(Kloppmanns für den Milchmann) Eine kleine Pickup-Geschichte


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Beitrag von andi-o vom Januar 13. 2010 um 09:22:56:

Liebe GAS-Gemeinde,


Rainer ist an allem schuld!


Aber halt, besser ist, ich fang' von vorne an: Eigentlich wollte ich mir ja zu Weihnachten endlich mal einen Satz ordentlicher Nahfeldmonitore nebst ordentlichem Kopfhörer unter den Weihnachtsbaum legen, für's amtliche Kellerrecording & Abmischen. Dann aber beschloss eine amerikanische Gitarrenteileschreinerei es den Praktiker-Kerlen gleich zu tun: Warmoth feierte 30 jähriges Jubiläum, und es gab 20% auf alles (ausser Tiernahrung)! Und dazu noch der niedrige Dollarkurs!


Und wie's halt so kommt im menschlichen Leben: Django braucht keine Nahfeldmonitore! (Hat Chuck Norris Nahfeldmonitore? Eben!) Django braucht ne neue Strat. (20% auf alles!). Just an dieser Stelle kam Rainer G. aus dem hohen N. ins Spiel: Warum bauste dir nicht mal ne Männergitarre, so mit 3 Singelkeulen - Hamburger-Mädchenstrats haste doch schon reichlich?! Tja, an sich war die Frage berechtigt. Aaaaber, wie oft hatte ich nicht schon ne 3 SC Strat, und kaum war sie (ne Weile) da, nervte mich der stets schrängelig-nagelige Steg Singlecoil. Egal ob es Diegos, Rockingers, diverse Seymour-Duncans, vintage oder gestackt, DiMarzios dito oder die noiselessen von Fender oder Kinmans waren - näääh, das Ding am Steg musste früher oder später einem Humbucker weichen, weil sonst Kreissäge. Und weil Humbucker in SC Größe nicht nach Humbucker klingen, Fräse raus und ran an den Body. Und später dann gleich von vorne herein einen HB in echt rein. Dabei machten die Hals-(und Mitten-) Pickups jeweils ihren Job schon meistens so, wie ich mir das vorstellte....


Dann wieder Rainer: Du hattest wohl noch nie Kloppmanns!? Nö, hatte ich nicht. Nur davon gehört bzw. gelesen. Sehr teuer. Buhtikke, Metallurgie-vintage-Voodoo und so. Rainer hat die in seinen ollen 63er und 70er-irgendwas Strats. Und klingt sehr amtlich damit. Also auch am Stege. Dann sah/hörte ich mir dummerweise das Stratking-Ding von Thomas Blug an. Youtube machts möglich. Der schaltet da im Song ständig lustig zwischen Hals und Steg PU hin und her, und - oh Wunder, da nervt nix. Geiler Sound am Hals, und, schwupps, auf'n Steg - immer noch geil, aber mit mehr Höhen, knusprig irgendwie, aber ohne Blackmoresches grelles Gedengel. Tja, sage ich da frech zu Rainer, wenn der Kloppmann was hat, womit ich dem Blugi seinen Sound annähernd hinbekomme (wir erinnern uns, geil für'n Hals UND für'n Steg), dann kommt in die näxte Strat ein Kloppmann Set. Boutique-Aufschlag hin oder her. (Latürnich wusste ich, dass Andreas Kloppmann ein Blug Signature Pickup-Set im Angebot hat, ausserdem kannte ich auch die von Rainer eingespielten, sehr vielversprechenden Soundsamples auf der Kloppmann-Homepage, aber ich wollte es Rainer natürlich nicht so einfach machen ;-)


Und Rainer, typisch Südschwede mit dicker Hose: "Wenn dir der Andreas nen Satz Pickups macht, wirst du glücklich sein." Oder sowas in der Art. Na gut, dann soll das wohl so sein. Die Dinge nahmen ihren lauf. Und weil ich ja schon klasse fand, was Herr Blug da so mit seinem 61er Ast anstellt, beschloss ich, bei der Holzauswahl für Djangos, äh, meine neue Strat keine Experimente zu machen: Leichter Erle Body in perlweiss, Ahornhals, unlackiert, mit Rosewoodgriffbrett. Zugeständnisse an die Moderne waren dafür Edelstahlbünde, Klemmmechaniken und das Wilkinson VSVG Stahlblock Tremolo. Mit Graphit-Sattel, dafür ohne Stringtree, damit's ordentlich flutscht beim Tremolieren. (Jochen und Rainer frotzelten heftig ob des perlweissen Bodys, tse, soll'n se doch - dafür hatte die neue schon vor ihrer Geburt ihren Spitznamen weg: Milchmann!...das ist doch kein Name für ne Katze, da simmer dochma ehrlich, das is doch die Situation hier!...)


