Re: dampf ablassen


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Beitrag von falke vom Juli 06. 2002 um 11:08:41:

Als Antwort zu: dampf ablassen geschrieben von emil am Juli 05. 2002 um 19:03:46:


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Wenn Du Visionen hast ... kommst Du in der Wirtschaft
: ins Management und in der Gesellschaft ins Irrenhaus".

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Ach Emil,

diese „grüner Zweig“ Diskussionen hab ich alle sechs Monate mit meinem Banker, wenn er von aktuellen Finanzentwicklungen schwafelt. Das fängt bei moralinsauren Statements an und endet letztlich bei schulterklopfendem jovialen Getue à la „Du machst das schon.“ Häufig habe ich den Eindruck, dass in vielen Bereichen des Lebens die Leute einfach ein großes Problem damit haben, kreative Prozesse als solche zu erkennen und wert zu schätzen. Dann spielen die Standards wieder die dominante Rolle. „Wie aber wird die Miete bezahlt, was kommt im Alter, was tun, wenn die Ampel gelb zeigt? Gehen oder stehen?“
Es gibt, ich bekomme es hier täglich mit, enorme und beinah unüberbrückbare Generationskonflikte. Es funktioniert kein Networking mehr, wie ich es aus den 80er kannte, in denen wir kollektiv gewaltige Dinge auf die Füße gestellt haben. Bands gegründet, Kinder gezeugt, Häuser besetzt und zwischendurch gelebt. War cool, brachte aber bis auf die persönlichen Erfahrungen, auf die Irrungen und Wirrungen nicht viel.
Und doch würde ich nix anders machen.
Es sind die Visionen, die letztlich unser Gemeinwesen am Leben halten, es sind Menschen, nicht Modelle, die die Dinge ins Rollen bringen, das Leben am leben halten.
Häufig sind die Diskussionen über Sinn und Nutzen dessen was man tut. Das sind aber immer Diskussionen über Modelle, nie über die Menschen. Was auch immer getan wird, es stellt sich, oder wird gestellt, die Frage nach dem effektiven Nutzen. Wer will das wissen? Was muss nutzen und wozu?
Als der Kollege Neandertaler weiland an einem großen Steinquader rumhämmerte, tat er das vielleicht mehr aus Frust, weil er bei der Jagd nach irgendwelchen Viechern immer den Kürzeren zog. Der Frust muss tief gesessen haben, weil er lang an dem Stein rumlaboriert hat. Dann letztlich waren alle Ecken abgeschlagen und er hätte das Rad erfunden, wenn der das Prinzip der Achse erkannt hätte.
Sein Banker hätte dann frohlockt und lobgehudelt – ihm indes war der kreative Prozess, das aktive Tun wohl wichtiger. Vielleicht hat er an jenem Stein auch nur sein Werkzeug geschärft und das Geniale war für ihn nicht erkennbar.
Will sagen, wir brauchen genau diese Typen, die nicht älter werden, die zwar durch Stress und mangelnde Pflege sich selbst gegenüber, Scheiße aussehen, die aber immer noch lachen können und ihre Visionen in das Lebenszentrum stellen.
Und ich glaube, Emil, dass Du genau so einer bist. Einer der mehr Lach- als Sorgenfalten im Gesicht hat. Einer dem Musik lebenswichtig ist, einer, der sich selbst in den Schlaf spielen kann.
Die „grüner Zweig“ Diskussionen sind notwendig, Alter; zeigen sie doch in irgendeiner Form Interesse an deiner Arbeit – Sorge, vielleicht, und wenn auch etwas zaghaft, Staunen, dass es ‚sowas’ noch gibt.
Aber stell dir vor, Du wirst begrüßt, wie manch anderer mit den Worten: „Na, Emil, alles klar, kommt die Kohle noch pünktlich?“
Ich freu mich auf Darmstadt – und lange, effektive Diskussionen über völlig unnütze Dinge und Verfahren.

Das mit dem Holy Hound Rounders – Getöse, das lass uns mal machen.

Allerbeste Grüsse

der falke

„Gib mir das Fieber zurück...“
Wolf Maahn,

den ich sonst eigentlich gar nicht so amtlich finde


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