Re: In dubio pro reo


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Beitrag von Friedlieb vom Oktober 01. 2003 um 19:41:53:

Als Antwort zu: Re: In dubio pro reo geschrieben von Pepe am Oktober 01. 2003 um 11:28:06:

Hi Carsten,

: Auch wenn das jetzt zu weiteren Brechanfällen führt: Das Urteil (hab's gelesen) ist einwandfrei.

also ich jedenfalls will nicht brechen, sondern verstehen.

Zur Standortbestimmung meiner selbst mal ein paar Statements vorweg:
- Wenn einer gegen geltendes Recht verstoßen hat und das zweifelsfrei feststeht (wenn also zB ein Geständnis oder so vorliegt), dann muß er den angerichteten Schaden ersetzen. Ob er über den Schadensersatz hinaus auch noch bestraft werden muß, sollte auch nicht von seinem Unrechtsbewußtsein allein abhängig sein.
- Das öffentliche Feilbieten von raubkopierten MP3-Dateien verstößt gegen geltendes Recht.
- Wenn einer dabei erwischt wird und sein Vorgehen glasklar und ohne den Hauch eines Zweifels feststeht, dann sollte er auch nicht mit irgendwelchen hanebüchenen Ausreden durchkommen.

Nur damit diese meine Position klar ist.

Dein letztes Statement ziehe ich mal vor:

: 4.
: Die 20.000 sind Gerichts- und Anwaltskosten. Wer verliert, zahlt. Ist so. Und der Kerl hat verloren.

Okay, dann laß uns mal nur über die 20.000 reden und die 300.000 gar nicht weiter verfolgen. Ist ja auch so schon ne Menge Holz und wenn einer Schulden aufgedrückt bekommt, die er 20 Jahre lang abstottern muß, dann sind zusätzliche Schulden, für die er weitere 300 Jahre einplanen muß, sicher von eher akademischer Bedeutung.

Auch die Tatsache, daß die 20.000 "Anwaltskosten" sicherlich mindestens ebenso virtuell sind wie der "Börsenwert" einer Aktiengesellschaft - die "Anwaltskosten" repäsentieren ja keine realen Aufwendungen in dieser Höhe und hinter dem Börsen-Überflieger stehen keine realen Werte in der Höhe seines Aktienkurses - lassen wir mal außen vor.

: 1.
: Der Mensch ist nicht verknackt worden. Das war kein Strafverfahren, sondern ein Zivilverfahren, in dem es um Schadensersatz geht. Im Strafverfahren gilt der Satz "in dubio pro reo", weil dort der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, d.h. der Richter muß alles tun, um den Sachverhalt aufzudecken. Kann er das nicht, ohne daß Zweifel verbleiben, muß er im Sinne des Angeklagten entscheiden. Im Zivilprozeß hingegen lehnt sich der Richter zurück und läßt sich von den Parteien vortragen. Wenn die ihm nix erzählen können - Pech gehabt.

Okay, wenn ich das richtig verstanden habe, dann gilt der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" hier also gar nicht. Gut, dann braucht man ja auch nicht über seine Nichtbeachtung zu lamentieren. Komisch ist es aber trotzdem, denn mir persönlich wäre es scheißendreckegal, ob die 20.000
sich "Schadensersatz" oder "Strafe" oder "Anwaltsgebühren" nennen, die Folge ist exakt die gleiche.

: Die Begründung der Kammer, warum sie den Ausführungen der Plattenfirma folgen und warum den Einwände des Antragsgegners nicht gefolgt wurde, sind absolut nachvollziehbar.

Darüber kann man trefflich streiten, ich habe das Urteil und die EV (mp3streit.de, "Das Urteil") auch gelesen und finde auch in der Argumentation von Rainer König keinen logischen Schwachpunkt. Will sagen, mir persönlich erscheinen rein technisch beide Darstellungen gleich plausibel.

Dazu paßt aber auch die Aussage des Verknackten auf mp3streit.de "Einer der Richter meinte: Es reiche aus, wenn das Gericht überzeugt wurde, dass es so sein könnte. EMI müsse keinen Beweis führen."

Wobei ich mich mit meinem antiquierten Gerechtigkeitsgefühl hier natürlich frage, warum das umgekehrt nicht gilt und warum die große EMI irgendwas "einfach so" behaupten kann und ihr geglaubt wird, während der kleine Mann irgendwas anderes "einfach so" behauptet und man ihm eben nicht glaubt.

: 2.

Laß ich mal weg, weil es da um die 300.000 geht, und mir genügt schon der Würgereiz, den mir die 20.000 verursachen.

: 3.
: Nochmal zu "in dubio pro reo": Aus der vorläufigen Natur des hier gegebenen Verfahrens ergibt sich auch, daß an die "Beweis-"führung weniger strenge Anforderungen gestellt werden,

Aber die 20.000 sind doch jetzt nicht wirklich vorläufig, oder? Ich möchte das wirklich verstehen. Die 20.000 sind also, weil es "nur" Nebenkosten sind, eine Bagatelle und rechtfertigen eine weniger strenge Beweisführung?

Letzte Frage, nehmen wir an, der Typ ist wirklich im Recht, was ja offenbar jedenfalls nicht ganz auszuschließen ist: was zum Verrecken kann er denn nun tun, damit ihm in diesem unserem Rechtsstaat auch Gerechtigkeit widerfährt?


Keep rockin'
Friedlieb


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