Obschon Vorweihnachtszeit (und 20% auf alles) war die Wartezeit für's Holz aus den Staaten angenehm kurz, nach gut 2 Wochen hatte ich die Teile für den Strat Rohbau auf dem Tisch, und alles passte, wie von W. gewohnt, wunderbar exakt zusammen. Zeit, Herrn Kloppmann anzurufen. Potiwerte, Dummy-Coil ja oder nein, etc. pp., mir schwirrte der Kopf. Nun begab es sich aber, dass Meister K. mir nicht einfach einen Satz PUs nebst Potis & Rechnung in den Karton packen wollte - nö: Ich solle ihm die Klampfe idealerweise doch zuschicken, dann könne er besser beurteilen, wie das Ding trocken klingt, um die Pickups dementsprechend zu wickeln, und Potis und vintage korrekte Kabelage höchstselbst in eigener Person reinzubraten. Ja, gut, warum eigentlich nicht?! Wenn schon Custom, dann richtig, macht den Bock schliesslich auch nicht mehr fett. Also rein in den Karton, und ab nach Bremen mit dem Milchmann!


Als der Milchmann dann schliesslich im Norden gelandet war, und vom Meister peinlich genau in augen- und ohrenschein genommen wurde, war wieder telefonieren angesagt: "Die Klampfe hat im Verhältnis zum Grundtongehalt sehr, sehr viele Obertöne. Da wäre es besser, ich würde dir etwas heissere PUs wickeln, so 62er, wie ich dem Markus Deml welche gewickelt habe, der hat auch ne Warmoth Strat gebaut, die PUs von Markus biete ich demnächst auch als Singature Set an....für den Mittenpickup nehmen wir dann, wie beim Blug Set, einen 67er...." Ok, Hand auf's Herz, ich kann Milchschokolade von Zartbitter unterscheiden, aber nen 61er von nem 62er Singlecoil? "Andreas, du bist der Experte, mach der Geige die Pickups von denen du meinst, dass sie da reingehören - nur geil muss es sein!" ;-) Mit dieser detailgenauen Wunschvorstellung meinerseits machte sich Andreas an die Arbeit, unter Obhut & Pflege von Rainer, der dafür sorgte, dass der Meister nicht zu sehr abgelenkt wurde, wie etwa vom ehemaligen Trio Gitarristen dessen profane, aufkleberverschandelte original 59er Strat nach ner Pickup-Restauration schrie... ja mei, soll warten, Trio ist schliesslich schon eine ganze Weile Geschichte...


McDonalds sei Dank - irgendwann waren die Herren dann fertig, und Rainer rief mich an, ich war schon ganz zappelig: "Joa, du wirst dich freuen, Andreas is fertig, er hat noch ne Baseplate an den Steg gepackt, die Entscheidung mit den leicht heisseren Pickups war die richtige, jetzt klingt das Ding nach SRV, du wirst deine Freude damit haben, morgen machen wir noch die Feinabstimmung von wegen Lautstärke der einzelnen Saiten zueinander...." Mein lieber Herr Gesangsverein, der reinste Krimi, und ich sass 1000 km weiter südlich und scheuerte mit meinem nervösen Arsch mein Sofa durch! Livereportage aus'm Pickup-Stadion, Sowas hatte ich bisher noch nicht erlebt. Und Chefreporter Rainer G. machte mir dermassen den Mund wässrig! Freitag, nach der Feinabstimmung (wurde unlängst in G&B beschrieben, was da so vor sich geht) ging die Kiste dann wieder auf die Rückreise, aber weil den Jungs von UPS der Sonntag heilig ist, kam das Paket erst Dienstag bei mir an.


