Re: Linkschreibung, England und Demokratie


[ verfasste Antworten ] [ Thread-Anfang ] [ Aussensaiter-Forum ]

Beitrag von Michael (Jacuzzi) vom August 11. 2004 um 12:22:19:

Als Antwort zu: Re: Linkschreibung, England und Demokratie geschrieben von Hokey am August 11. 2004 um 11:41:42:

Lieber Hokey,

ich glaube nicht, dass du Recht hast, bzw. nicht auf den zweiten Blick:

Dass Demokratie Diskurs bedeutet, ist richtig. Ebenso, dass dies erst durch freie Meinungsäußerung gewährleistet werden kann, an erster Stelle durch eine funktionierende freie Presse. Alles unbestritten.

Über Flughafenausbau kann man auch verschiedener Meinung sein, und dann gibt es die einen und die anderen, und die Opposition kontrolliert zusammen mit der Presse die Regierung, und man setzt sich im öffentlichen Diskurs auseinander: alles prima.

Aber so ist es hier meiner Wahrnehmung nach nicht: Hier besteht an der Reformbedürftigkeit des Systems, soweit ich es erkennen kann, kein ernstzunehmender Zweifel von irgendeiner Seite, und das führt zu einer Art von historischem Zufall: Dass nämlich immer derjenige den schwarzen Peter in der Hand hält, der gerade an der Macht ist. Dies zumindest dann, wenn die Opponenten - seien es nun Parteien oder Medien - sich auf den Protest beschränken, ohne deutlich zu machen, dass viele der Dinge, gegen die protestiert wird, nicht nur alternativlos, sondern im Grunde sogar konsentiert sind.

Und da hatte Oly, meinem Gefühl nach, schon Recht: Wenn bestimmte Standpunkte nur unter der Voraussetzung vertreten werden, dass sie nicht real eingeholt werden müssen, stimmt nämlich mit dem Diskurs etwas nicht (interessant in diesem Zusammenhang, dass du ausgerechnet noch einen Ami aus der Tasche holst; die haben nämlich auch ein Diskursproblem).

Du hast also zwar formell recht, wenn du schreibst, dass die Zeitungen schreiben können, was sie wollen, und dass dies nur Teil des notwendigen Diskurses sei. Aber das entbindet niemanden von einer inhaltlichen Überprüfung des Diskurses, deren Ergebnis im Übrigen ein genau so essentieller Bestandteil der demokratischen Auseinandersetzung ist. Und da könnte es eben durchaus sinnvoll sein, darauf hinzuweisen, dass die derzeitigen Demonstrationen und die Äußerungen bestimmter opponierender Medien und Politiker zu kurz gegriffen, inhaltsleer, unehrlich oder was auch immer sein könnten. Dieser Bemerkung mit dem "Recht auf freie Meinungsäußerung" zu entgegnen, ist das Gegenteil von inhaltlicher Auseinandersetzung und damit, wenn ich das sagen darf, "in einem diskursiven Sinne problematisch".

Mit herzlichen Grüßen aus MUC,

Michael (Jacuzzi)

NP: The Rolling Stones, All Down The Line.


verfasste Antworten:



Dieser Beitrag ist älter als 3 Monate und kann nicht mehr beantwortet werden.