Re: (Philosophie) Lehrer...


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Beitrag von falke vom Mai 24. 2002 um 10:55:14:

Als Antwort zu: Re: (Philosophie) Lehrer ... geschrieben von Satyr am Mai 24. 2002 um 00:10:37:

: Hier möchte ich mich mal kurz einschalten...
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: Generell hast du sicher nicht unrecht, doch in kleinem Maße sind Lehrer durchaus fähig, zu SCHAUEN was um sie herum geschieht. An unserer Schule haben wir einen vertrauenslehrer, der einfach mit offenen Ohren durch die Schule läuft. Diese Lehrkraft hat durch die gute Menschenkenntniss, die ich für einen pädagogen eigentlich voraussetze bemerkt, dass ein Mädchen aus meiner Stufe in argen Schwierigkeiten steckte, und sogar schon einen schwachen, nicht erfolgreichen Selbstmordversuch hinter sich hatte. Ich hab das nicht bemerkt. Es hat jedoch sicher nicht viel Aufwand, Zeit, Ausbildung vielleicht irgendwo schon ;), sondern hauptsächlich die echte sorge - und genau diese fehlt vielen Lehrkräften. Vielleicht ja sogar aus resignation, welche wiederrum aus mangelhafter Vorbereitung auf den harten Schulalltag basiert - kann ja sein. Hier Ursachenforschung zu betreiben lege ich jedoch lieber in die Hände anderer, die sich besser darauf verstehen - Soviel aus dem Mund eines Schülers.
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: Marvin

Moin zusammen, moin marvin,
das ist der punkt. Die wahrnehmung. Das Sehen Lernen - Das Gesehene begreifen und entsprechend reagieren. Kennt man ja aus diversen TV-Tests (Motorradfahrer liegt auf der Strasse - was tun?) Du siehst, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist, obwohl Du als Schüler viel dichter dran bist - an dem besagten Mädel. Trotzdem hast du eine andere Wahrnehmung.

wasichnochsagenwollte: ich find's sehr schön, dass sich auch in diesem Forum Menschen wirklich um Menschen kümmern, und lese aus den Postings, naja, fast eine Sehnsucht danach, das Zeitenrad einen Zahn zurückzudrehen.

ich will eigentlich garnicht den Filosofen machen, kann mich da aber nur schlecht zurückhalten und mache hier noch ein paar Anmerkungen zu Leerern und Leerkörpern. Wenn man denn schon diese in der Tat despektierliche Bezeichnung wählt, kann man doch davon ausgehen, das Hopfen und Malz noch nicht verloren sind; alldieweil Leerkörper geradezu prädestiniert dazu sind, gefüllt zu werden. Womit gefüllt wird, entscheidet nicht das Los, sondern die lebensnotwendige Haltung seinem Job gegenüber.
Ich weiß wovon ich rede, wenn ich von Lehrern sprechen, hab ich doch auch, wenn auch "nur als Künstler" einen Teil meiner Zeit diesseits des Katheders verbracht. Auch an Schulen in sozialen Brennpunkten ist es möglich mit den Schülern zu kommunizieren. Man muss lernen, dieselbe Sprache zu sprechen, ohne dass sich eine der beiden Gruppen auf ein Kunst-Idiom einstellt. Das dauert, aber ist in aller Regel von Erfolg gekrönt. Es müssen Autoritäten und Grenzen gesetzt werden. Beiderseits. In der Schule und Daheim. Die Grenzen sind nicht fließend, sind vielleicht variabel, müssen stets neu geprüft und diskutiert werden - beiderseits. Das ist gar nicht schwer, wenn man die Bereitschaft mitbringt.

Ohne Frage ist die Zeit heute erheblich komplizierter und weniger kommunikativ, als es vor 10 Jahren war. Ohne Frage sind die Probleme diffiziler geworden, die Antworten dünner und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung geringer.
Woran liegt's? An der Konsumentenhaltung, an der Schnelllebigkeit, an dem Verlust der Lust, etwas zu tun? An High-Speed, DSL und kW-Tunings?
Wir wissen mit Termini umzugehen, ohne den Sinn zu begreifen, wir können von Hamburg nach Tokio fliegen, ohne Geschwindigkeit zu begreifen, wir können alles haben, ohne irgendetwas dafür zu tun, alles ist verfügbar in ausreichendem Maße, alles ist schön, nichts tut mehr weh. Leasen und Leihen, Haben und Halten. Das sind die Werte, die offenbar jung und alt als Lebensentwurf ansehen. Klappt nicht und deshalb fangen da die Probleme an.
Computerspiele sind, genau wie der Rollercoaster-Hype, ein Ergebnis dieses Geschwindigkeitsrausches. Ausloten, was machbar ist weil es machbar ist. Lehrer und Familien müssen und können dagegen steuern, wenn sie denn die Bereitschaft haben - und dagegen steuern wollen. Viel einfacher ist es natürlich, die Dinge so zu lassen, das macht weniger Mühe und crashed erst dann, wenn es zu spät ist. (siehe Erfurt, siehe Littleton, ...)
Natürlich spielt Zeit eine Rolle - es gibt eine Kampagne "Mehr Zeit Für Kinder". Soviel mehr Zeit braucht's gar nicht. Es reichen oft die 10 bis 20 Minuten, die Eltern abends für ihre Kids haben sollten, die 10 Minuten, die Lehrer nach der Schule für ihre Schüler haben sollten.

Traditionen entwickeln. Mittwochs kann ich meinen Lehrer antriggern, abends wird in der Familie zusammen gegessen. Niemand geht weinend ins Bett, zuhören, was an dem Tag gelaufen ist, ... viel Zeit und viel intellektuelle Fähigkeiten sind da nicht gefragt. Als normaler, vernunftbegabter Mitteleuropäer sollte man das auf die Reihe kriegen. Wir machen in unserer Familie schon mal Schweigeübungen; mit Teenies ist das ein echtes Kunststück, und hören auf den Blutkreislauf. 60 Sekunden, wenn's gut läuft auch schon mal 120 Sekunden. Damit das nicht allzu ZEN-esoterisch klingt, haben wir den Slogan von Dieter Nuhr genommen: "Wenn man nix zu sagen hat, einfach mal die Fresse halten".
Das funktioniert ganz gut.
Nochwas Letztes: Allzuviel Offenheit schadet auch. Denn: wer zu allen Seiten offen ist, kann eigentlich nicht ganz dicht sein.

In diesem Sinne.
Pack ich jetzt meine Kabel und Gitarren ein und werden dem geneigten Publikum ein Ständchen bringen.

The Radios are in town.

Schönes Wochenende

wünscht der
falke



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