Re: (Technik) Tempo, Tempo, Tempo


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Beitrag von burke vom Oktober 09. 2006 um 12:59:40:

Als Antwort zu: (Technik) Tempo, Tempo, Tempo geschrieben von Woody am Oktober 08. 2006 um 23:20:36:

Moin Woody,

Da habe ich gute Ideen, und meine Fingerlein sind einfach zu träge, sie umzusetzen.
: Was sind da gute Übeansätze?


Ich glaube, die Voraussetzungen für ein flüssiges, schnelles Spiel läßt sich in zwei Hauptkapitel einteilen: Motorik und Geläufigkeit der Flossen vs Informationsverarbeitung im Kopf. Beides ist natürlich miteinander eng verknüpft und voneinander abhängig. Schlagworte wären Bahnung, motorisches Gedächtnis und der "Rückkanal", sozusagen die Selbstkontrolle im "Stellwerk".

Bei der Verknüpfung zwischen Vorstellung einer Bewegung und ihrer Ausführung hilft nix anderes, als es immer wieder zu tun. Und zwar so, daß man Störfaktoren eliminiert. Kleine Unsauberkeiten, die bei gemäßigtem Tempo gar nicht auffallen, schleudern Dich bei schneller Fahrt von der Piste. Wenn ich eine schnelle Passage wirklich mal übe, gehe ich so vor, daß ich mich langsamst rantaste. Ich kann die Freeware BestPractice (danke Andi!) heiß empfehlen, um sich in kleinen Schritten zB an schwierige Passagen heranzutasten. Du kannst damit Stücke von CD oder als mp3 in ihrer Geschwindigkeit (und auf Wunsch in der Tonhöhe) verändern.

Erst durch seeehr langsames Auseinanderplücken und Einteilen in schaffbare, übersichtliche Häppchen rafft das Hirn erst richtig, was da eigentlich passiert oder besser passieren soll. Ich finde, man neigt bei unschaffbar schweren oder schnellen Passagen entweder dazu, die Aufmerksamkeit zu verlieren... der Geist "driftet von dannen", in der Hoffnung, man werde sich irgendwie durchhangeln und einigermaßen passabel landen. Oder der Informationsblock ist zu groß, man erfaßt das Ganze nicht und bleibt dann immer wieder an einer Stelle hängen, weil man sich nur den "Anfangsbrocken" merken kann (bei ganz hartnäckigen Passagen kann es hilfreich sein, die Takte von hinten nach vorne zu lernen). Mit "merken" meine ich nicht das Auswendiglernen, wann welche Saite in welchem Bund gedrückt werden soll, um eine Notenfolge zu spielen. Sondern eher, wie sich eine Bewegungsfolge von Anfang bis Ende "anfühlt".

Dabei würde ich mich immer selbst überprüfen, daß man sich die bestmögliche "Umgebung" schafft, die eine Bewegung vereinfacht. Sprich: hängen die Schultern locker runter? Ellenbogen im richtigen Winkel? Ist man gelöst oder verkrampft? Ein Spiegel kann sehr (!) hilfreich sein, ansonsten natürlich ein beobachtender Lehrer (aber gehen wir mal weiter vom Autodidakten aus). Ganz wichtig: Atmung! Atmet man wirklich langsam, tief, entspannt, "streßfrei", auch wenns fix wird? Ich ertappe mich selber ab und an dabei, wie ich die Luft presse oder gar anhalte, irgendwann ziehen sich dann die Muskeln um Schultern und Rücken zusammen... und dann ist es eh Essig.

Nächster Schritt: Rationalisieren der Bewegungen. Wie weit sind die Finger der linken Hand wirklich vom Griffbrett entfernt, wenn sie gerade nichts zu tun haben bzw. wenn sie keinen Saitenkontakt haben? Wenn man schneller wird, neigen manche Leute (ich zähle mich tendenziell dazu) zum "Flitschen": man holt mehr Schwung, indem man die Fingerkuppen im großen Bogen aus dem Fingergrundgelenk bewegt; man hat mehr Strecke zum Beschleunigen und dadurch erst mal mehr Schnellkraft. Aber: die ganze Bewegung (ver)braucht mehr Weg und damit Zeit bei gleicher Geschwindigkeit. Ab einem Punkt wirds unsauber. Wenn man dann kompensiert (Finger schneller bewegen), gerät die Bewegung außer Kontrolle und man trifft zB die Saite nicht an der idealen Stelle: es fängt an, schlampig zu werden.

Insofern ist die "Spinne" eine gute Übung, um die Wege klein zu halten und (jetzt kommt die "Feedback"-Instanz ins Spiel) sich zu kontrollieren, ob man das auch wirklich einhält. Wenn man immer wieder schlampig spielt wenns schneller wird, wirds zur Gewohnheit, und dann muß man aktiv dagegen angehen, auch wenn es sich seltsam und fremd anfühlt (wie anfangs alles Ungewohnte, Neue). Natürlich haben Übungen, die sich nur auf sowas konzentrieren, keinen musikalischen Nährwert... aber dazu hat Andi ja schon was geschrieben.

Man wird aber natürlich nicht unendlich gut, auch wenn man immer wieder "nach vorne orientiert" übt, Stichwort Leistungsplateaus. Es tun sich neue Widerstände auf (je schneller man wird, desto früher), die man irgendwann nur noch überwinden kann, wenn man der Motivation neuen Brennstoff liefert. Mir hats da sehr geholfen, mit "besseren" Leuten zusammen zu spielen, oder Aufnahmen für Projekte von anderen Leuten zu erstellen. Überhaupt, sich selber aufnehmen (klingt auch erst mal fremd, wie die eigene Sprech- oder Singstimme) ist immer eine prima Idee, man sollte sich ein bißchen Zeit dafür nehmen, um eigene Schwächen und neue Lernziele ausfindig zu machen.

Zum Thema sweeping: ganz manchmal gelingt mir ein schöner Arpeggio-Sweep, aber ich wäre sehr dafür, daß mal ein Workshop bei einer Session stattfinden sollte. Herr andi-o, Ihr Einsatz ? :-)

Ansonsten könnte man unseren Deal wieder aufleben lassen: tausche ein bißchen Speed-Training gegen 1-2 einfache Jazz-Standards. Mir helfen Chord-Schemes und Leadsheets nicht so sehr weiter, besser ist es für mich immer, wenn mir jemand etwas vorspielt, woran ich mich orientieren kann. Wie wärs?

Ich sag mal bis dann
burke

Das war jetzt eher abstrakt und grundsätzlich; konkrete Übungen hätte ich auf Papier und man findet viel im Netz


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