Re: (Knigge für Vorgruppen) Lampenfieber revisited


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Beitrag von Oly vom September 08. 2003 um 15:47:56:

Als Antwort zu: Re: (Knigge für Vorgruppen) Lampenfieber revisited geschrieben von bO²gie am September 08. 2003 um 15:00:29:

Hi bO²gie und alle anderen,

passt vielleicht nicht so ganz, aber ich mauss mal unseren aktuellen Gig des Grauens loswerden ...

Tatort: Offenbach, Mainuferfest, Open-Air, 3 Tage, kein Eintritt, Veranstalter Stadt Offenbach

Also - wir als Hauptact ham uns nach Studium des Veranstaltungsprogramms schon irgendwie gedacht, dass es zeitmäßig eng wird und beschlossen, unseren Krempel gleichzeitig mit der Vorband (die eh unsere Drums benutzten) aufzubauen und Soundcheck zu machen.

Just an diesem Sommertag meinte das Wetter plötzlich, es könne ja mal kurz regnen. (Das war so um die Mittagszeit - um ca. 14 Uhr war wieder strahlend blauer Himmel). Wir und die Vorband waren so gegen 16 Uhr da - da wurde die offene Bühne (kein Dach, keine Seitenteile, nix) noch von einer 27 köpfigen gemischt türkisch-griechisch-kurdisch-zypriotischen Akkordeontanzgruppe bevölkert.

Nachdem diese nach halbstündiger Überziehung des Zeitplans die Bühne verliessen, wollten wir aufbauen. In diesem Moment erschien der freundliche Herr Kulturbeauftragte der Stadt (in weiterem Verlauf "GOTT" genannt) mit einer 30 köpfigen Truppe des THW und meinte, man müsse jetzt wegen der nicht vorhandenen Regengefahr ein Zelt aufbauen. Dieses dauerte dank der absoluten Intelligenzfreiheit aller Beteiligten auch lediglich eine dreiviertel Stunde. Eine weitere dreiviertel Stundes dauerte der sofort anschließende WiederABBAU des Zeltes - da es erstens scheisse aussah und zweitens irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten werden konnten.

Da jetzt alles zeitmäßig über den Haufen geworfen war, sprach GOTT zu uns und meinte, dass jetzt die Vorband alleine aufbaut und Soundcheck macht und wir das halt danach machen müßten. (Als freundliche Musiker nahmen wir das selbstverständlich gelassen auf und nickten nur.) Als Ausgleich gab uns GOTT den Fingerzeig zum einzigen Getränkestand und meinte, da gibts was zu trinken. Leider sahen diesen Fingerzeig auch etwa alle 2500 Zuschauer und so geschah es, dass wir für ein Bierchen lediglich 1 Stunde anstehen mussten. Nachdem die Vorband aufgebaut und Soundcheck gemacht hatte, gings es auch schon los - mit lediglich zweistündiger Verspätung.

Als die Band fertig war begaben wir uns schnurstracks zum Aufbau auf die Bühne - nach ca. 2 Minuten (unser Keyboarder hatte grade seinen Keyboardständer auseinandergeklappt) sprach GOTT: "Seid ihr immer noch nicht fertig? Beeilt euch mal, das sieht ja jetztz schon absolut unprofessionell aus!!!" Dank eines ausgklügelten Systems psychologischer Abwehrtechnik innerhalb der Band blieb diese immer noch freundlich. Als wir dann in absoluter Lichtgeschwindigkeit aufgebaut hatten erschien wieder GOTT und befahl: "Es werde Musik", doch mußten wir ihm leider ganz freundlich mitteilen, daß der TonI der Vorgruppe alle Regler einschließlich der Gains auf 0 gedreht hat, um unserem Mischer ein jungfräuliches Pult zu hinterlassen. (Besonders praktisch, da ja das Drumset inkl. Mikrofonierung das selbe war.)

GOTT wollte davon natürlich nichts wissen und zwang uns anzufangen. Ich glaube, die folgenden 15 Minuten, respektive 4 Lieder, waren das grauenhafteste was ich je erlebt habe - danach haben wir glücklicherweise den Sound (und die Zuschauer) in den Griff bekommen. Anschließen sind wir auch ganz freundlich und zuvorkommend zu GOTT gegangen und haben unseren Hungerlohn abgeholt.

So - und jetzt kommt's: Seit diesem Auftritt hat GOTT (der dummerweise ALLE Bands für irgendwelche Offenbacher Festivitäten aussucht) nichts anderes zu tun, als allen zu erzählen, wie schlecht wir waren, was wir für 'nen Scheiss-Sound hatten, wie unprofessionell das alles war etc. pp. Andere Bands, die uns für irgendwelchen Festivitäten vorgeschlagen haben (Oldiefasching in der OF-Stadthalle, etc.), bekommen von GOTT erzählt, das wir uns erstmal anders verhalten müssten, andere Musik spielen müßten und vor allen Dingen, dass wir unseren Namen ändern müßten, da man an unserem Namen nicht sofort erkennen würde, was für eine Art Musik wir machen.

Nach längerem Überlegen bin ich jetzt FAST zu der Überzeugung gekommen, dass wir unseren Vertrag frühzeitig hätten rausholen sollen, auf die Anfangszeit hätten deuten sollen, das Geld nehmen sollen und ohne eine Mucks zu spielen nach Hausen fahren sollen - aber glücklicherweise stelle ich zufriedene Zuschauer immer noch über jeden bescheuerten Veranstalter.

Gruß

Oly

P.S. Das mit dem "freundlichsein" und "stressfrei" unterschreib ich natürlich.


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