Rainer hat ausserdem noch ein paar Fotos gemacht von der ganzen Aktion, die will ich euch natürlich nicht vorenthalten:

Photobucket Im Vergleich von links nach rechts: Neu und Geil vs. Alt und Klapprig   ok ok, Kalle K.'s 59er scheint nicht sooo ungeil gewesen zu sein ;-)

Photobucket Richie Samboras Gitarrenscout bei der Arbeit: "Richie, ei häv sere ä kuhl giddar for juh, jess, its a fiftiie neiin strät......"

Photobucket "Richie, hömma, vergiss wat dir der Rainer erzählt hat, ich hab' hier was viel geileres....ja, is noch im Rohbau...aber echt Hammer...."

Photobucket Sauron beim Schmieden des einen Ringes

Photobucket Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Photobucket Der Blick des Meisters sagt mehr als tausen Worte. Er hatte augen- und ohrenscheinlich den richtigen Riecher!

Photobucket Enthusiasmiertes Volk beim Milchmann-Test

Photobucket Fertich!

Ok, nun aber zur Frage aller Fragen: Wie klingt denn der Ast? Ganz objektiv kann ich über die Kloppmann Pickups sagen, dass sie weniger Output haben, als die Bareknuckle Irish Tours, die ich in meinen beiden Relic Strats verbaut habe. Dafür haben die Kloppmanns einen wesentlich größeren Dynamikbereich. Soll heissen, man kann sehr viel mehr mit dem Anschlag färben und den Ton formen.

Subjektiv heisst das, die Dinger hängen unglaublich gut "am Gas" - flüstern und raunen bei leichtem Anschlag, singen bei mehr Druck und schreien wenn man's wissen will. Komprimieren bei hartem Anschlag kommt relativ spät ins Spiel. Dabei sind sehr, sehr viele lebendige Obertöne im Geschehen, beim Halspickups klingt es sehr seidig, schmatzend und breitbandig, mit mehr Gain wird's heulend-hohlwangig. Am Steg sind natürlich ordentlich Höhen im Einsatz - aber immer so, dass es mehr "zischt", faucht und "knuspert" als dass es nagelt. Ich weiss, das hört sich sehr blumig an, aber Sound zu beschreiben ist nicht einfach. (Ok, wäre ich Franzel H. könnte ich von harmonisch verschränkten Obertönen berichten, aber ich hab's nun mal eher mit Lautmalerei ;-) Für die Zwischenpositionen ist "authentisch" (obwohl abgelutscht,) der passendste Begriff. Und zum ersten mal kann/konnte ich mit nem Strat Steg SC clean spielen. Bisher ging das noch mit keinem SC Pickup, egal welcher Marke, so dass ich mit dem Sound hätte irgendetwas anfangen können bzw. dass der Klang mir nicht sofort auf die Nerven ging. Das ist ne ganz andere Geschichte (oder Liga) jetzt, mit den Kloppmännern. Ich hatte ja bisher auch nichts, was klanglich irgendwie in die Vintage-Ecke ging. Richtig geil, das macht sehr viel Laune, hätte ich so nicht gedacht. Die Gitarre macht mit den Kloppmanns genau das, was ich mir von Andreas' Arbeit gewünscht habe. Knusprige Stratsounds, die, egal mit welcher Gaineinstellung, immer nach Strat klingen. Thomas Blugs Sound war das Vorbild, und - für mich - erfüllt das die Gitarre zu 100%. (Natürlich habe ich nicht Thomas' Finger, auch nicht seine olle 61er, aber darum gings ja auch nicht!)

Mein persönliches Fazit: Ja, die Kloppmans haben ihren Preis. Aber sie sind jeden Cent davon wert - und zwar sowas von!

Your mileage may vary - wie immer alles eine Frage des persönlichen Geschmacks, woll?!

Damit das nicht alles trockene Theorie bleibt, habe ich gestern gleich ein Backing von Rainer als Teststrecke missbraucht, also ohne viel Arranschemeng, einfach losgespielt - wer mag, kann sich das Ergebnis anhören: enter milkman


So, das war's erstmal von der GAS-Front, schönen Tag noch!
Grüße,


Andreas




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