Gig-Review - Rex Gildo und ich


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Beitrag von Matthias vom Oktober 26. 2002 um 01:36:43:

Liebe Gemeinde!

Die Gig-Reviews sind ja hier sehr beliebt, daher kommt heute mal ein hautnaher Bericht.

Ein entfernter Bekannter sprach meine Sängerin an, ob wir nicht bei ihm spielen könnten. Er hat ein "Einrichtungshaus" in unserer kleinen Stadt und veranstaltet einmal im Jahr eine Kundenaktion. Der Veranstalter erzählte uns von den letzten Aktionen, bei denen die Band am Abend noch wirklich im Mittelpunkt stand. Wir wollten nicht und verlangten "Abwehrpreise". Der Veranstalter sagte zu und wir hatten den Salat. Erst danach fiel mir Rex Gildo ein, der sich ja nach seinem letzten Gig in einem Möbelhaus aus dem Klofenster in den Tod gestürzt hat. Hier nun der Bericht über den gestrigen Gig (es ist schließlich nach Mitternacht und ich bitte, etwaige alkoholbedingte Rechtschreibfehler zu entschuldigen).

Wir bauen am Nachmittag auf. Es ist ein Heimspiel, der Laden ist mit dem Auto keine drei Minuten entfernt. Die Kulisse ist skurril, rund um die Fläche, die die "Bühne" sein soll, stehen mehrere Wohnzimmergarnituren. Beim Aufbauen entdecke ich in meinen Kabeln drei (!) kaputte XLR-Stecker und freue mich darüber, dass ich ohne Ende Ersatzkabel mit habe. Der Soundcheck ist große Scheiße. Die Regler auf die übliche Position, unser "Techniker", besser gesagt, der Freund der Sängerin im Zuschauerraum moniert die zu laute Gitarre und ist zufrieden, nachdem ich sie runterdrehe. Im Monitor höre ich die Bass-Saiten meiner Gitarre viel lauter als die drei hohen Saiten, überzeuge mich aber durch ein paar Schritte nach vorn, dass über die P.A.-Boxen der Sound okay ist. Das ungute Gefühl wird mich aber den ganzen Abend nicht loslassen.

Ab nach Hause, nochmal duschen, umziehen. Meine Sängerin kommt, wir singen und blödeln uns ein wenig ein und fahren rüber. Die Kulisse ist in der Zwischenzeit noch schräder geworden, denn in all den Sitzmöbeln sitzen Leute und auf den Tischen stehen "Schnittchen" und Gläser.

Wir starten unser normales Programm, während rund um uns herum die Leute Schrankwände und Sitzecken begutachten. Ich beginne zu verstehen, wie ein Radio im Badezimmer sich fühlen muß, das dudelt, während jemand duscht. Egal, kämpfen! Wenn ich mal Zeit und Lust habe, schreibe ich darüber, was wir für diesen Gig geübt haben und uns wirklich weiter geholfen hat. Beim vierten Song sehe ich jedenfalls Fußspitzen wippen und den einen oder anderen echten Zuhörer, ich grinse meine Sängerin an, sie grinst zurück und egal, was die Möbelkäufer da jetzt denken, wir haben Spaß und fühlen uns verdammt gut. Balladen lassen wir heute mal aus, hat keinen Sinn. Alles in allem erspielen wir uns einen harten Kern von Hörern, denen die Möbel jetzt nicht mehr so wichtig sind.

In der Pause kommt der Veranstalter und entschuldigt sich mehrfach dafür, dass die Leute irgendwie heute merkwürdig drauf sind und versichert, dass das sonst anders war. Passt schon, denke ich. Schnell das etwa vierte Glas Rotwein eingeworfen und ab an die zweite Hälfte. Selbstverständlich gekürzt, ohne Balladen. Statt dessen spielen wir doch noch den einen oder anderen Coversong und schaffen es, dass ein paar Hörer am Ende des Programms eine Zugabe verlangen. Na, da lassen wir uns doch nicht lange bitten!

Ja, Ihr wollt die schmutzigen Details, okay. In der Zugabe sind wir wirklich in den Urschlamm gekrochen und haben eine verjazzte Version von (oh Gott!) Go down, Moses gespielt, bei der ich im Chorus zweimal das klassische Smoke on the water-Riff unterbringen konnte.

Nach dem Gig kommen die zwei obligatorischen Dummschwätzer (vulgo: Muckerpolizei) auf mich zu, um mit mir die Vor- und Nachteile meiner Effektgeräte zu diskutieren. Nachdem ich das abgearbeitet habe (einer hat ne CD gekauft und verdient daher meine Aufmerksamkeit für fünf Minuten), ziehe ich mit meiner Sängerin und ihren zwei hübschen Freundinnen noch kurz auf eine Absacker in eine Kneipe und genieße die blöden Blicke der reinen "Herren-Tische". Ey Leute, ich bin Gitarrist und da hat man eben mal drei Frauen im Schlepptau! ;-)

Für ein abschließendes Fazit ist der Gig noch zu jung. Aber reichlich schräg war es schon!

Schönnabendnoch

Matthias


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