Re: BAP??? Affjetaut!!!


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Beitrag von The stooge vom Juni 22. 2001 um 14:39:38:

Als Antwort zu: Eine Band! Eine Band? geschrieben von Matthias am Juni 21. 2001 um 21:12:35:

Halli,

Als ehemaliger BAP-Aficionado der ersten Stunde kann ich mich heute eigentlich nur noch mit Grausen abwenden - bzw. den Sender wechseln, wenn W. Niedecken und seine Mannen irgendwo im Radio gespielt werden, da ich die Karriere von der Kölner Besetzer-Band bis zum aufgeblasen-nichtsagenden P.C. Kumpelrocker mit wachsendem Verdruss verfolgt habe.
Es fing ja ganz sympathisch an mit den 5 Jungs aus der Südstadt, die jammten, einen dazu durchzogen und lockere Texte machten. Eine Schritt in die kommerziellere Richtung bedeutete schon der Austausch von Hans Heres gegen Klaus Häuser, aber immerhinn hatten seine Riffs einen hohen Wiedererkennungswert. Langsam spielten sie sich rauf von der Stollwerk Hausband zu rheinischen Lokal Heroes, kein AstA-Fest, keine größere Demo mehr ohne; "Wahnsinn", "Müsli-Man", Ruut-wieß-blau, querjestriefte Frau" etc. wurden lippensynchron mitgesungen, und der Wirt vom Chlodwig-Eck konnte schon bald den Spruch "Clemens, donn uns zwei Schabau" nicht mehr hören. Bei politischen Großereignissen in Bonn dröhnten sie neben den Scherben aus den Fenstern und "Kritallnaach" brachte jede Studi-Fête in Schwung.
Na ja, so liebte man sie halt, aber mit jeder LP wurden sie flacher, verloren ihren Humor und meinten mehr und mehr etwas "aussagen" zu müssen - der Anfang vom Ende. Bei "Ahl Männer - Aaljlatt" war mein Vorrat an gutem Willen aufgebraucht und sie wurden von der Buy- und Playlist gestrichen. Dann las ich noch vor einigen Jahren die vergnügliche Kritik über "Leopaadefell", um endgültig zu realisieren, dass ich mit meinem Urteil nicht verkehrt lag. Ich will sie Euch nicht vorenthalten:

Armer Herr Tambureng-Mann

Nichts sträubt sich so entschlossen gegen die Übersetzung in andere Sprachen wie ein Werk der Lyrik. Am besten, man läßt die Finger davon. Wolfgang Niedecken hat das nicht getan, und die erste Frage, die einem beim Anhören seiner geballten Bob-Dylan-Verballhornungen namens "Leopardefell" in den Sinn kommt, ist: Darf der Mann das? Er darf, angeblich sogar mit dem Segen des Meisters höchstselbst. Aber: Bob Dylan kann kein Kölsch.
Wenn sich nämlich Lyrik gegen etwas noch entschlossener sträubt als gegen eine Übersetzung, dann gegen die Übersetzung in einen Dialekt, was keineswegs gegen Dialektdichtung an sich spricht. Wohl aber gegen die Verwandlung von Hochsprache in Mundart. Klaus Kinski wäre längst vergessen, wenn er Villons "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" auf pfälzisch herausgebrüllt hätte, und ein Macbeth, der seiner Gattin in breitem Schwäbisch vom Mord an König Duncan berichtet, bräuchte wohl nicht erst auf den Wald von Birnam zu warten, bevor ihn jemand ins Jenseits befördert.
Kölsch hin, Kölsch her, auch ohne Dialekt ist es verwunderlich, daß Dylan - besser gesagt, sein Verlag - die Texte Niedeckens genehmigt hat. Da wird "A Hard Rain's A Gonna Fall" zu "Unfassbar vill Rään" umgewurschtelt, "It's All Over Now, Baby Blue" zu "Jeder 's manchmohl einsam, nit nur Du" geknittelt und der "Highway 61" mutiert - ich schwöre, es ist wahr - zum "Nürburgring". Der schmachtende Refrain "I want you - so bad" gerät zum fröhlich-burschikosen "Ich will Dich, na klar", und die Zeile "Resting in the fields, far from the turbulent space" ("Jokerman") kommt geradezu tolldreist als "Nackt auf der Wiese liegend, mit Weltall zugedeckt" ("Dä Joker danz") dahergeschwachsinnelt.
Die Musik plätschert gefällig- routiniert dahin - hier ein bißchen Afrika, da eine Prise Jamaika, wie sich das heute gehört - und spätestens nach zwei Stücken überfällt einen der unwiderstehliche Drang, das Original aufzulegen, was einem Perlen der Dichtkunst wie "Als ob se'n Frau wöhr" und "Dat benn ich nit" (Originaltitel der Redaktion bekannt) erspart.
Unterdessen warten wir schon mit bangem Grausen auf den spätestens zu Dylans 60. Geburtstag unweigerlich folgenden Sampler der deutschen Musikerschar, der uns dann bei einem Open-air-Festival auf der Wartburg präsentiert wird. Manfred Krug dräut "Ick puste dir um" (Blowin In The Wind), Helge Schneider rät "Hömma, kannste vergessen" (Don't Think Twice"), Die Prinzen besingen die "Draurische Kerrsche aus Bitterfeld" ("Sad-Eyed Lady Of The Lowlands"), und Gerhard Polt krönt das Programm mit "Willst a Watsch'n, Petrus" (Knockin' On Heaven's Door"). Armer Herr Tambureng-Mann!

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TAZ Nr. 4557 Seite 20 vom 28.02.1995
Matti Lieske


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