dürre Johnny Winter schleicht sich in den Probenraum des etwas übergewichtigen Poppa Chubby und will seinen Sound kopieren. Bitte jetzt keine Diskussionen über den Sinn dieser Idee. Chubbys Bandkollegen sind auch da. Johnny spielt auf Chubbys
Equipment Chubbys Licks und klingt anders. Warum? Wenn es wirklich die Beschaffenheit der Finger/der Hände/des Körpers ist, dann müssen wir uns ja nur ansehen, wo Equipment mit Fleisch in Berührung kommt.

Fangen wir mit der linken Hand an (alles aus Sicht des Rechtshänders). Der Druck auf die Saite ist messbar. Es ist allerdings ein Unterschied, ob Haut und Knochen (hart) auf die Saite drücken oder wabbeliges, weiches Fleisch. Das hat auch Auswirkungen auf das Vibrato - an dem man aber auch arbeiten kann. Die linke Hand hat noch mehr Auswirkung, nämlich hinter dem Hals. Umschließt die fette, schwere Hand den Hals, dämpft sie den mehr als ein dünner Kontakt, vergleichbar mit einem "Fathead" oder einem an die Kopfplatte geklemmten Gewicht. Zwischen linker und rechter Hand der Bauch. Die fette, wabbelige Masse am Boden der Gitarre dämpft bzw. die wenigen Berührungspunkte der Rippen dämpfen nicht. Gleiches gilt für den rechten Unterarm. Die rechte Hand liegt manchmal auf dem Steg zum Dämpfen. Viel Fleisch und Fett oder nur Haut und Knochen? Sicherlich ein Unterschied. Das Plektrum in der Hand - beweglicher bei dicken Fingern als bei dünnen? Das dürfte schon eine Glaubensfrage werden.

Das sind sicherlich Unterschiede, die weder Johnny noch Poppa ändern können, von einer radikalen "Diät", in welche Richtung auch immer, mal abgesehen. Wie viel von diesen Unterschieden bleibt aber, wenn Bass und Schlagzeug einsetzen? Ich denke, richtig viel wird es nicht sein.

Woher kommt dann aber der Unterschied im Sound zwischen zwei Gitarristen? Meiner Meinung nach ist es das Vibrato der linken und der Anschlag der rechten Hand. Beides Dinge, die man üben kann. Guter Sound wäre demnach keine Frage der Gene sondern des Übens.

Wenn also jemand sagt "Der Sound kommt aus den Fingern", dann meint er "Geh üben, faule Sau." Ist doch viel eindeutiger, oder?

Nun bin ich mal auf eure Meinung gespannt.

Gruß

Matthias

P.S. Wesentliche Teile dieses Postings sind mit Hilfe von Herrn Sven Behrens entstanden, dem ich an dieser Stelle dafür danken möchte.




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