Re: (Technik) Nitrolack


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Beitrag von burke vom Januar 03. 2006 um 19:20:39:

Als Antwort zu: Re: (Technik) Nitrolack geschrieben von Waufel am Januar 03. 2006 um 16:57:08:

Hallo Waufel,

bei akustischen Instrumenten ist das bekannt, gerade im klassischen Bereich gehören die Lacke zum strengen Betriebsgeheimnis. Hier kommt der Ton ausschließlich aus einem hohlen Resonanzkörper, hier kann wirklich jedes Konstruktionsdetail relevant ins Klangbild eingreifen.

Im elektrischen Bereich (achtung, nur die Solidbodyensis Vulgaris ist im folgenden gemeint!) sind die Nuancen so unbedeutend gegenüber der Elektrotechnik, daß eine "Nitro"-Lackierung (ist das nicht eh Nitrocellulose (NC)? Reiner Nitrolack?? Darf man die Schweinerei hier eigentlich noch verarbeiten?) in meinen Augen so relevant ist, wie die Frage, obs besser klingt, wenn man erst den linken, dann den rechten Schuh anzieht. Die Plastiktauchbad-Überzugmethode, die tatsächlich zu toten Paddeln führte, ist ja hoffentlich Geschichte, jedenfalls bei den halbwegs probaten Herstellern. Tonabnehmer geben NUR das weiter, was in deren Magnetfeld zappelt. Natürlich gibt es Faktoren und Variablen, die die Saitenschwingung an sich modifizieren (fangen wir bei den Saitenarten an und hören wir beim Gewicht bzw. der Masse der Mechaniken auf). Aber vieles ist mit ein paar Pfennig so "simulierbar", daß dem Zuhörer niemals ein Unterschied auffallen würde. Er hört vielleicht einen Unterschied, wenn der Gitarrist inspirierter spielt, weil seine sackteuren mundgeblasenen Kondensatoren aus Elfenschamhaaren-in-Oil ihn glücklich machen. Dann hat es seinen Zweck erfüllt und gut ist. Objektiv passiert da was mit dem Klang, aber die Ursache sehe ich persönlich hinter der Gitarre und auf dem Griffbrett. Doof finde ich nur, wenn man dem Zahlvolk weismachen möchte, die 1320 EUR pro Kondensator (ich hätte übrigens noch ein paar etwas günstiger abzugeben) seien tatsächlich ihren Kaufpreis wert, weil nur diese so klingen, wie es klingen muß.

Macht Euch nicht bekloppt in 2006 ;-). Ich glaube, mittlerweilen hab ich für mich so viel mitgenommen, daß mein Kopf, meine Finger und mein Bauch mir wichtiger sind, als Lacke, Spulendrähte, pi pa po. Wenn sich allerdings jemand für die "Randbereiche" interessiert, kann ich damit sehr gut leben. Was ich nicht so toll finde, sind physikalisch entkräftbare Behauptungen (in der Geschmacksrichtung "Demagnetisieren und tiefkühlen von CDs"), die zu einer Vermehrung von Unsicherheit und Desinformation führen, vom Umsatz ganz zu schweigen. Es ist wie mit dem Spruch "die schwingt gut am Bauch und ist deswegen laut und hat viel Sustain". Wenn die Planke schwingt, klaut sie den Saiten ihre Bewegungsenergie. Da paßt doch etwas nicht zusammen.

Aber was solls, Voodoo'n'Geektalk ist so alt wie das Guitar-Biz selber. Schade nur, daß der Versuch einer Auseinandersetzung mit dem Thema fast immer zu einer Gruppendynamik führt, die an die Methoden der Revier-Verteidigung im Tierreich erinnert. Aber das ist ein menschliches Problem, und kein gitarristisches. Vielleicht würde es mit der Diskussion ein bisschen besser gehen, wenn man sich mal mit unserem Hörapparat, der Wahrnehmungspsychologie und der Elektrotechnik zumindest in den Grundlagen beschäftigen würde. Man kann stattdessen in der Zeit auch Musik machen, hier hapert es aber manchmal bei der Voodoo-Fraktion. Ich würde niemals behaupten, daß die Vertreter des eines Lagers grundsätzlich besser spielen oder schöner, "amtlicher" klingen können, als die der anderen Seite. Meine persönliche Erfahrung in meinen rund 10 Jahren an den Drähten: je mehr Geschwafel, desto höher die Lufttemperatur beim Praxistest. Und das meine ich nicht im Sinne von "hot stuff".

Üben, besser werden, seinen musikalischen "Spirit" zu polieren, damit könnte man sich 2006 mal beschäftigen. Wobei ich persönlich gerne diese Geschichten lese, daß ein Kabel nur in eine Richtung klingt, daß TV-Yellow in Nitro viel spritziger kommt, als dunkelblau in DD-Lack, dann träum ich nachts einfach schöner.

Ich wünsch Euch allen ein hervorragendes Jahr 2006.

burke

P.S.: Die Erfahrungsberichte über die *-nizer lassen mich wiederum schlechter schlafen; vielleicht hat hier B-Ware doch etwas zu bedeuten? Womanizer und Boogie klang nicht gut, Direct-Out hatte ich vor der Retoure nicht ausprobieren können. Wenn mein richtiges Gerät da ist (hoffentlich noch diese Woche), werde ich mir einen Kollegen suchen, mit dem man mal vergleichen kann... Gemeint ist der Demonizer, nicht das Genital...


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