Aussensaiter-Forum - Beitrag 99025 von Michael (Jacuzzi)

Re: (Meinung) Mein Problem mit


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Beitrag von Michael (Jacuzzi) vom Juni 14. 2005 um 17:16:20:

Als Antwort zu: Re: (Meinung) Mein Problem mit geschrieben von muelrich am Juni 14. 2005 um 12:56:31:



Lieber Uli,


: Vielleicht umschreibst Du "erkennbar" noch mal etwas näher ...


Gerne; das Wort löst für mich nämlich ein paar Fragen.

"Erkennbar" bedeutet, dass einerseits die Musik als solche, andererseits die Person in der Musik erkannt werden kann. Damit ist auch klar, dass "erkennbar" nicht "wiedererkennbar" bedeutet. Es ist vielmehr etwas ähnliches wie "eigen", aber nicht ganz: Auch Interpretationen/Coverversionen können Musik und Personen erkennbar machen. Nur ist es eben die Beziehung der Musik zum Menschen, was sie ausmacht.

Nebenbei ist Erkennbarkeit auch nicht auf ganze Stücke beschränkt, sondern kann sich durchaus auf einzelne Töne, Phrasierungen o.ä. beziehen. Die Musik oder Musiker, die ich gerne höre, haben immer etwas von dieser Erkennbarkeit, und was mich abstößt, ist zumeist das nur-nachgemachte, fremdorientierte, normierte.

Wichtig ist dabei, dass Erkennbarkeit kein 100-Prozent-Kriterium (absolut) ist: Jeder Ton hat etwas erkennbares; nicht-erkennbare Musik existiert nicht. Es gibt in der Musik jedoch (relativ) mehr oder weniger von dieser Erkennbarkeit. Schwer objektiv nachweisbar natürlich, aber für mich, wie angedeutet, ein vielsagendes Kriterium. Bei Gesang z.B. liegt es oft auf der Hand, aber je mehr man sich mit Musik befasst, desto deutlicher wird die Erkennbarkeit auch in anderen Elementen: Komposition, Sound, Improvisation, Performance etc.

Um ein Beispiel zu geben: Bei den meisten dieser Casting-Shows aus den letzten Jahren schien es mir, dass jede Form von Erkennbarkeit geradezu weggedrillt wurde - was aber nicht verhindern konnte, dass bei einzelnen Kandidaten doch immer wieder etwas davon aufschien; das waren dann manchmal richtig schöne Momente. Ein anderes Beispiel wäre auf genormt/nicht erkennbar getrimmte Musik in irgendeiner Essensabteilung im Kaufhaus.

Ich kann diese Dinge für mich übrigens auch ganz gut auf eigene Sachen anwenden: Gut ist es immer dann geworden, wenn ich mich selbst in einem Stück oder einem Ton erkennen kann; schlecht sind die Sachen, in denen die Beziehung zu den Tönen verlorengegangen ist. (Kommt natürlich hinzu, dass mir nebenbei auch noch handwerkliche Fähigkeiten und Kenntnisse wichtig sind, aber das ist eine andere Baustelle.)

Erkennbarkeit und Innovation schließen einander schließlich nicht aus - natürlich. Der wesentliche Unterschied liegt nur darin, dass Innovation ein außen- und Erkennbarkeit ein innenorientiertes Kriterium ist: Von Innovation kann man nur sprechen, wenn man das schon vorhandene kennt. Erkennbar wäre Musik auch dann schon, wenn es vorher noch gar keine Musik gegeben hätte.

Hieraus wiederum folgt, dass Innovation ein ephemeres (zeitgebundenes) und damit letztlich völlig irrelevantes Kriterium ist. Erkennbarkeit hingegen ist zeitlos.


Gruß nach Zerbst,

Michael